Nierenversagen durch Haarglättungsmittel

Haarglättungsmittel und andere Stylingprodukte mit Glyoxylsäure stehen im Verdacht, Nierenversagen auszulösen. Trotzdem sind sie in der Europäischen Union (EU) noch zugelassen. Expert:innen fordern ein Verbot und raten ebenso wie wir von CodeCheck vorsorglich von der Verwendung der gesundheitsgefährdenden Produkte ab.
Jüngste Untersuchungen der französischen Agentur für Lebensmittelsicherheit, Umwelt und Arbeitsschutz ANSES haben ergeben, dass Produkte, die den Inhaltsstoff Glyoxylsäure (INCI: Glyoxylic Acid) enthalten, die Gesundheit gefährden können. Nach der Auswertung wissenschaftlicher Daten zur Toxizität wurde Anfang dieses Jahres bestätigt, dass dieser Stoff, der in Kosmetikprodukten und insbesondere in Haarglättungsmitteln weit verbreitet ist, akutes Nierenversagen verursachen kann. Bisher gibt es in der Europäischen Union (EU) keine Beschränkungen für die Verwendung von Glyoxylsäure in kosmetischen Produkten.
Gesundheitsrisiko durch Shampoos, Glättungs- und Stylingprodukte
Seit 2015 wird Glyoxylsäure als sichere Alternative zu Formaldehyd in Shampoos, Glättungs- und Stylingprodukten verwendet. Die Substanz soll besser sein als Formaldehyd, das für seine reizenden und potenziell krebserregenden Eigenschaften bekannt ist. Immer mehr Fälle bestätigen jedoch, dass Glyoxylsäure erhebliche Gesundheitsrisiken birgt, vor allem für die Nieren.
Angesichts der Gesundheitsrisiken hat ANSES (Agence nationale de sécurité sanitaire de l’alimentation, de l’environnement et du travail) empfohlen, den Stoff zu überprüfen und eine mögliche Einschränkung oder ein Verbot seiner Verwendung in Haarkosmetika zu erwägen. Bis zur Umsetzung entsprechender Regelungen wird von der Verwendung glyoxylsäurehaltiger Produkte abgeraten. Die Hersteller sind aufgefordert, die Sicherheit ihrer Produkte zu überprüfen und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, um das Gesundheitsrisiko zu minimieren.
Glyoxylsäure, ein potenziell toxischer Inhaltsstoff
Die chemische Struktur der Glyoxylsäure ermöglicht die Restrukturierung der Keratinfasern und lässt dein Haar kräftiger, glänzender und gesünder aussehen. Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Substanz nach Hautkontakt in die Leber aufgenommen und dort in Oxalsäure umgewandelt wird. Diese kann in der Niere als Calciumoxalat-Kristalle ausfallen und zu einer gefährlichen Nephropathie, also einer Erkrankung der Niere oder der Nierenfunktion, führen.
Mehrere Fallberichte und Studien belegen einen Zusammenhang zwischen der Anwendung von Glyoxylsäure und akuten Nierenschäden. So entwickelte eine Patientin in der Schweiz nach einer Haarglättungsbehandlung Symptome wie Übelkeit, Bauchschmerzen und erhöhte Kreatininwerte, die auf eine akute Nierenschädigung hindeuteten. Laboruntersuchungen bestätigten Oxalatablagerungen in den Nieren. Auch Tierversuche zeigen, dass der Hautkontakt mit glyoxylsäurehaltigen Cremes zur Bildung schädlicher Kristalle führen kann.
Allein in Frankreich wurden im vergangenen Jahr vier Fälle von akutem Nierenversagen im Zusammenhang mit glyoxylsäurehaltigen Kosmetika gemeldet. In Israel wurden zwischen 2019 und 2022 sogar 26 Fälle von Nierenschäden nach der Anwendung von glyoxylsäurehaltigen Haarglättungsprodukten aus Brasilien bekannt. Die weite Verbreitung von Haarglättungsprodukten in Brasilien, Argentinien, Nordafrika und anderen Regionen lässt vermuten, dass die Anzahl undokumentierter Fälle weitaus höher liegt.
