Aquakulturen

Industrielle Fischzucht: Was durchlebt unser Lachs?

01. Feb. 2018 von

Die Haltung von landwirtschaftlichen Nutztieren wie Rinder, Schwein und Geflügel ist immer wieder ein Thema. Wesentlich seltener stehen die Probleme und Auswirkungen der industriellen Fischzucht im Mittelpunkt. Dabei können ökologisch bedenkliche Aquakulturen gravierende Folgen für Umwelt, Mensch und die Fische selbst haben.

Nach Angaben der „Welternährungsorganisation (FAO)“ der Vereinten Nationen sind rund 89 Prozent der kommerziell genutzten Fischbestände ausgereizt, überfischt oder schon zusammengebrochen. Lediglich elf Prozent gelten als moderat befischt.

Diese Zahlen gehen Hand in Hand mit der steigenden Nachfrage. Allein von 2009 bis 2014 ist der durchschnittliche Fischverbrauch pro Kopf weltweit um zwei auf 20,1 Kilogramm gestiegen. Bis 2025 soll er auf 21,8 Kilogramm wachsen.

Aquakultur statt Überfischung?

Da scheint es etwas Positives zu sein, dass der Anteil des weltweiten Fischereiertrags durch Aquakulturen, also die gewerbliche Haltung und Zucht im Wasser lebender Tiere, seit den 90ern stetig ansteigt. Heute stammt bereits die Hälfte der konsumierten Fische einer Aquakultur; 2020 werden es laut „FAO“ 55 Prozent sein.

Eine Entlastung für natürliche Fischbestände und deren Ökosysteme bringt diese Zuchtmethoden allerdings nicht unbedingt. Denn für die Fische ist tierisches Protein lebenswichtig. In ihrem Futter ist deswegen oft Fischmehl zu finden, das unter anderem aus extra dafür gefangenen Meeresbewohnern hergestellt wird. Die „Animal Right Watch“ verweist auf Berechnungen des „Leibniz-Institut für Meereswissenschaften“ in Kiel, wonach 30 bis 40 Prozent der weltweiten Fischfänge als Zuchtfischfutter verbraucht werden. Doch das ist nicht der einzige Kritikpunkt am Aquakultur-System.

Vertretbare Zuchtmethoden

Generell, unterscheidet die Aquakultur zwischen Teich-, Durchfluss-, Netzgehege- und Kreislaufanlagen, erklärt die Website „aquaculture.ggn.org“. In den geschlossenen Kreislaufanlagen sehen Experten die Zukunft, denn sie können mit Filtern das Fischwasser wieder aufbereiten und arbeiten dank Biogas-Technologie emmissionsarm.

Durchflussbetriebe leiten Meer- oder Flusswasser durch verschiedene Becken, um einen gleichbleibend hohen Sauerstoffgehalt zu gewährleisten. Auch diese Methode gilt noch als umweltverträglich, solange Futterreste und Exkremente im Abwasser vor der Rückführung in das Quellgewässer entfernt werden.

Netze und Teiche unökologisch

Vornehmlich aus Kostengründen nutzt der Großteil der Aquakultur-Anlagen jedoch Netzgehege, die in Gewässer gehängt werden, oder Teiche zur Aufzucht. Zwar werden die Zuchtbecken durch die Anbindung an bzw. die direkt Nutzung in einem Gewässer immer frischem Wasser versorgt, doch sie befinden sich immer an derselben Stelle.

Steht das Wasser eine Zeit lang oder hält der Züchter viele Fische in seinem Betrieb, sinken Rückstände wie Futterreste und Fäkalien auf den Boden. Das überdüngt den Grund, sodass Algen erst schnell wachsen, dann aber absterben. Anschließend zersetzen Bakterien die Pflanzen und verbrauchen dabei Sauerstoff.

Qualität des Fischfleischs ab

Daran können Fische ersticken, in jedem Fall verschlechtert sich aber die Wasserqualität. Das wiederum führt bei den Tieren zu Fressstörungen, so der Branchendienst „AGINTEC“. Sie nehmen weit weniger Nährstoffe zu sich und bilden weniger Eiweiß, Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente – all das, was frischen Fisch für den Menschen so gesund macht.

