Cremig, günstig, problematisch

Warum der Einsatz von Palmöl in Kosmetik kritisch ist

29. Juli 2025 von

Palmöl, der Alleskönner! Der Inhaltsstoff verleiht nicht nur Lebensmitteln, sondern auch vielen Kosmetikprodukten eine cremige Konsistenz. Weil es sich leicht verarbeiten lässt und sehr ertragreich ist, gehört es weltweit zu den meistverwendeten pflanzlichen Ölen – mit gravierenden Folgen für Umwelt und Gesellschaft. Zertifizierungen schaffen dabei nur begrenzt Abhilfe. Wir erklären dir, worauf du beim Einkauf von Kosmetikprodukten achten solltest.

Palmöl und seine Derivate: Verbraucher:innen im Dunkeln

In Sonnencremes, Shampoos und Lippenstiften sind Inhaltsstoffe auf Basis von Palmkernöl enthalten. Hier sind sie allerdings nicht so leicht erkennbar wie in Lebensmitteln. Denn für Kosmetik und Reinigungsmittel, anders als für Lebensmittel, besteht keine Deklarationspflicht für Palmöl. Sie finden sich auf der Inhaltsstoffliste zumeist in Form sogenannter Derivate bzw. Hilfsstoffe, also als verarbeitete Inhaltsstoffe, die zum Beispiel als Emulgatoren, Tenside, Ölkomponenten oder Verdickungsmittel dienen und verstecken sich hinter Namen wie Glyceryl Stearate oder Cetearyl Alcohol.

Wo ist das Problem?

Palmöl ist ein umstrittener Rohstoff, welcher in den 1990er Jahren immer mehr an Wichtigkeit für die globale Wirtschaft bekam. Mit schweren Auswirkungen: Abholzung von Regenwäldern und Verlust von Biodiversität (z. B. Lebensraum für Orang-Utans). Beitrag zum Klimawandel durch CO₂-Ausstoß bei Brandrodungen. Landrechtskonflikte in den Anbaugebieten. Palmöl wird aus dem Fruchtfleisch der Ölpalme hergestellt und findet vor allem in Lebensmitteln Verwendung, während Palmkernöl mehrheitlich zu kosmetischen Inhaltsstoffen verarbeitet wird. Ölpalmen werden vor allem in Indonesien und Malaysia in großem Stil angebaut.

Kleine Menge, große Schäden

„Hersteller betonen gerne, dass Palmöl-Derivate in Kosmetik nur in geringen Mengen eingesetzt werden“, erklärt Dr. Ruta Almedom, wissenschaftliche Leiterin von CodeCheck. „Doch auch kleine Mengen Palmöl in Kosmetik summieren sich weltweit zu einer riesigen Nachfrage.“ Die industrielle Palmölproduktion fokussiert sich dabei vor allem Lebensräume im globalen Süden. Sie zerstört tropische Regenwälder, führt zu Abholzung und CO₂-intensiven Brandrodungen, bedroht Arten wie den Orang-Utan und verursacht soziale Konflikte. Ausbeuterische Arbeitsbedingungen und Verdrängung von Kleinbäuer:innen betreffen oft indigene Gemeinschaften in den Anbaugebieten. Selbst wenn Palmöl nur als technischer Hilfsstoff dient, bleibt es ein ethisch belasteter Rohstoff. Auf diese Missstände und die globalen Auswirkungen, die die Entwaldung nach sich zieht, hat zuerst Greenpeace im Jahre 2007 aufmerksam gemacht, gefolgt vom WWF. Erst seitdem werden sind Veränderungen in Gang gekommen, die aber schleppend verlaufen.

Zertifiziert – aber wie nachhaltig?

Viele Unternehmen setzen deshalb auf Zertifizierungen des Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO), eine Organisation, die seit 2004 weltweit verschiedene Interessengruppen wie Ölproduzenten, Verarbeiter und NGOs zusammenbringt, um die Nachhaltigkeit von Palmöl zu verbessern. Doch wie nachhaltig sind sie wirklich? Nicht alle Zertifizierungsformen sind gleich streng:

  • Mass Balance (MB) erlaubt die Mischung mit konventionellem (nicht-nachhaltigem) Palmöl ohne Rückverfolgbarkeit.
  • Segregated (SG) nutzt ausschließlich nachhaltiges Palmöl, aber nur mit bedingter Rückverfolgbarkeit.
  • Identity Preserved (IP) garantiert die Rückverfolgbarkeit bis zur Plantage.

