Unsichtbare Gefahr in Kosmetikprodukten

Achtung vor hormonell aktiven Inhaltsstoffen

24. Juni 2025 von

Sie stecken in Shampoos, Cremes und Sonnenschutzmitteln und dienen als Konservierungsmittel oder UV-Filter: Stoffe mit hormonähnlicher Wirkung, auch endokrine Disruptoren (EDC) genannt. Dazu gehören zum Beispiel bestimmte Parabene und Benzophenone. Zwar sind die Inhaltsstoffe in Kosmetika meist reguliert, ihre hormonelle Wirksamkeit wurde jedoch bis vor Kurzem nicht berücksichtigt. Zudem werden Stoffe in der Regel einzeln bewertet, wobei der sogenannte Cocktaileffekt, also ihr Zusammenwirken, häufig unberücksichtigt bleibt.

Körpereigene Hormone wie Adrenalin, Östrogen oder Testosteron sind lebenswichtige Botenstoffe, die in unserem Körper Informationen zwischen Organen und Geweben übermitteln. Da unser Hormonhaushalt sehr empfindlich ist, können bereits kleinste Mengen endokriner Disruptoren (EDC) das Gleichgewicht im Körper stören. Inzwischen ist bekannt, dass sich hormonell wirksame Inhaltsstoffe im Körper anreichern, sich gegenseitig beeinflussen und ihre Wirkung potenzieren. Dadurch können sie langfristig die Gesundheit schädigen. Sie stellen somit eine ernsthafte Bedrohung für Mensch und Umwelt dar.

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Hormonell wirkende Stoffe sind allgegenwärtig

Stoffe mit hormonähnlicher Wirkung sind in verschiedenen Produkten wie Verpackungen, Pestiziden, Kosmetik sowie Wasch- und Reinigungsmitteln enthalten. Du nimmst diese Substanzen täglich über die Haut, durch Einatmen oder über Lebensmittel auf. Bekannte Beispiele sind Bisphenol A (BPA), Phthalate und Parabene. In Kosmetika werden diese Stoffe beispielsweise als UV-Filter, Konservierungs- oder Lösungsmittel eingesetzt. Inhaltsstoffe mit hormonell schädigender Aktivität sind eine bedeutende Ursache für die Gefährdung von Verbraucher:innen durch Kosmetika. Aufgrund ihrer Wirkung steigt das Risiko negativer gesundheitlicher Folgen wie Reproduktionsstörungen, kognitive Defizite, Fettleibigkeit und Krebs. Insbesondere gefährdet sind sensible Gruppen wie Kinder, Schwangere und Jugendliche, letztere zum Beispiel durch das Einsetzen einer frühzeitigen Pubertät. Dennoch wurden EDC jahrzehntelang ohne weitere Regulierung in Produkten verwendet.

Dosis und Kombination machen das Gift

Studien zeigen, dass bereits geringe Mengen endokrin aktiver Stoffe das Risiko für hormonabhängige Erkrankungen wie Brust- und Prostatakrebs erhöhen können. Zudem kann die tägliche Anwendung verschiedener Produkte die Wirkung verstärken, ohne dass ein einzelner Stoff die gesetzlichen Grenzwerte überschreitet.

Dr. Ruta Almedom, Biochemikerin und wissenschaftliche Leiterin von CodeCheck, warnt:

„Eine sichere Dosis gibt es nicht, denn selbst minimale Konzentrationen können im Zusammenspiel miteinander und mit unseren körpereigenen Hormonen problematische Auswirkungen haben, besonders in empfindlichen Lebensphasen wie der Pubertät, während einer Schwangerschaft oder in der Stillzeit.“

Es müsse nicht nur die Dosis, sondern dringend auch der Cocktaileffekt, also die Kombinationswirkung, berücksichtigt werden, denn:

„Endokrine Disruptoren finden sich in Kosmetika, Lebensmitteln und der Umwelt. So sind wir selten nur einer Chemikalie ausgesetzt, sondern vielen gleichzeitig. Diese Mischungen können miteinander reagieren und ihre Wirkung verstärken.“

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Neuer EU-Gesetzesvorschlag wird für 2026 erwartet

Im Jahr 2019 hat die Europäische Kommission eine Prioritätenliste von 28 in Kosmetika verwendeten Stoffen mit potenziell endokrinen Eigenschaften erstellt. Die Prüfung dieser Stoffe ist teilweise noch im Gange und sehr zeitaufwändig.

