Titandioxid

Warum dieses Weiß nicht unschuldig ist!

24. Okt. 2018 von

In Märchen steht die Farbe Weiß symbolisch für das Gute, das Reine, das Unschuldige. In der Industrie gibt es hingegen eher Grauzonen. Der weiße Farbstoff Titandioxid beispielsweise, der in vielen Lebensmitteln und Kosmetikprodukten eingesetzt wird, ist aufgrund seiner möglichen Gesundheitsrisiken gerade stark umstritten. Ob in Kaugummis, Puder oder Zahnpasta – die meisten von uns kommen täglich mit Titandioxid in Kontakt. Ist das bedenklich? Wir klären auf.

Titandioxid ist ein weißes Pigment mineralischen Ursprungs, der aus dem natürlich vorkommenden Eisenerz Ilmenit (auch Titaneisen genannt) gewonnen wird. Besonders ist, dass Titandioxid wasserunlöslich ist. Es kann sich in winzige Partikel zerteilen, ohne dabei seine chemische Zusammensetzung zu ändern. Zudem ist es hitze-, säure- und lichtbeständig. Was das auch für negative Auswirkungen auf die Umwelt haben kann, soll später noch näher erläutert werden.

Aktuell ist Titandioxid in Deutschland ohne Höchstmengenbeschränkung als Farbstoff für Lebensmittel, Kosmetika, Arzneimittel und Kunstbedarf zugelassen. Auch als Lichtschutzfilter kommt es zum Einsatz. Einige Beispiele aus dem Alltag sind Puder, Sonnencremes, Zahnpasta und Kaugummis. Die Frage, ob und inwieweit die orale oder inhalative Aufnahme oder die Aufnahme über die Haut von Titandioxid negative Auswirkungen auf den menschliche Gesundheit haben kann, wird jedoch gerade kontrovers diskutiert.

Wie erkennt man Titandioxid?

Je nachdem, in welchem Bereich Titandioxid angewendet wird, hat es verschiedene Bezeichnungen:

  • in Lebensmitteln: E171
  • in Kosmetik: CI77891
  • in Sonnencremes: Titanium Dioxide

Sonnenschutz Sonnencreme Finger
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Krebserregende Wirkung durch Titandioxid in Lebensmitteln?

In den vergangenen Jahren wurden immer mehr Stimmen laut, die den Farbstoff für seine gesundheitsschädigende Wirkungen kritisieren. Im Januar 2017 publizierte unter anderem ein französisches Forscherteam im Fachjournal „Scientific Reports“ eine alarmierende Studie. Die Wissenschaftler verabreichten einer Gruppe Ratten 100 Tage lang mit Titandioxid versehenes Wasser. Die Dosis wurde dabei so gewählt, dass sie in etwa der alltäglichen Menge des Farbstoffes entsprach, den der Mensch über Zahnpasta, Kaugummi und Co. aufnimmt. Das Ergebnis war erschreckend: Rund 40 Prozent der Ratten litten nach dem Experiment an Entzündungen und Tumoren in Darm und Dickdarm. Zwar waren diese zunächst gutartig, entwickelten sich jedoch im Laufe der Zeit jedoch zum Teil zu Krebsgeschwüren. Auch das Immunsystem der Tiere war deutlich geschwächt. Nach Angaben der Forscher sei eine Übertragung dieser Ergebnisse auf den Menschen jedoch nicht ohne weiteres möglich. Auch eine ebenfalls im Jahr 2017 veröffentlichte Schweizer Studie kam zu dem Ergebnis, dass Nanopartikel aus Titandioxid bei Mäusen akute Darmentzündungen verstärken können. Die Partikel gelangten infolge einer gestörten Darmbarriere ins Blut und wurden in der Milz abgelagert. Auch wenn die Ergebnisse ebenfalls nur bedingt auf den Menschen übertragbar sind, rieten die Forscher Menschen mit mit chronischen Darm­er­krank­ungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa vom Verzehr von Nahrungsmitteln mit dem Zusatzstoff E 171 ab.

