Bedenklicher „Cocktaileffekt“

Wenn kosmetische Inhaltsstoffe wie Hormone wirken

29. Feb. 2020 von

Inhaltsstoffe wie Parabene, Ethylhexyl Methoxycinnamate oder auch Benzophenone sind meist ganz klein gedruckt, jedoch in Cremes, Shampoos oder Schminke weit verbreitet. Sie dienen nicht nur als Konservierungsmittel, UV-Filter oder UV-Absorber, sondern können teilweise auch eine hormonähnliche Wirkung haben. Ist die Verwendung solcher Stoffe wirklich nötig?

Was sind Hormone?

Ohne Hormone würde in unserem Körper das Chaos ausbrechen, denn sie sind lebenswichtige Botschafter. Sie übermitteln Informationen von einem Organ oder einem Gewebe zum anderen. Dazu gehören beispielsweise das Stresshormon Adrenalin oder die weiblichen und männlichen Sexualhormone Östrogen und Testosteron. Der Hormonhaushalt unseres Körpers ist ein extrem fein abgestimmtes System. Deshalb können schon kleine Mengen hormonell wirksamer Stoffe, wie sie auch in unseren Kosmetika enthalten sind, zu Problemen bzw. Störungen führen.

Was haben Hormone in unserer Kosmetik zu suchen?

„Dass bestimmte Inhaltsstoffe in Kosmetikprodukten eine hormonähliche Wirkung entfalten, ist in der Regel eher ein ungeplanter Nebeneffekt,” so Dr. Mandy Hecht, Chemikerin und Inhaltsstoffexpertin bei CodeCheck. „Stoffe wie Parabene dienen vor allem der Konservierung von Produkten, können gleichzeitig aber eben auch unerwünschte Nebenwirkungen verursachen. Mögliche Folgen können eine verminderte Spermienqualität, erhöhtes Risiko von Brust- und Hodenkrebs sowie Verhaltensstörungen bei Kindern sein.”

Auch bestimmte UV-Filter in Sonnencremes können das Hormonsystem beeinflüssen. Sie wandeln die gefährlichen UV-Strahlen auf der Haut um, stehen jedoch teilweise im Verdacht eine Wirkung im Körper zu entfalten, die Hormonen ähnlich ist. Damit können sie verschiedene Stoffwechselprozesse stören oder auch das Wachstum von Tumoren begünstigen. UV-Filter kommen nicht nur in Sonnenschutzprodukten vor. Sie sind als Produktschutz Bestandteil diverser Kosmetika. Von der Tagescreme, über den Badeschaum bis hin zum Make-up.

Nach einer Untersuchung des BUND aus dem Jahr 2013, werden unter anderem folgende Stoffe in Kosmetika eingesetzt, für die es Hinweise auf eine hormonelle Wirksamkeit gibt:

  • Konservierungsmittel: Methylparaben, Propylparaben, Ethylparaben, Butylparaben
  • UV-Filter: Ethylhexyl Methoxycinnamate (OMC), 4-Methylbenzylidene Camphor, 3-Benzylidene Camphor
  • UV-Absorber: Benzophenone-1 und Benzophenone-2

Der Unterschied zwischen “EDC” und “EA”

Stoffe, die das Hormonsystem beeinflussen, werden auch als „endokrine Disruptoren” (EDC) bezeichnet. Endokrine Disruptoren können die Wirkung von körpereigenen Hormonen beeinflussen, indem sie wichtige Botenstoffe blockieren oder deren Abbau, Aufbau und Transport stören. Laut einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden endokrine Disruptoren mit einer großen Reihe von Krankheiten in Verbindung gebracht. Dazu gehören unter anderem Brustkrebs, Diabetes, Asthma, Alzheimer, Parkinson, ADHS und Autoimmunerkrankungen. Auch eine verminderte Fruchtbarkeit sowie ein früheres Einsetzen der Pubertät können durch solche hormonell wirksamen Stoffe begünstigt werden. Die WHO hat hormonell wirksame Chemikalien 2013 daher als „globale Bedrohung“ bezeichnet.

Neben den endokrinen Disruptoren nach obiger Definition gibt es noch die sogenannten endokrin aktiven Substanzen (EA). Dies sind laut „Umweltbundesamt“ (UBA) Chemikalien, die ebenfalls mit der biochemischen Wirkweise von Hormonen interagieren. Im Gegensatz zu EDC’s ist es bei EA nach aktuellem Stand des Wissens jedoch noch unklar, ob diese Wechselwirkung zu einem schädlichen Effekt auf den gesamten Organismus führt oder nicht. Am 15. Juni 2016 legte die EU-Kommission einen Kriterienentwurf für EDCs vor. Der Kommissionsvorschlag sieht vor, Verbote nur auf solche Stoffe zu beschränken, die „nachweislich" schädliche Wirkungen auf Menschen und andere Organismen haben. Stoffe wie die oben aufgeführten kosmetischen Inhaltsstoffe sind daher von einem Verbot ausgeschlossen.

