Artenschutz in der Antarktis

Omega-3-Kapseln: Das Geschäft mit dem Krill

15. Okt. 2018 von

Sie werden als Allheilmittel beworben, die Herzinfarkte und Arteriosklerose vorbeugen, Entzündungen, Diabetes und Alzheimer lindern: Das Geschäft mit Omega-3-Fettsäure-Kapseln boomt. Häufiger Bestandteil der Kapseln ist antarktischer Krill. Doch die Jagd auf das kleine Krebstier stellt eine große Gefahr für ein ohnehin schon gefährdetes Ökosystem dar.

Das Wort „Krill“ ist norwegisch und bedeutet „Walfutter“. Doch nicht nur die größten Säugetiere der Welt ernähren sich von dem bis zu sechs Zentimeter großen Schalentier. Auch bei Pinguinen, Robben, Seevögeln und Fischen stehen die Krebse täglich auf dem Speiseplan – oft als einzige Nahrungsquelle.

Damit ist das Krebstier der wichtigste Bestandteil in der Ernährungskette der Antarktis. Der antarktische Krill selbst ernährt sich von Mikroalgen, die unter dem Eis leben. Schmilzt das Eis, schwinden auch Algenbestände. Doch nicht nur der Klimawandel macht dem Krill deshalb das Überleben schwer.

Auch der Mensch hat es auf das kleine Tierchen abgesehen – denn seine Ernährung macht ihn reich an Omega-3-Fettsäuren, die in Kapselform als teures Nahrungsergänzungsmittel vermarktet werden.

Vom Krebs zur Kapsel

Omega-3-Fettsäuren sind mehrfach ungesättigte Fettsäuren, die der Körper nicht selbst herstellen kann. Sie müssen deshalb über die Ernährung aufgenommen werden. Insgesamt gibt es elf verschiedenen Omega-3-Fettsäuren, die sich in ihrer Moleküllänge unterscheiden.

Für den menschlichen Organismus sind drei der Fettsäuren besonders wichtig: Alpha-Linolensäure (ALA) ist in pflanzlichen Fettquellen zu finden. Diese kommt unter anderem in Raps-, Walnuss- Hanf- oder Leinöl vor. Die beiden anderen wichtigen Omga-3-Fettsäuren sind Docosahexaensäure (DHA) und Eicosapentaensäure (EPA). Diese beiden Fettsäuren kommen in Mikroalgen vor und damit auch in den Meeresbewohnern, die sich von diesen ernähren.

Der menschliche Körper kann DHA und EPA zwar aus dem pflanzlichen ALA umwandeln, allerdings ist diese körpereigene Umwandlung nicht besonders effizient.

Aus diesem Grund greifen viele Menschen auf Nahrungsergänzungsmittel aus Fisch- und Krillöl zurück. Die Kapseln sollen unter anderem helfen, einen normalen Cholesterinspiegel im Blut sowie einen normalen Blutdruck zu erhalten, sowie außerdem zu einer normalen Gehirnfunktion, Sehkraft und Herzfunktion beitragen.

Die Hersteller von Krillöl-Kapseln werben zudem mit einer besonderen Unberührtheit aus der Antarktis. Doch genau diese wird von der Industrie selbst massiv gefährdet. Denn das Geschäft mit dem Krillöl ist nicht nur extrem umweltbelastend, sondern in den meisten Fällen auch noch völlig unnötig: Der Tagesbedarf an Omega-3-Fettsäuren kann normalerweise problemlos mit einer ausgewogenen Ernährung gedeckt werden.

Laut der Verbraucherzentrale“ benötigen gesunde Menschen keine Nahrungsergänzungsmittel, um ihren Tagesbedarf an Omega-3-Fettsäuren zu decken. Auch Vegetarier und Veganer müssen keine Sorge haben, nicht ausreichend mit den Omega-Fettsäuren versorgt zu werden.

Die „Deutsche Gesellschaft für Ernährung“ empfiehlt 0,5 Prozent der täglichen Kalorien durch die in Pflanzen vorkommenden ALA Omega-3-Fettsäuren aufzunehmen. Das entspricht bei einem Erwachsenen mit einer Zufuhr von 2.400 Kilokalorien am Tag beispielsweise einem Esslöffel Rapsöl.

Greenpeace kämpft für den Krill

Im Rahmen einer internationalen Kampagne machte „Greenpeace“ auf das Problem der Krillindustrie aufmerksam – mit Erfolg. In einem 40-seitigen Report zeigte die Non-Profit-Organisation, wie die Krillfischer das Überleben von fast allen Tieren in der Antarktis in Gefahr bringen.

Dabei stellt laut „Greenpeace“ nicht nur der Fang selbst große Risiken dar. Auch Faktoren wie die Schädigung des Meeresbodens durch Anker, Treibstoffaustritt und Ölverschmutzung sollen den fragilen Lebensraum außer Balance bringen.

Tatsächlich konnte die internationale Kampagne von „Greenpeace“ Erfolge verzeichnen: Im Juli 2018 willigte der Branchenverband der Krillindustrie ein, zukünftig auf Fischerei in großen Gebieten um die Antarktische Halbinsel zu verzichten. Diese Selbstverpflichtung repräsentiert 85 Prozent der Krillindustrie und ist damit ein wichtiger Schritt für den Schutz der Antarktis.

Die Entscheidung des Verbandes kommt zu einem guten Zeitpunkt. Im Oktober 2018 wird die Antarktis-Kommission „CCAMLR“ (Commission for the Conservation of Antarctic Marine Living Resources) über die Schaffung des größten Schutzgebietes der Welt im Weddellmeer entscheiden. In den von der Kommission ausgezeichneten Schutzgebieten wäre dann keine industrielle Nutzung erlaubt. Es dürften also weder Fische gefangen noch Ressourcen gefördert werden. Da die Kommission das Abkommen nur einstimmig beschließen kann, ist jede öffentliche Stellungnahme wertvoll. Bereits 25.350 Menschen haben außerdem die Petition von „Greenpeace“ zur Unterstützung des UN-Schutzabkommens unterzeichnet.

Alternativen suchen – die Antarktis schützen

Um Dich zum Schutz der Weltmeere zu positionieren, kannst Du mit Deinem Konsumverhalten einen kleinen Schritt in die richtige Richtung gehen. Denn bewusste Entscheidungen im Supermarkt setzen ein Zeichen für die Industrie.

Falls Du nicht auf Nahrungsergänzungsmittel verzichten kannst oder willst, lohnt es sich nach Alternativen umzusehen. Extrakte aus Mikroalgen liefern EPA und DHA, ohne dass dafür in überfischten Gewässern gefischt werden muss. Um die gewonnene Ökobilanz nicht mit langen Transportwegen wieder zu zerstören macht es Sinn darauf zu achten, dass das Pulver aus einer europäischen Algenaufzucht kommt.

Wenn Du Deinen Omega-3 Bedarf über den Konsum von fettem Seefisch deckst, ist es gut diesen auf ein bis höchstens zweimal wöchentlich zu beschränken. Eine gute Übersicht für den nachhaltigen Fischkauf bietet der „Greenpeace“-Einkaufshelfer.

Der Verzicht auf Nahrungsergänzungsmitteln aus dem Südpolarmeer ist in jedem Fall machbar und hilft dabei, dass die Antarktis so unberührt bleibt wie sie auf den Verpackungen der Krillöl-Kapseln dargestellt wird.