Nicht nur durch Massenhaltung gibt es Qualitätseinschränkungen bei Fischfleisch aus Aquakulturen: Sparen die Betreiber beim Futter und geben nicht mehr Fischöl und –mehl, sondern vorwiegend pflanzliche Nahrung in die Becken, produzieren beispielsweise Lachse deutlich weniger Omega-3-Fettsäuren. Dabei schützen diese Fettsäuren vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen, fördern die Hirnleistung und gelten als effektives Mittel gegen einen hohen Cholesterinspiegel.

Künstlich haltbar gemacht mit Ethoxyquin

Der „NDR“ macht darauf aufmerksam, dass pflanzliches Fischfutter die Fettsäuren aber auch schneller oxidieren und ranzig werden lässt. Um dem entgegenzuwirken mischen Züchter mitunter Ethoxyquin in die Tiernahrung. Der Zusatz macht den Lachs haltbarer, allerdings steht er im Verdacht, Allergien auszulösen und Organe oder sogar das menschliche Erbgut zu schädigen.

Aus diesem Grund ist Ethoxyquin als Pflanzenschutzmittel seit 2011 verboten und darf in Obst, Gemüse sowie Fleisch nur noch in ganz geringen Mengen vorkommen. Für Zucht-Fische gibt es keine Grenzwerte.

Medizin vom Fisch zum Mensch

In Betrieben mit hoher Besatzdichte kommt noch mehr Chemie zum Einsatz: Mit Hilfe von zahlreichen Studien belegt der internationale Tierschutz-Verein „fair-fish“, dass Fische in engen Räumen erhörtem Stress ausgesetzt, anfälliger für Krankheiten sowie Verletzungen, schlechtere Schwimmer und aggressiver sind. Gegen all diese Probleme geben manche Halter Antibiotika und anderer Medikamente sowohl prophylaktisch als auch reaktiv in ihre Bassins – die letztendlich auf unsere Teller kommen.

2015 berichtete der „Spiegel“ von Untersuchungen, bei denen Forscher Reste von Antibiotika und Antiseptika in sechs Prozent aller geprüften Fisch- und Krustentierprodukten nachwiesen. Dabei handelte es sich vornehmlich um Malachitgrün. Das gegen Pilze und Parasiten eingesetzte Medikament ist EU-weit verboten, weil es möglicherweise Krebs erregt - andernorts wird es noch verwendet.

Antibiotika-Rückstände finden sich Informationen der „Stuttgarter Nachrichten“ zufolge vermehrt in Fischen aus Chile und Asien. „Das ist gefährlich: Denn die wissenschaftliche Datenlage zeigt, dass es nur geringe Mengen dieser Antibiotika braucht, um Resistenzen aufzubauen“, heißt es.

Auf gezüchteten Fisch verzichten?

Nicht jeder Fisch, der aus einer Aquakultur stammt, ist eher schädlich als gesund. Viel hängt davon ab, in welcher Region er gezüchtet wurde. In Entwicklungs- und Schwellenländern gehören Medikamente und Billigfutter zur Fisch-Produktion. Westliche Länder wie Norwegen entwickeln dagegen immer neue Techniken und Impfstoffe, die die Menge des organischen Abfalls verringert oder Antibiotika obsolet machen.

Fische aus nachhaltigen Betrieben mit minimalen Auswirkungen auf Wildfischpopulationen, Küsten- und marine Lebensräume, Wasserqualität und Gesellschaft erkennen Verbraucher an Gütesiegeln. Vertrauenswürdige Bio-Labels sind „Naturland“ und „Bioland“, die hohe Standards wie das Verbot von Fischmehl und -öl aus Wildfischen haben.

Die Kommission hinter dem „EU-Bio-Siegel“ ist weniger streng und lässt höhere Besatzdichten sowie bestimmte Medikamente zu. „MSC“ und „ASC“ genießen in Bezug auf verantwortungsbewusste Fischerei ebenfalls einen guten Ruf. Beiden Labels werfen Kritiker jedoch vor, mit ihren Vergabekriterien nicht weit genug zu gehen.

Orientierungshilfen

Die Umweltschutzorganisation „Greenpeace“ und die Tierschützer des „WWF“ bieten Einkaufsratgeber an, die bei der Suche nach schmackhaftem, gesundem und nachhaltig aufgezogenem Fisch helfen sollen. Verbraucher können die Ratgeber online herunterladen oder als App in ihr Smartphone laden, damit sie auch im Laden und auf dem Markt eine Orientierung haben.