In Frankreich bald verboten?

Die französische Regierung gab nun der Agentur für Lebensmittelsicherheit, Umweltschutz und Arbeitsschutz (ANSES) den Auftrag, das Gefahrenpotenzial von Titandioxid für die menschliche Ernährung zu ermitteln. Diese stellte auch fest: Titandioxid kann Auswirkungen haben, die zuvor nicht identifiziert worden waren. Die ANSES verwies in ihrer Beurteilung zudem auf laufende Studien, in denen es auch darum geht, ob Titandioxid die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann. Schlussendlich forderte die Behörde eine Einstufung von Titandioxid als Stoff mit vermutlich krebserregender Wirkung. Umweltstaatssekretärin Brune Poirson verkündete nun, dass der Farbstoff bis zum Jahresende In Frankreich in Lebensmitteln verboten werden soll.

Die European Food Safety Authority (EFSA) sieht für die orale Aufnahme von Titandioxid bzw. E 171 in Lebensmitteln derzeit keine Gesundheitsbedenken für Verbraucher.

Solltest Du nun auf E 171 verzichten? Nach jetzigem Stand der Forschung bleibt Dir das selbst überlassen. Wir von CodeCheck raten definitiv von übermäßigem Verzehr ab. Besonders dann, wenn Du unter chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen leidest. Doch wie sieht es aus, wenn Titandioxid eingeatmet oder auf die Haut aufgetragen wird?

Klein, kleiner, nano: großes Risiko durch kleinste Partikel?

Schon in den 80er Jahren stufte die IARC Titandioxid beim Menschen als „möglicherweise kanzerogen“ ein. Allerdings besonders dann, wenn es in Form von winzigen Partikeln inhaliert wird und in die Lunge gelangt. Damit kommen wir im nächsten Absatz zu dem, was Titandioxid vieler Expertenmeinungen zufolge besonders kritisch macht: der Nano-Technologie.

Nano-Technologie – das beschreibt die Welt jener Partikel, die kleiner als 100 Nanometer sind. Laut dem BUND verhält sich ein Nanopartikel in der Größe zu einem Fußball wie der Fußball zur Erde. Im Jahr 2010 fand ein Team aus französischen und Schweizer Wissenschaftlern im Fachjournal „PNAS“ heraus, dass Nano-Titandioxid in menschlichen Zellen ähnlich gefährliche Vorgänge in Gang setzen kann wie Asbest – ein hochgiftiger Stoff, der Entzündungen auslösen und sogar die Erbsubstanz schädigen kann.

Dr. Mandy Hecht, bestätigt: „Entscheidend ist die Größe der verwendeten Partikel, beziehungsweise des Materials. Je kleiner die Partikel (Nano-Partikel), desto größer ist das Risiko von gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Sind Puder, Cremes, Zahnpasta und Co. nun gefährlich?

Für Puder gilt laut Dr. Mandy Hecht: „Kleine Partikel werden durch die oberen Luftwege nicht ausreichend zurückgehalten und das Einatmen sollte vermieden werden.“ Ein Punkt, bei dem sich ein Großteil der Wissenschaft einig ist: Neben der oben erwähnten IARC, empfiehlt auch „SafeCosmetics.org“, Titandioxid in losen Pudern und Sprays zu vermeiden, da man es in dieser Form leichter inhalieren kann.

Teils enthält auch Sonnencreme die Nano-Version des Titandioxids. Je kleiner die Lichtschutz-Partikel, desto einfacher lässt sich die Sonnencreme verteilen, ohne dabei unerwünschte weiße Schlieren zu hinterlassen. Während viele Institutionen das Auftragen von Titandioxid in Form von größeren Partikeln als unbedenklich einstufen, wird hier erneut das Nano-Format zum Risiko: "Eine intakte Hautbarriere stellt einen guten Schutz dar, der das Eindringen von Nano-Partikeln verhindern kann“, so Dr. Mandy Hecht. „Direkt nach der Rasur oder bei verletzter Haut geht die Schutzfunktion jedoch verloren."