Bisher erfolgen die Risikobewertungen kosmetischer Inhaltsstoffe in der EU durch das Scientific Committee on Consumer Safety (SCCS) auf Basis einzelner Stoffe. Dabei bleiben das Zusammenspiel mehrerer hormonell aktiver Substanzen und Mischungseffekte mit anderen Stoffen unberücksichtigt. Dieser Cocktaileffekt wird jedoch bereits im europäischen Chemikalienrecht, der REACH-Verordnung, diskutiert. Die EU-Kommission möchte einen Mischungsbewertungsfaktor (MAF) einführen, um mögliche Kombinationswirkungen von Chemikalien pauschal zu berücksichtigen. Mit dieser Vorsichtsmaßnahme sollen Risiken erfasst werden, ohne dass jede Wechselwirkung einzeln geprüft werden muss.

CodeCheck fordert vorsorgenden Verbraucherschutz

Unserer Ansicht nach reichen diese Maßnahmen allein nicht aus, um die Sicherheit der Verbraucher:innen umfassend zu gewährleisten. Anstatt auf komplizierte Einzelprüfungen zu setzen, wäre eine klarere Definition sinnvoll, die sicherstellt, dass endokrin wirksame Stoffe gar nicht erst in die Umwelt oder den menschlichen Körper gelangen. Dies könnte durch eine strikte Beschränkung ihrer Nutzung auf geschlossene Systeme erreicht werden, die weder unseren Körper noch die Umwelt erreichen. Dieser gefahrenbasierte Ansatz könnte einen entscheidenden Beitrag leisten, um Verbraucher:innen besser zu schützen.

Dr. Almedom sagt dazu:

„Das Vorsorgeprinzip soll helfen, Risiken zu minimieren, auch wenn wissenschaftliche Beweise nicht vollständig sind. Dennoch führt die derzeit komplizierte Identifikation dieser Stoffe oft dazu, dass gefährliche Chemikalien weiter zugelassen bleiben, und wir täglich mit ihnen in Kontakt kommen.”

Wie du endokrine Stoffe in Kosmetika vermeiden kannst

Solange die gesetzlichen Bestimmungen zur Zulassung von kosmetischen Inhaltsstoffen den Cocktaileffekt nicht berücksichtigen, empfehlen wir dringend, den Kontakt mit hormonell aktiven Stoffen so weit wie möglich zu reduzieren oder am besten ganz zu vermeiden.

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Unsere Tipps für den Alltag

  • Achte auf die Inhaltsstoffe und vermeide Produkte mit hormonell wirksamen Inhaltsstoffen wie Ethylhexyl Methoxycinnamate (OMC), Benzophenonen oder Propylparaben.
  • Setze auf zertifizierte Natur- oder Biokosmetik, die in der Regel auf hormonell aktive Stoffe verzichtet.
  • Weniger ist mehr. Reduziere die Menge der verwendeten Kosmetika, besonders im empfindlichen Bereich rund um Schleimhäute oder bei Kindern.
  • Sonnenschutz, Anti-Aging und Pflege in einem? Sei kritisch bei Kombiprodukten. Je mehr Funktionen ein Produkt erfüllt, desto höher kann das Risiko für bedenkliche Inhaltsstoffe sein.
  • Dokumente wie die SIN List von Chemsec (s. Quellen) geben an, welche Stoffe als besonders besorgniserregend gelten und möglichst schnell ersetzt werden sollten.
  • Auch die CodeCheck-App hilft dir dabei, für dich geeignete Produkte zu erkennen. In den Profileinstellungen kannst du auswählen, dass dir Produkte mit hormonell aktiven Inhaltsstoffen immer als ungeeignet angezeigt werden.

Quellen

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CodeCheck