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Diese Städte haben bereits Becherpfand

29. Juni 2017 von

Die Coffee-to-go-Mentalität ist im Alltag und damit auch in den Mülleimern angekommen. Öffentliche Plätze ertrinken in der Flut der entsorgten Einwegbecher. In acht Städten wurde mit Mehrweg-Pfandsystemen der Einwegbecherflut der Kampf angesagt.

Tchibo ist jetzt auch dabei: Nachdem inzwischen immer mehr Cafés Mehrwegkaffeebecher verkaufen, will jetzt auch die Kaffeekette ihre Kunden dazu bewegen, auf die üblichen Einwegbecher zu verzichten – mit einem besonders günstigen Mehrwegbecher zum Einführungspreis von 1,50 Euro. Wer seinen Kaffee darin füllen lässt, bekommt einen Preisnachlass von 10 Cent.

Die Aktion zeigt: Die negativen Auswirkungen der Coffee-to-go-Einwegbecher rücken immer mehr in das Bewusstsein der Unternehmen und Konsumenten. Pro Stunde werden in Deutschland rund 320.000 Einwegbecher verbraucht. Die Produktion erfordert einen immensen Ressourcen- und Energieverbrauch, jährlich entstehen CO2-Emissionen von rund 83.000 Tonnen sowie 31.000 Tonnen Abfall. Und das alles für einen Kaffeegenuss, der in der Regel nicht länger als zehn Minuten dauert.

Die Benutzung eines Mehrwegbechers ist der erste Schritt, um die Müllflut einzudämmen. Zwar ist die Herstellung mit einem höheren Rohstoff- und Energieeinsatz als bei einem Einwegbecher verbunden. Da Mehrwegbecher aber bis zu 1.000 Mal wiederverwendet werden können, sind die Umweltauswirkungen bei der Produktion über seine gesamte Produktlebensdauer vergleichsweise gering. Jede Wiederbefüllung ersetzt die Neuproduktion, den Abfall eines neuen Einwegbechers und spart 430 ml Wasser, 0,1 Kilowattstunden und 21 Gramm CO2. Für die ökologische Bewertung ist also die Zahl der Wiederbefüllungen entscheidend.

Die nachhaltigste Lösung: Ein Mehrwegbecher-Pfandsystem

Laut der Deutschen Umwelthilfe ist die nachhaltigste und verbraucherfreundlichste Alternative zum Coffee-to-go-Einwegbecher ein Mehrweg-Pfandsystem. Auch daran arbeitet Tchibo und ist Mitbegründer der Hamburger Initiative „Pfandsystem für Kaffeebecher“, um zu diskutieren, wie ein Mehrwegbecher-System in Hamburg funktionieren könnte. „Der Herausforderung „Mehrwegbecher im Pfandsystem“ nehmen wir uns – mit der Beteiligung an der Gemeinschaftsinitiative – gerne an. Denn sie ist eine ökologische und logistische Innovation, die es für Kundinnen und Kunden künftig noch einfacher macht, ihren Kaffee umweltfreundlich „To Go“ zu genießen“, sagt Achim Lohrie, Direktor der Unternehmensverantwortung bei Tchibo.

Das System ist simpel: Kaffeevertreiber verwenden in ihren Filialen oder Cafés dieselben Mehrwegbecher. Der Kunde nimmt sein Getränk in einem Mehrwegbecher mit und kann ihn bei einem anderen Pfandsystem-Partner wieder abgeben, wo er anschließend gespült und wieder dem Kreislauf hinzugefügt wird. Damit die Becher möglichst häufig wiederverwendet und abgegeben werden, wird in der Regel ein Pfand auf den Becher erhoben, den man bei der Rückgabe wieder ausgezahlt bekommt. Um die breite Masse anzusprechen, soll das System möglichst flexibel und unkompliziert sein: Statt sich immer darum zu bemühen, den eigenen Mehrwegbecher dabei zu haben und auszuspülen, kann man seinen Becher schnell wieder loswerden.

Für das unkomplizierte und verbraucherfreundliche Funktionieren des Pfandbechersystems bedarf es einer ausgereiften Infrastruktur. In vielen Städten, Kommunen und Start-up-Büros wird derzeit schon ausgeklügelt, wie man das System am besten umsetzen kann.

Die folgenden acht Städte sind weiter und zeigen, wie erste Umsetzungen eines Mehrwegbecher-Pfandsystems erfolgreich funktionieren.

1. Freiburg

Wer steckt dahinter? Im November letzten Jahres startete die Freiburger Abfallwirtschaft mit Cafébetreibern das Pfandsystem mit dem „FreiburgCup“. Es ist damit deutschlandweit das erste Pfandsystem, das von der Stadt konzipiert und umgesetzt wurde.

Wer macht mit? Das Projekt begann mit 14 Cafés und Bäckereifilialen in der Innenstadt, inzwischen zählen 72 Kaffeebetriebe zu den Partnern. Die Liste mit den teilnehmenden Kaffeevertreibern gibt´s hier.

2. Rosenheim

Wer steckt dahinter? Das Start-up „reCup“ führte ebenfalls im November letzten Jahres mit einem selbst entwickelten und designten Mehrwegbecher ein Pfandsystem in Rosenheim ein.

Wer macht mit? Zu Beginn waren es 17 Partner, inzwischen sind es 22 Kaffeebetreiber, die sich am Pfandsystem beteiligen.

3. München

Wer steckt dahinter? Nach dem Erfolg in Rosenheim erobern die Macher von „reCup“ München. Seit Mai findet man nun auch dort die „reCups“. Das Besondere: Seinen in München gekauften „reCup“ kann man auch in Rosenheim zurückgeben.