Der „BUND“ hat zusammen mit anderen Umweltverbänden hierzu eine ausführliche Stellungnahme formuliert. Die Kernaussage: Die EU-Kosmetikverordnung richte sich zu sehr danach, was die Industrie sich wünsche. Nicht danach, was den Verbraucher schütze.

Untersuchte und nicht untersuchte Parabene

Auch Parabene gelten derzeit entsprechend der EU Definition “nur” als endokrin aktive Substanzen (EA). Auch das „Bundesinstitut für Risikobewertung“ (BfR) misst ihnen eine geringe Toxizität bei und verweist darauf, dass andere Konservierungsstoffe häufig ein deutlich höheres allergisierendes Potenzial haben. Vier Parabenarten wurden in Studien an Ratten untersucht: die größeren Butyl- und Propylparabene und die kleineren Methyl- und Ethylparabene.

  • Für Butyl- und Propylparabene wurden Höchstkonzentrationen von 0,19 Prozent in kosmetischen Produkten festgelegt,
  • für die etwas weniger kritischen Methyl- und Ethylparabene eine Grenze von 0,4 Prozent.

Bei anderen Parabenarten fehlt es an eindeutigen Forschungsbefunden. So können die Auswirkungen von Isopropyl-, Isobutyl- und Phenylparabenen nicht ausreichend eingeschätzt werden. Das „BfR“ rät Kosmetikherstellern daher von einer Verwendung dieser Parabene ab.

Über Grenzen und den Cocktaileffekt

Vier Paraben-Arten sind in gewissen Mengen also in kosmetischen Produkten erlaubt. Institut und Kommission berufen sich dabei auf den Schweizer Arzt Paracelsus und dessen berühmten Satz: „Die Menge macht das Gift.“ Hier kommt unter anderem Widerspruch vom „BUND“: “Da sich die Wirkung der Stoffe aus verschiedenen Quellen im Körper aufsummiert, kann so ein gefährlicher Hormoncocktail zusammenkommen.“

Tatsächlich weisen Wissenschaftler im menschlichen Blut regelmäßig eine ganze Reihe hormonell wirksamer Chemikalien nach, darunter auch Parabene und UV-Filter aus der Kosmetik. Dabei werden teilweise bereits Konzentrationen erreicht, die im Tierversuch zu Gesundheitsschäden geführt haben.” Dies ist in der viel beachteten Studie der Organisation zum Thema hormonell wirksame Stoffe in Kosmetik nachzulesen. „Wer also ein parabenhaltiges Duschgel mit einem Sonnenschutz kombiniert, der potenziell hormonell wirksame Filter enthält, könnte die für einzelne Produkte festgelegten Mindestgrenzen schnell und täglich überschreiten,” so Dr. Mandy Hecht.

Hormonähnliche Stoffe mit CodeCheck erkennen

Wenn Du hormonell wirksame Stoffe meiden möchtest, solltest Du auf Kosmetik ohne Parabene und Sonnenschutz mit mineralischen statt chemischen Filtern zurückgreifen. Manche Hersteller bewerben ihre Produkte mit der Bezeichnung „ohne Parabene“. Dann sind zwar keine Parabene enthalten, dafür werden oftmals andere bedenkliche Konservierungsmittel eingesetzt. In zertifizierten Naturkosmetik-Produkten sind beispielsweise keine kritischen Konservierungsmittel oder UV-Filter enthalten. Doch auch viele kleinere Hersteller ohne Siegel ziehen nach. Daher solltest Du die Inhaltsstoffe auf der Rückseite der Verpackung genauestens studieren. Mit CodeCheck kannst Du ganz einfach herausfinden, ob das entsprechende Produkt Stoffe enthält, die wie Hormone wirken können. Besonders häufig belastet sind laut der BUND-Studie übrigens teure Markenprodukte und Sonnenschutzcremes. Ein hoher Preis ist also kein Garant für ein gutes Produkt beziehungsweise ersetzt das genaue Studium der Inhaltsstoffe nicht.

Weiterführende Links:

- Untersuchung des BUND aus dem Jahr 2013

- Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu hormonell wirksame Chemikalien

- Leitfaden zu endokrinen Disruptoren des Umweltbundesamtes

- Stellungnahme des BUND