Haarprodukte mit Glyoxylsäure
Strengere Vorschriften gefordert
Glyoxylsäure unterliegt derzeit weder in der EU noch in Großbritannien einem Verbot oder einer Einschränkung. Angesichts dieser Erkenntnisse haben die ANSES und andere französische Organisationen und Behörden Friseur:innen sowie Verbraucher:innen vor Verwendung von glyoxylsäurehaltigen Produkten gewarnt. Auch die Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz (GD SANTE) rät dringend davon ab, bis weitere Untersuchungen abgeschlossen sind. Nebenwirkungen können innerhalb von 24 bis 48 Stunden nach der Anwendung eines Haarglättungsmittels, das diesen Inhaltsstoff enthält, auftreten. Wenn du davon betroffen bist und Symptome wie Bauchschmerzen, Übelkeit oder Kopfhautreizungen feststellst, solltest du sofort einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen.
In Frankreich arbeitet die Regierung an strengeren Vorschriften zum Schutz der öffentlichen Gesundheit. Es wird erwartet, dass die EU ähnliche Maßnahmen erwägt, da die derzeitigen Vorschriften keine spezifischen Beschränkungen für Glyoxylsäure vorsehen. Israel hat als erstes Land bereits im Januar 2024 alle Produkte verboten, die diesen Inhaltsstoff enthalten.
Dr. Ruta Almedom, die wissenschaftliche Leiterin von CodeCheck, sagt dazu:
„Ein Inhaltsstoff, der in kurzer Zeit zu akutem Nierenversagen führen kann, hat in Kosmetika nichts zu suchen. Durch die Verwendung von Produkten, die diesen Stoff enthalten, besteht nicht nur ein erhöhtes Risiko für Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern auch für Menschen in Friseurberufen. Der Einsatz von Glyoxylsäure sollte dringend europaweit verboten werden, um weitere Schäden zu vermeiden.“
Glyoxylsäure mit der CodeCheck-App vermeiden
Angesichts der potenziell nierenschädigenden Wirkung von Glyoxylsäure solltest du auf Haarglättungsmittel und andere Kosmetika, die diese Verbindung enthalten, unbedingt verzichten. CodeCheck stuft den Inhaltsstoff in Kosmetika als „sehr bedenklich“ ein. Wenn du den Stoff vermeiden möchtest, kannst du ihn mit der App schnell und einfach identifizieren.
Ein Tipp zum Schluss
Wenn du jetzt lieber zum Glätteisen greifst, solltest du vorher unbedingt Hitzeschutzspray oder Anti-Frizz-Balsam auftragen - sonst ist die Gefahr von Hitzeschäden zu groß.
Diese Hitzeschutzsprays sind empfehlenswert
Diese Anti-Frizz-Produkte sind empfehlenswert
Quellen
- Agence nationale de sécurité sanitaire de l'alimentation, de l'environnement et du travail (ANSES): Produits lissants pour cheveux : l’alerte sur l’acide glyoxylique est confirmée
- Agence nationale de sécurité sanitaire de l'alimentation, de l'environnement et du travail (ANSES): Alerte sur les risques liés aux produits de lissage pour cheveux contenant de l’acide glyoxylique
- International Agency for Research on Cancer (IARC): IACR Monographs evaluate the carcinogenicity of talc and acrylonitrile / IACR Monographs Volume 136
- European Chemicals Agency (ECHA): Highlights from September RAC and SEAC meetings / ECHA/NR/24/24
- Coslaw: Glyoxylic Acid in the spotlight of French authority
- Ecomundo: Health Alert on Brazilian Hair Straightening Products: Risks of Glyoxylic Acid
- Sciencedirect: Acute Kidney Injury and Hair-Straightening Products
- The New England Journal of Medicine: Kidney Injury and Hair-Straightening Products Containing Glyoxylic Acid
- Klinikum Saarbrücken der Winterberg: Neue Erkenntnisse: Warum Haarpflege zu Nierenversagen führen kann
- National Library of Medicine: Acute Kidney Injury and Hair-Straightening Products: A Case Series