Auch der BUND warnt davor, dass oral aufgenommene Nano-Partikel, über den Magen-Darm-Trakt in den Blutkreislauf gelangen können. Welche Auswirkungen dies auf unsere Gesundheit hätte, ist ungewiss.

Dr. Mandy Hecht erklärt jedoch: „Hierüber fehlen repräsentative und abschließende Studien. Wichtig ist es zwischen nanopartikulärer Form und größeren Pigmentteilchen zu unterscheiden, in der Titandioxid in Lebensmitteln als E171 verwendet wird.“ Fakt ist: Das Risiko von Nano-Titandioxid, insbesondere von Nano-Partikeln im Allgemeinen, ist nicht vollständig untersucht. „Solange keine wissenschaftlich, abschließende Risikobewertung vorliegt, sollte generell der vorbeugende Verbraucherschutz gelten", so Dr. Mandy Hecht.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Kosmetik die Titandioxid in Nanoform enthält keineswegs eingeatmet werden sollte. Sonnensprays oder Puder mit Nanopartikeln sollten daher gemieden werden. In Cremes solltest Du Nanopartikel nach jetzigem Wissensstand nur dann verwenden, wenn Deine Haut gesund ist. Bei Kinderheit, sensibler oder sonnengestresster Haut ist hingegen Vorsicht geboten.

Auswirkung auf die Umwelt

Am Anfang dieses Artikel wurde beschrieben, dass Titandioxid zwar ein natürlicher Stoff ist. Jedoch ist er wasserlöslich und auch hitze-, säure- und lichtbeständig. Was bedeutet das für die Umwelt? Ein Team französischer Forscher rechnete 2014 aus, dass bei einem Strand mit 3.000 Besuchern pro Tag 68 Kilogramm Titandioxid ins Wasser gelangen - das macht 2,2 Tonnen pro Saison und Strandabschnitt, die in der Natur - ähnlich wie Mikroplastik - nicht abgebaut werden können. Besonders problematisch für die Umwelt ist hierbei Titandioxid in Nanoform. Eine Studie von Forschern der Universität Koblenz-Landau zeigt, dass im Wasser enthaltene Titandioxid-Partikel in Nanoform Wasserbewohnern wie Wasserflöhen schaden können. Eine erhöhte Konzentrationen Teilchen im Wasser habe Auswirkungen auf die Schwimmfähigkeit der Nachkommen, berichten die Forscher im Magazin Plos One . "Unsere Ergebnisse zeigen, dass Nanomaterialien aquatische Ökosysteme schädigen könnten", sagt Studienleiter Ralf Schulz vom Institut für Umweltwissenschaften der Universität Koblenz-Landau. Mit Nanopartikeln aus Sonnencreme verhält es sich also ähnlich, wie mit Mikroplastik, Daher gilt es den Eintrag generell zu vermeiden.

Fazit

Nicht nur synthetische, sondern auch natürliche Stoffe können für Gesundheit und Umwelt problematisch sein. Der mineralische Farbstoff Titandioxid kann unter gewissen Umständen ein gesundheitliches Risiko darstellen und in der Natur wird er nicht abgebaut. Zeit also, sich differenzierter mit diesem Stoff auseinanderzusetzen und eine Sensibilität dafür zu entwickeln, welche Produkte ihn enthalten. In Sonnenschutz ist er derzeit noch mehr oder weniger alternativlos, aber wenn man ihn schon verwendet, nach Möglichkeit einfach nicht in Nanoform. Wenn schon nicht der Gesundheit, dann zumindest der Umwelt zuliebe. Auch in Zahnpasta kann man gut und gerne darauf verzichten. Ebenso wie in Kaugummi. Hier dient er nichts anderem, als dem weißen Äußeren. Und dass das nichts mit Unschuld zu tun hat, haben wir jetzt alle gelernt.