Moderne „Sklaverei“

Menschenunwürdige Bedingungen auf Carnaubawachs-Plantagen

03. Feb. 2018 von

Carnaubawachs gilt als unbedenklicher Inhaltstoff und wird beispielsweise als Überzugsmittel für Obst, Gummibärchen und Schokolade verwendet. Auf den brasilianischen Anbauplantagen herrschen jedoch unwürdige Arbeitsbedingungen, die nach brasilianischem Recht sogar als Sklaverei eingestuft werden.

Was ist Carnaubawachs?

Carnaubawachs, auch Brasilianisches Wachs oder E903, wird aus der brasilianischen Carnaubapalme (Coperinca cerifera) gewonnen und dient in der Lebensmittelindustrie vor allem als Trenn- und Überzugsmittel.

Der Wachsstaub wird erst von den Blättern der Palme gebürstet, geschmolzen und anschließend in Wachsplatten gepresst. Das bräunlich-grüne Wachs ist härter als Bienen- oder Candelillawachs und gilt deshalb als besonders stabil. Es verleiht Oberflächen Glanz und verstärkt ihre Farbe. So wird es beispielsweise zur Oberflächenbehandlung von Früchten eingesetzt. Die behandelten Obstsorten müssen dementsprechend mit dem Hinweis „gewachst“ versehen werden.

Das in Südamerika gewonnene Wachs ist nur für bestimmte Lebensmittel (auch für Bio-Waren) zugelassen, für die jeweils eine individuelle Höchstmenge festgesetzt wurde:

Süßwaren und Schokolade (maximal 500 Milligramm je Kilogramm), Kaugummi (max. 1.200 mg/kg), Knabbererzeugnisse und Nüsse (max. 200 mg/kg), Kaffeebohnen (max. 200 mg/kg), mit Schokolade überzogene Kekse und Gebäckstücke (max. 200 mg/kg), Nahrungsergänzungsmittel (max. 200 mg/kg) sowie diverse Früchte unter anderem Äpfel, Birnen, Bananen, Avocados, Zitrusfrüchte und Pfirsiche (max. 200 mg/kg). Auch für kosmetische Produkte, Polituren oder Arzneimittel wird das Wachs verwendet.

Unser Organismus kann den Stoff nicht verwerten, weshalb Carnaubawachs für den Menschen als unbedenklich gilt. Ein ADI-Wert existiert nicht. Dieser gibt eine „gestattete tägliche“ Menge eines Stoffes an, die über die gesamte Lebensdauer täglich aufgenommen werden kann, ohne dass dadurch gesundheitliche Schäden auftreten.

Alles andere als unbedenklich hingegen sind die Bedingungen unter denen Carnaubawachs gewonnen wird.

„ARD“-Doku: Arbeit auf den Plantagen bei 40 Grad ohne Wasser

So gut Carnaubawachs dafür sorgt, dass Gummibärchen nicht zusammenkleben oder Obst schön glänzt, desto schlimmer sind die Produktionsbedingungen. Die exotische Carnaubapalme wächst nur im Nordosten Brasiliens in den Regionen Piau, Ceará und Rio Grande. Eine „ARD“-Dokumentation thematisierte 2017 die unmenschlichen Arbeitsbedingungen vor Ort.

In der Hafenstadt Fortaleza, zugehörig zu einer der ärmsten Regionen Brasiliens, gewannen die Reporter erste Einblicke in die Produktion des beliebten Wachses. Bei 40 Grad Celsius im Schatten gehen die Arbeiter ihren Aufgaben nach, frisches Wasser gibt es nicht. Das müssen sie sich aus verunreinigten Flüssen selbst schöpfen. Mit zwölf Meter langen Stangen, werden die Palmenköpfe abgeschnitten. Die Strünke haben scharfe Stacheln und können beim Herabfallen schwere Verletzungen verursachen. Handschuhe oder Schutzkleidung sind nicht vorhanden.

Verdienst: Knapp 10 Euro am Tag

Obwohl die Region Wachs im Wert von mehreren Millionen Euro exportiert, scheint sie nicht davon zu profitieren. Für die Arbeiter gibt es kein festes Gehalt, bezahlt wird nach Leistung. Rund 10 Euro am Tag könne man laut Aussagen der Arbeiter verdienen. Auch sanitäre Anlagen und angemessene Schlafplätze fehlen auf den Plantagen. Stattdessen sollen die Arbeiter in stark aufgeheizten Lastwagen oder halb eingestürzten Häusern nächtigen. Die Not treibt viele der Brasilianer auf die Plantagen, andere Jobs gibt es in der Region fast nicht. Fast alle arbeiten schwarz, kaum einer der Arbeiter ist offiziell angemeldet oder krankenversichert.

Die Regierung ist teilweise sogar gezwungen einzugreifen und die Arbeiter von den Farmen zu befreien. Menschenunwürdige Arbeitsbedingungen zählen gemäß brasilianischem Recht nämlich zur Sklaverei. Bei Razzien werden regelmäßig sogar illegal arbeitende Kinder und Jugendliche entdeckt.

Die Menschen würden dort teilweise wie Gegenstände behandelt werden, beschreibt ein Mitarbeiter des brasilianischen Arbeitsministeriums den Zustand. Zwei Betreiber solcher Plantagen mussten bereits eine Strafe von 300.000 Euro zahlen, dass sie eine Lizenz, Toiletten und sauberes Wasser als Rahmenbedingungen für die Arbeiter bräuchten, hätten sie laut eigenen Angaben nichts gewusst.

Bienenwachs, pflanzliche Fette und Öle als Alternative

Generell sollte jeder Verbraucher immer einen Blick auf die Inhaltstoffe und Zertifikate werfen. Manche Hersteller verzichten beispielsweise bereits aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen auf Carnaubawachs. So lassen sich Gummibärchen, Schokolade und Co. beispielsweise auch mit Bienenwachs, pflanzlichen Fetten und Ölen zum Glänzen bringen!