Statt in den Süden zu fliegen

Störche überwintern auf Müllhalden

26. Jan. 2016 von

Viele Störche futtern sich auf spanischen Müllkippen durch, anstatt den Winter in ihrem bisherigen Winterquartier im warmen Süden zu verbringen. Das hat auch Folgen für das Ökosystem.

Etwa zehn Jahre ist es her, seit Vogelexperten das erste Mal festgestellt haben, dass Störche nicht mehr den ganzen Weg in ihr Winterquartier in Westafrika auf sich nehmen, sondern ihre Reise abkürzen und auf Mülldeponien in Südeuropa stranden. Das Phänomen betrifft nicht nur einzelne Störche. Denn da Störche sich meist in Gruppen aufhalten, bleiben auch andere.

Ostzieher, Westzieher oder doch lieber Südeuropa

Bei den Störchen werden sogenannte Ost- und Westzieher unterschieden. Fast 80 % der Tiere fliegen über die Türkei und Israel nach Ost- und Südafrika, die Ostzieher. Die Störche aus Süddeutschland und der Schweiz sind Westzieher und fliegen über Spanien nach Westafrika. Diese Strecke ist lange und gefährlich.

Viele Störche überleben die Reise nicht. Als Gefahren drohen ihnen Strommasten, Erschöpfung und Hunger. Dadurch, dass sie ihr Winterquartier nach Südeuropa verlegen, bleibt ihnen mehr Zeit für die Fortpflanzung, Brutpflege und Nahrungsaufnahme.

Bei letzterem sind Störche sogenannte Nahrungsopportunisten – sie nehmen was sie mit dem geringsten Aufwand bekommen. Und die Mülldeponien bieten einiges, um unbeschwert über den Winter zu kommen: Ratten, Mäuse, Insekten und natürlich Speisereste. Durch die Wegwerfmentalität bei Lebensmitteln werden die Deponien eine einfache und bequeme Alternative zur Futtersuche in der freien Wildbahn.

Gefahren für die Störche und Ökosystem

Die Müllkippen bieten aber nicht nur Vorteile für die Zugvögel. Die Störche laufen Gefahr, sich an Verpackungen, Plastikteilen oder Ähnlichem zu verletzen. Auch ist nicht sicher, wie das Immunsystem der Vögel mit den Parasiten oder vergammelten Lebensmitteln umgeht, die sie zweifelsohne dort finden.

Das Fernbleiben der Wandervögel könnte sich aber auf laut Welt.de auf die Ökosysteme auswirken. So könnten die Störche etwa wichtig in der Bekämpfung und Eindämmung von Heuschreckenplagen sein. Langzeitfolgen sind noch nicht abzusehen.

Wieso in die Ferne schweifen...

Unklar ist noch, warum die Tiere sich auf die kurze Distanz umgestellt haben. Laut dem „Projekt SOS Storch“ der schweizerischen Gesellschaft für den Schutz des Weißstorchs ist es möglich, dass die Tiere gar keinen Drang mehr danach verspüren.

Eine Erklärungsmöglichkeit: Vor rund 50 Jahren galt der Weißstorch in der Schweiz als fast ausgestorben. Um den Bestand wieder aufzubauen wurden Weißstörche aus Nordafrika in die Schweiz importiert. Der Genpool der umgesiedelten Störche vermischte sich mit den europäischen Störchen. Der nordafrikanische Weißstorch nimmt keine weite Reise in sein Winterquartier auf sich, sondern zieht nur ein Stück weiter südlich. Die europäischen Nachkommen könnten nun also ähnlich programmiert sein.

Scheint als müsse der Storch doch weiter ziehen

Die bequeme Nahrungssuche auf der Mülldeponie könnte aber bald zu Ende sein. Denn wenn sich organische Abfälle auf den Müllkippen zersetzen, entsteht geruchloses, umweltschädliches Methan.

Die EU will den organischen Anteil auf Müllkippen senken. Die bis jetzt von den Störchen gefundenen Essensreste werden in Zukunft also nicht mehr ihren Weg auf die Mülldeponie finden, sondern vorher aussortiert, kompostiert oder verbrannt.

Storchenbestände nehmen wieder zu

Glücklicherweise sind die Storchenbestände in Westeuropa in den letzten Jahren beträchtlich gewachsen. Dieses Wachstum ist zum einem dem strengen Artenschutzprogramm zuzuschreiben als auch dem üppigeren Nahrungsangebot.

Doch auch der Klimawandel trägt seinen Teil dazu bei. Durch weniger Bodenfrost und mildere Temperaturen in den Wintermonaten wird es einfacher für den Storch Nahrung zu finden.