Die Kategorien Segregated (SG) und Identity Preserved (IP) bieten eine bessere Rückverfolgbarkeit und garantieren – im Sinne der eigentlichen Vision des RSPO, dass das zertifizierte Palmöl tatsächlich aus nachhaltigen Quellen stammt. Dagegen ermöglicht die die Mass Balance (MB)-Zertifizierung Unternehmen, sowohl nachhaltiges als auch nicht-nachhaltiges Palmöl in ihren Lieferketten zu mischen. Dies kann dazu führen, dass Unternehmen das RSPO-Label verwenden, ohne tatsächlich sicherzustellen, dass das meiste, wenn nicht alles, ihres Palmöls vollständig nachhaltig ist.

Ist nachhaltiges Palmöl in meinem Produkt enthalten? Unklar!

Die RSPO-MB-Zertifzierung diente ursprünglich als Übergangslösung, inzwischen dominieren MB-zertifizierte palmölbasierte Rohstoffe jedoch den Markt – und die Transition zu "Segregated" (Getrennt) und "Identity Preserved" (Kennzeichnung) wird verlangsamt. Hinzu kommt: Ob und welches Zertifikat das verwendete Palmöl hat, taucht auf den Verpackungen der Kosmetikprodukte praktisch nie auf. Verbraucher können also so gut wie nie erkennen, ob es sich um nachhaltiges Palmöl handelt oder nicht.

Wir haben bei Herstellern nachgefragt

Deswegen haben wir die Hersteller der 50 am häufigsten bei CodeCheck gescannten Sonnencremes gefragt, welche Zertifizierung die von ihnen in diesen Produkten genutzten palmölbasierten Inhaltsstoffe haben. Das Ergebnis: Fast alle Hersteller nutzen Stoffe mit der schwachen MB-Zertifizierung.

Populäre Sonnencremes mit Palmöl (MB-zertifiziert)

Die Begründung: Inhaltsstoffe in SG- oder IP-Qualität seien auf dem Markt selten oder gar nicht verfügbar. So lange könnten diese Kosmetik-Hersteller auch nicht auf 100 Prozent IP oder SG umstellen. Derivate-Hersteller ihrerseits geben an, dass die Nachfrage nach teureren Derivaten in SG oder IP noch immer zu niedrig sei, um den Aufbau wirtschaftlich zu machen. Denn die Umstellung auf die "Segregated" und "Identity Preserved" Kategorien erfordert eine deutlich höhere Rückverfolgbarkeit und Transparenz in der Lieferkette. Dies ist mit zusätzlichen Kosten und einer höheren Komplexität verbunden. Viele Unternehmen zögern, diese höheren Anforderungen zu erfüllen, insbesondere wenn sie bereits Mass Balance verwenden und dies als ausreichend erachten.

Neue EU-Regelung verschärft Anforderungen

Doch es soll besser werden. Ab Ende 2025 gilt die neue EU-Entwaldungsverordnung (EUDR). Sie verlangt den Nachweis, dass alle Produkte auf dem europäischen Markt entwaldungsfrei sein müssen – unabhängig vom RSPO-Siegel. Auch MB-zertifizierte Palmölderivate müssen dann bis zur Plantage rückverfolgbar sein. Expertengremien wie das Forum Nachhaltiges Palmöl (FONAP) erwarten, dass dies den Druck auf Hersteller erhöht, auf strengere Zertifizierungen umzusteigen. „Wie genau die Rückverfolgung aussehen soll, bleibt vielerorts aber noch offen“, so Dr. Almedom.

Was die Sonnencremes betrifft, so gibt auch jetzt schon einige Ausnahmen:

Sonnenschutzmittel mit Bio-Palmöl

Sonnenschutzmittel ohne Palmöl

Gibt es Alternativen zum Palmöl?

Alternativen wie Kokos- oder Sojaöl sind nicht automatisch besser, da sie oft mehr Fläche benötigen oder andere Umweltprobleme verursachen. Nicht das Palmöl an sich ist problematisch, sondern die langfristigen Auswirkungen des Anbaus, die für die Rodung von stetig wachsenden Regenwaldflächen verantwortlich ist. So bleibt Palmöl in Kosmetik aktuell ein globales ökologisches und soziales Problem. Hier muss also eine Strategie für eine langfristig nachhaltige Balance entwickelt werden, die auf ökologisch und sozial nachhaltigen Anbau und den Stopp weiterer Entwaldung baut.

Quellen und weiterführende Links