Wann sind Textilien wirklich grün?

Diese drei Dinge zeichnen Bio-Baumwolle aus

14. Mai 2017 von

Nicht überall, wo Bio draufsteht, ist auch soviel Bio drin, wie es sich die Verbraucher womöglich wünschen. Das gilt nicht nur bei Lebensmitteln: Nachhaltig produzierte Mode muss nicht unbedingt gewohnten Öko-Standards entsprechen.

Ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit existiere bei den Kunden. Was genau dahinter stecke, wüssten sie jedoch nicht, so Branchenexperte Braz Costa in einem Interview mit „ ISPO.com“ über nachhaltige Wirtschaft in der Textil-Industrie. Das beste Beispiel sei Baumwolle mit Bio-Aufschrift. Öko-Anbau allein reicht nicht „Verkauft man Produkte mit dieser Aufschrift, reicht den Kunden das. Trotzdem kann diese Bio-Baumwolle unter schwierigen sozialen Verhältnissen produziert worden sein. Oder sie wurde mit Chemikalien behandelt. Daran denken viele Konsumenten nicht“, so Costa. Hier liegt die Krux: Hersteller gehen mit der Bezeichnung Bio-Baumwolle eher großzügig um, weil die Zusätze „Bio“ und „Öko“ im Zusammenhang mit Textilien gesetzlich noch nicht definiert sind. Schon der Anbau der Sträucher auf Basis von erneuerbaren Ressourcen rechtfertigt für einige Produzenten bereits, ihre Kleidung mit einem (selbst kreierten) Bio-Siegel zu versehen. Damit ist jedoch nur ein einziges Kriterium erfüllt, das einen ökologisch einwandfreien Garn ausmacht. Keine Pestizide, kein Dünger Ein wesentlicher Aspekt ist die Fabrikation einer Wolle, die ohne chemisch-synthetische Pestizide und Düngemittel angebaut wurde. Dafür steht die Kennzeichnung „Organic“ oder „Organic Cotton“. Das von der „Global Organic Textile Standard International Working Group“ vergebene GOTS-Siegel gilt als strengstes wie vertrauenswürdigstes Zertifikat für grüne Mode und wird nur an Textilien vergeben, die zu mindestens 95 Prozent aus kontrolliert biologisch erzeugten Fasern gefertigt sind. Der Anteil an synthetischen Fasern darf fünf Prozent also nicht überschreiten. (Vorsicht: Nicht verwechseln mit der Bezeichnung „Made with Organic“ für Textilen, bei denen 70 Prozent Fasern aus Bio-Erzeugung enthalten sind.) „Ökologisch“ bedeutet bei Textilien also nicht „gänzlich frei von Chemikalien“. Abgesehen von den synthetischen Fäden kommt das verarbeitete Gewebe ohnehin noch mit zahlreichen chemischen Stoffen zum Färben und Veredeln in Berührung. Allerdings müssen die Chemikalien nachweißlich unbedenklich sein und dürfen nur in kleinstmöglichen Mengen eingesetzt werden. Genmanipulation verboten Die zweite wichtige Frage in Hinblick auf den Bio-Faktor eines Baumwoll-Produkts: Ist das Saatgut, aus dem die Bauwollsträucher wachsen, gentechnisch verändert worden? Die Hochleistungssorten des konventionellen Anbaus sollen mehr Ernte bringen, weil sie resistenter gegen Umwelteinflüsse, Krankheiten und Schädlinge sind. Die Manipulation widerspricht aber zum einen der „Natürlichkeit“, die der Verbraucher von einem Bio-Produkt erwartet. Zum anderen verbrauchen teure Gen-Pflanzen üblicherweise mehr Wasser als die ohnehin schon sehr durstige, auf einer dickeren Humusschicht wachsende und unbehandelte Baumwollpflanze, weiß Online-Händler „ greenality.de“. Auch hier lohnt sich der Blick auf die Zertifikate der Textilien. Tragen sie zum Beispiel das „GOTS“-Siegel, das bioRe-Label oder den Schriftzug des „Internationalen Verbands der Naturtextilwirtschaft (iVN)“, basiert die verwendete Wolle auf naturbelassenem Saatgut. Sozialaspekte Nicht zuletzt zeichnet sich Bio-Baumwolle auch durch faire Arbeitsbedingungen rund um die Produktion aus. Hauptlieferanten sind derzeit Kleinbauern aus Indien, die laut „ utopia.de“ ca. 75 Prozent des weltweiten Kontingents stellen. Sie kommen mit weniger Giftstoffen in Berührung, müssen weder Pestizide noch Düngemittel oder Gen-Saat kaufen und benötigen weniger Wasser als ihre Konkurrenten, die konventionelle Baumwoll-Sträucher pflanzen. Abgesehen davon werden Boden und Grundwasser weniger stark belastet. Die Mindestkriterien des „GOTS“- und des „ Fairtrade“-Siegels sowie die Zertifizierung durch die „ Fair Wear Foundation“ umfassen zudem soziale und ethische Standards wie einen hygienischen Arbeitsplatz, eine angemessene Bezahlung oder das Verbot von Diskriminierung sowie Kinderarbeit. Der Kauf eines Kleidungstücks aus Bio-Baumwolle trägt also dazu bei, die Umwelt- und Arbeitsbedingungen bei den Bauern zu verbessern. Noch dazu ist es sehr angenehm zu tragen. Das sollte uns der etwas höhere Kaufpreis wert sein, oder?