Anti-Baby-Pille

#MyPillStory: Frauen und die gefährlichen Nebenwirkungen der Pille

17. Apr. 2016 von

Neue Studien über erhöhtes Thrombose- und Krebsrisiko, häufige Berichte über Nebenwirkungen und jetzt auch noch ein kritischer Hashtag auf twitter. Die Anti-Baby-Pille hat es gerade nicht leicht. Unter #MyPillStory berichten Frauen von den Schattenseiten des bequemen Verhütungsmittels.

Sie galt als Befreiungsschlag und als Auslöser der sexuellen Revolution: Die Anti-Baby-Pille. 1961 zunächst auf dem amerikanischen Markt eingeführt, sorgte sie bereits ein Jahr später auch in Europa dafür, dass Frauen ihre Schwangerschaften selbst bestimmen konnten. Die Pille habe „die hervorstechendste Wandlung“ der deutschen Gesellschaft herbeigeführt, erklärte Helmut Schmidt vor Jahren in einem Interview. Ein Meilenstein für die Emanzipation. Aber auch ein gravierender Eingriff in den Hormonhaushalt der Frauen.

Seit beinahe zwei Wochen erzählen Frauen auf twitter unter dem Hashtag #MyPillStory von ihren Erfahrungen mit der Anti-Baby-Pille. Den Anstoß dafür gaben zwei englische Journalistinnen. Und obwohl einige Teilnehmerinnen betonen, wie wichtig die Anti-Baby-Pille für die Selbstbestimmung der weiblichen Sexualität sei, überwiegen die kritischen Stimmen bei weitem. Von schweren Nebenwirkungen wie Depressionen, Migräne oder dem kompletten Verlust der Libido ist die Rede. Doch was ist dran an den vielen Vorwürfen?

Kleine Pille – große Nebenwirkungen?

Es ist nicht das erste Mal, dass die Pille in den Medien kritisch reflektiert wird. Immer öfter tauchten in letzter Zeit Berichte über die Nebenwirkungen des Hormonpräparates auf. In Deutschland nehmen zwischen sechs und sieben Millionen Frauen die Pille, die modernen Varianten sind dabei meist eine Kombination aus Gestagen und Östrogen. Verknappt erklärt wirkt die Pille so: Die synthetischen Hormone spielen dem Körper – genauer gesagt, dem Gehirn – vor, dass bereits genügend Östrogen und Gestagen produziert wurden, um den weiblichen Zyklus zu unterstützen. Der Körper produziert daraufhin nur noch sehr wenig eigene Hormone, wodurch es in aller Regel nicht zu einem Eisprung kommt. Eine ungewollte Schwangerschaft wird so zu 99% verhindert.

Diese Vorspiegelung falscher Tatsachen und die starke Reduktion der körpereigenen Hormone haben Nebenwirkungen, die sich seit langem in jedem Beipackzettel finden. Das erhöhte Risiko für Thrombose zum Beispiel. Der aktuelle Pillenreport der Universität Bremen hat erst kürzlich wieder auf die erhöhte Thrombosegefahr bei den neueren Pillenpräparaten hingewiesen: Dem Bericht zufolge bildet sich bei 11 bis 14 von 10.000 Pillenanwenderinnen pro Jahr eines dieser gefährlichen Blutgerinsel, das im schlimmsten Fall zu einer Embolie führt. Das Risiko ist damit 7-mal so hoch wie bei Frauen, die die Pille nicht nehmen. Trotzdem ist die Thrombose, gemessen an den aktuellen Zahlen, eine sehr seltene Nebenwirkung der Anti-Baby-Pille.

Ähnlich bei Krebs. Zwar kommen Studien zu dem Urteil, dass die Pille das Risiko bestimmter Krebsarten erhöht, und die IARC (International Agency for Research on Cancer) listet die Östrogen-Gestagen-Pille offiziell als krebserregend.

Die viel häufigeren Nebenwirkungen der Anti-Baby-Pille sind laut dem Hashtag #MyPillStory:

Depressionen, Lust- und Antriebslosigkeit, Kopfschmerzen …

Der Arzt Christian Albring, Präsident des Berufsverbands der Frauenärzte, erklärt auf bento die von den Frauen am meisten angegebenen Nebenwirkungen. Und obwohl er sich dabei verhalten äußert, wird deutlich: An den Vorwürfen ist etwas dran.

Zum Teil heftige Kopfschmerzen z.B. können die Folge eines zu hohen Östrogenanteils in der Pille sein. Albring empfiehlt, Kopfschmerzen immer sofort mit der behandelnden Ärztin/dem behandelnden Arzt zu besprechen. Auch starke Stimmungsschwankungen, die als depressive Verstimmungen erlebt werden können, räumt der Frauenarzt ein. Den Verlust der Libido oder ständige Müdigkeit allerdings schreibt Albring vor allem einer Sorte Pille zu: Solchen, die ein Übergewicht an männlichen Hormonen ausgleichen sollen, also z.B. besonders viel Östrogen enthalten.

Wichtig ist Dr. Christian Albring, dass Frauen mit starken Nebenwirkungen einen Arzt aufsuchen und sich Alternativen zeigen lassen. Das gelte auch für die vielen Betroffenen in England, die dem Aufruf der beiden englischen Journalistinnen gefolgt sind. Oft fehle es nämlich in anderen Ländern an Beratung durch Frauenärzte und an individueller Einstellung auf das Hormonpräparat.

Ist der Ruf erst ruiniert …

Was der Arzt bento gegenüber äußert, klingt insgesamt versöhnlich. Und auch die Initiatorinnen des Hashtags wollen die Pille als Verhütungsmittel nicht rufmorden. Aber sie wollen hinweisen: Auf möglicherweise verharmlost dargestellte Nebenwirkungen, mangelnde Aufklärung über das Medikament und über Alternativen. Vielleicht ist es, nach der großen Euphorie der frühen Jahre, jetzt einfach an der Zeit, mit der Pille ein wenig kritischer umzugehen.