Keine Kennzeichnung tierischer Zutaten

Ganz legale Aromen: Schweineborsten in Lebensmitteln

12. Juni 2016 von

Hast du schon einmal Schweineborsten, Schildläuse oder Labmagen gegessen? Bevor du diese Frage jetzt entsetzt verneinst, solltest du wissen, dass manche Lebensmittelzusätze und Aromen aus Tieren und Tiergewebe hergestellt werden dürfen. Für Menschen, die aus persönlichen oder religiösen Gründen keine Produkte mit tierischen Bestandteilen essen wollen, ist das ein großes Problem.

Eine Gesetzeslücke macht vor allem Veganern, Muslimen und Verbrauchern, die in ihrer Nahrung bewusst auf bestimmte Inhalte verzichten wollen, das Leben schwer: In Deutschland müssen Hersteller von Lebensmitteln die Zusatzstoffe ihrer Waren oder in der Produktion verwendeten Bestandteile nicht deklarieren, sofern sie natürlich sind.

Was ist „natürlich“?

Aromen etwa sind nach Artikel 3, Absatz 2 der EU-Aromenverordnung „natürlich“, wenn sie „durch geeignete physikalische, enzymatische oder mikrobiologische Verfahren aus pflanzlichen, tierischen oder mikrobiologischen Ausgangsstoffen gewonnen“ werden.

Die Fabrikanten können also beispielsweise Zucker, Stärke, Schimmelpilze oder eben auch von Tieren stammende Stoffe als Aromaträger verwenden. Werden sie zu Geschmacksstoffen verarbeitet, ist es nicht nötig, sie auf der Zutatenliste aufzuführen. Auf diese Weise lassen sich tierische Bestandteile oder Tierprodukte „verstecken“.

L-Cystein in Teigwaren

Deswegen ist es möglich, dass wir (ohne es zu Wissen) tatsächlich Auszüge aus Schweineborsten essen. Genauer gesagt: der Einweißbaustein Cystein, der in dem Protein Keratin vorkommt und das Haarwachstum fördert.

Als Aminosäure L-Cystein tauche er in vorwiegend industriell arbeitenden Großbäckereien wieder auf, schreibt die Verbraucherorganisation Foodwatch auf ihrer Webseite. Denn: „Die Aminosäure wirkt sich auf Konsistenz und Verarbeitungseigenschaften des Teigs aus.“ Alternativ würde sie außerdem aus Federn von Geflügel gewonnen werden.

Lab in Chips, Michzucker in Schokolade

Foodwatch nennt weitere Beispiele für Lebensmittel, die unserer Vorstellung entsprechend eigentlich vegetarisch oder vegan sein sollten. So würden manche Getränkehersteller aus Knochen und Häuten hergestellte Gelatine einsetzen, um Weine und Säfte zu klären. Dafür greife Chips-Fabrikanten funny-frisch für einige Sorten auf Aromen vom Wild, Geflügel, Rind, Schwein oder Lab zurück.

„Werden in einem Schokoladenwerk Milchbestandteile auf einer Maschine verarbeitet, können Spuren davon auch in die Produkte gelangen, deren Rezeptur eigentlich vegan ist“, erklärt Foodwatch dem Umstand, dass Tafelschokolade durch Verunreinigungen ebenfalls nicht komplett frei von tierischen Stoffen sei.

... und noch mehr Beispiele

Der WDR macht darauf aufmerksam, dass sich aus dem Labmagen junger Kühe ein Enzym-Cocktail zur Erzeugung von Hartkäse produzieren lässt. Darüber hinaus würden Schildläuse für den Lebensmittelfarbstoff E 120 ausgekocht, getrocknet und zerdrückt. E 120 werde später Süßigkeiten und Getränken beigefügt, so der Rundfunksender.

Nicht weniger befremdlich erscheint die Gewinnung des Vanillearomas Castoreum: Wie die Wirtschaftswoche berichtet, besteht es aus dem Drüsensekret, mit dem Biber ihr Revier markieren. Selbst die als Tofu-Gericht bekannte Miso-Suppe ist einem Bericht der Frankfurter Rundschau nach kein akzeptables Essen für Veganer, da sie ihren würzigen Geschmack einer Brühe aus Seetang und Fisch verdanke.

Was jetzt?

Solange die Kennzeichnungslücke besteht, werden es Verbraucher schwer haben, versteckte tierische Inhalte in Lebensmitteln aufzuspüren. Eine Orientierungshilfe kann das „V“-Siegel sein. Mit ihm zeichnet der Vegetarierbund Deutschland vegetarische und vegane Produkte aus. Wie wir bereits berichtet haben, darf das Logo allerdings auch fleischlose Ware von Großfabrikanten wie Wiesenhof und Gutfried zieren, die vornehmlich mit Fleisch handeln und von Tierschützern verachtet werden.