Künstliche Krisen

Nahrungsmittelspekulation – Wenn mit Hunger Profit gemacht wird

04. Juni 2015 von

Nahrungsmittelspekulationen an den Börsen sorgen weltweit für extreme Preisschwankungen bei Lebensmitteln. Wie funktioniert das Geschäft mit dem Hunger?

Spekulation bedeutet allgemein, dass in Aktien, Devisen und anderen Wertpapieren investiert wird. Ziel ist es, sie nach dem Erwerb zu einem verändertem Preis gewinnbringend verkaufen zu können. Von Nahrungsmittelspekulation wird gesprochen, wenn ein Anleger auf dem Rohstoffmarkt mit Wetten in die Zukunft auf steigende oder fallende Rohstoffpreise an den Nahrungsmittelbörsen setzt. Die Hoffnung des Investors besteht darin, Gewinne zu erzielen.

Wissenschaftliche Studien belegen, dass Spekulationen mit Agrarstoffen die Preisschwankungen auf dem Lebensmittelmarkt verstärken. In den westlichen Industrienationen spürt man davon (noch) wenig. Entwicklungs- und Schwellenländer jedoch sind im grossen Ausmasse negativ betroffen. In zahlreichen armen Ländern wurden sogar Hungerkrisen massiv durch das Tun der Spekulanten verschärft.

Das Geschäft mit der Nahrung

Doch wie funktioniert die Nahrungsmittelspekulation? Am sogenannten Terminmarkt kann sich ein Bauer, der nicht weiss, wie viel seine Ernte nächstes Jahr wert sein wird, gegen zukünftige Preisschwankungen absichern. In erster Linie ist das ein gutes Prinzip. Der Bauer kann beispielsweise mit einem Getreidemüller direkt einen Preis und ein Lieferdatum vertraglich vereinbaren. Diese Terminverträge nennt man an der Börse „Futures“. Um die Verhandlungen am gigantischem Lebensmittelmarkt einfacher zu machen, gibt es Zwischenhändler, so genannte Hedger. Ein Hedger fungiert als Absicherer zwischen beiden Parteien. Er übernimmt die Verluste des Bauern, falls der Preis während des Zeitraums zwischen Vertragsabschluss und Fälligkeitsdatum sinkt.

Steigt der Preis aber deutlich, fährt der Heger die satten Gewinne ein. Zudem bekommt er für seine Dienstleistungen und das Risiko, welches er eingeht, eine Gebühr vom Bauer. Das selbe Geschäft kann er dem Getreidemüller anbieten. Positiv ist, dass für beide Parteien Planungssicherheit besteht und der Hedger meist gut mit dem Nahrungsmittelmarkt vertraut ist.

Was sich jedoch in den letzten 15 Jahren verändert hat, ist die Liberalisierung des Marktes. Immer mehr Akteure wollen an dem lukrativen Geschäft teilnehmen. Und nach dem Zusammenbruch des Immobilienmarktes drängen mehr und mehr Spekulanten auf den Rohstoff- und Lebensmittelmarkt. Auch die Gesetzeslage hat sich verändert. Banken und Fonds wurde es erlaubt, verstärkt auf dem Terminmarkt teilzunehmen. Hedgefonds (computerisierter Hochfrequenzhandel) versuchen mit allen möglichen Tricks der Finanzbranche auf steigende oder fallende Preise zu wetten, und trotzdem Gewinne zu erzielen.

Indexfonds konzentrieren sich darauf, mit dem Kauf von riesigen Mengen Futures den physischen Markt nachzubilden. Allerdings ist anzunehmen, dass sie die Preise so nach oben treiben. An den Börsen von Paris, London und New York spielt diese neue Art von Spekulation mit Futures eine wachsende Rolle. Der Zustrom von Spekulanten führt dazu, dass immer mehr Verträge abgeschlossen werden, die nichts mehr mit der Realwirtschaft zu tun haben.

Einige Spekulanten beginnen zur Profitgenerierung die Märkte zu manipulieren. Die meisten jedoch wetten einfach nur auf die Aktionen anderen Spekulanten. Die Spekulation provoziert Preissprünge, an denen vor allem die Spekulanten verdienen. Durch den Anstieg von Spekulationen mit Terminverträgen, werden Nahrungsmittel von einem Nutzwert immer mehr zu einer Geldanlage. Dies nennt man Finanzialisierung. Somit werden die Preise verstärkt von der Wechselhaftigkeit des Finanzmarktes bestimmt, und nicht mehr von den Bedürfnissen der Konsumenten, Bauern und Unternehmer.

Die Ärmsten trifft es am schlimmsten

Das hat folgende Konsequenzen: Die Lebensmittelkosten für Grundnahrungsmittel wie Mais, Weizen und Öl schwanken heftig und steigen zuweilen massiv an – viele Menschen in Ländern des Südens können ihre Nahrung nicht mehr bezahlen. In armen Ländern geben Familien zwischen 50 und 90 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel aus. Solche Preisanstiege sind existentiell. Viele Menschen können sich das Essen schlicht weg nicht mehr leisten. Hungerkrisen, Armut und gewalttätige Konflikte sind das Resultat. Menschen sterben, während andere Profite machen.

Keiner soll von Hunger profitieren

Deshalb braucht es eine starke Regulierung der Rohstoffmärkte. Grundnahrungsmittel sollen vor Spekulationen geschützt werden. Dazu gehören strengere Gesetze, stärkere Handelsbeschränkungen für Spekulanten und eine höhere Transparenz. Auch Banken sollen aus dem Geschäft mit Nahrungsmittel aussteigen. Dass Grundnahrungsmittel zu Spekulationsobjekten werden, entspricht nicht allen ethischen Grundsätzen. Jeder Mensch sollte das Recht auf bezahlbare Nahrung und sauberes Trinkwasser haben. Das Welthungerproblem lässt sich damit allein nicht lösen. Ein wichtiger Schritt wäre es aber allemal.