Wer macht mit? Stolze 60 Cafés sind Teil des Pfandsystems, die sich vor allem im Glockenbachviertel und rund um die Uni befinden. Eine App hilft dabei, immer das nächste Café zu finden, wo man den „reCup“ bekommt bzw. zurückgeben kann.

4. Berlin

Wer steckt dahinter? Ende letzten Jahres startete das Pfandsystem des Start-ups „Just Swap it“ in Kreuzberg und Neukölln. Im März fusionierte „reCup“ mit „Just swap it“ und macht gemeinsam unter dem Namen „reCup“ weiter.

Wer macht mit? Nach der Fusion arbeitet „reCup“ derzeit am Aufbau eines größeren Pfandsystems in Berlin. In Zukunft sollen dann in Berlin gekaufte „reCups“ auch in München oder Rosenheim zurückgegeben werden können.

5. Hamburg

Wer steckt dahinter? El Rojito, ein Verein zur Förderung der deutsch-lateinamerikanischen Beziehungen, vertreibt fair gehandelten Kaffee und betreibt ein Café in Hamburg Ottensen. Letzten November führte der Verein das Pfandsystem „Refill it!“ inklusive eigener Mehrwegbecher ein.

Wer macht mit? 17 Cafés, die alle auch den fair gehandelten Kaffee des Vereins beziehen, sind in Hamburg Teil des Pfandsystems. Neu dabei ist auch ein Café in Leipzig.

6. Göttingen

Wer steckt dahinter? Göttinger Berufsschüler entwickelten den „Fair-Cup“. Seit Februar wird unter dem Verein „Fair-Cup Dachverband“ ein Mehrwegbecher-Pfandsystem angeboten. Bei Auszahlungsverzicht wird der Becher-Pfand automatisch an Fair-Trade-Projekte gespendet.

Wer macht mit? 64 Partner sind Teil des Pfandsystems, darunter zahlreiche Filialen von Bäckereiketten, die Berufsschule und die Kantine des Landgerichts. Zudem gibt es zwei Anlaufstellen in Hannover.

7. Düsseldorf

Wer steckt dahinter? Der private Anbieter „CupForCup“ stellt mit seinem „Good Cup“ seit Mai ein öffentliches Pfandsystem in Düsseldorf bereit. Die GmbH bietet zudem Kooperationen für Betriebsgastronomien, lokale Initiativen oder Kommunen an, die Mehrwegbecher oder ein eigenes Pfandsystem einführen wollen.

Wer macht mit? Teilnehmende Partner gibt es 32 Mal in Düsseldorf, darüber hinaus vier Mal in Dortmund und zwei Mal in Wuppertal.

8. Mainz

Wer steckt dahinter? Das junge Unternehmen „Con-Cup“ führte im Mai ein Pfandsystem mit dem „Con-Cup“-Mehrwegbecher ein.

Wer macht mit? Aus anfangs 19 Partnerbetrieben sind inzwischen 24 geworden, darunter auch jeweils ein Partner in Wiesbaden und in Bad Sobernheim. „Con-Cup“ arbeitet bereits an Ausbauplänen, um in Zukunft auch Anlaufstellen in Bad Kreuznach, Bingen, Rüdesheim und Frankfurt anbieten zu können.

Neben der Hamburger Initiative „Pfandsystem für Kaffeebecher“ wird auch in anderen Städten beziehungsweise Landesparlamenten über die Einführung einheitlicher stadtweiter Pfandsysteme diskutiert. In Berlin wurde die Umsetzung auf Antrag der Regierungskoalitionen bereits beschlossen. Ob die Stadt mit den privaten Anbietern zusammen am Ausbau eines Pfandsystems arbeiten wird, bleibt noch offen. In Mainz ruhen vorerst die städtischen Projekte, sagte Umweltdezernentin Katrin Eder dem Magazin „Mainz&“. Mehrere Systeme in einer Stadt würden wenig Sinn machen und es sei nicht Aufgabe der Stadt, einem Jungunternehmer wie „Con-Cup“ Konkurrenz zu machen. Stattdessen werde man mit den Betreibern in Kontakt treten und ausloten, inwiefern man kooperieren oder das Unternehmen unterstützen könne.

Vieles läuft gut, trotzdem kann das System verbessert werden

Die recht jungen Pfandsysteme arbeiten noch daran, das Interesse bei den Kunden zu wecken, um sich im Alltag einzupendeln. Eine erste Zwischenbilanz des Mehrweg-Pfandsystems kommt indes aus Freiburg. Seitens der Stadt wird bestätigt, dass der ökologische Impuls der „FreiburgCups“ viele Coffee-to-go-Kunden erreicht habe. Der Rücklauf der Becher müsse noch verbessert werden, zum Beispiel mithilfe einer App, über die man die teilnehmenden Geschäfte abrufen kann.

Eine Recherche der Badischen Zeitung kommt zum Ergebnis, dass viele Kunden den Becher nicht mehr zurückbringen oder sogar einen Becher ohne Getränk kaufen. Vor allem Touristen nutzen diese Variante, um den Mehrwegbecher mit Freiburg-Design als Souvenir mit nach Hause zu nehmen. Deshalb musste schon früh nach Einführung des Pfandsystems eine Ladung der „FreiburgCups“ nachproduziert werden.

Das System funktioniere vor allem mit Büro-Belegschaften, die täglich für die ganze Truppe Kaffee holen und die Becher gesammelt wieder abgeben, bei Studierenden und bei Pendlern, die in der Regel als Stammkunden den Becher des morgendlichen Kaffees nach Feierabend wieder abgeben. Als essentiell stellt sich die Mitarbeit des Thekenpersonals heraus: Mit einer aktiven Beratung und der Aufklärung über die umweltfreundliche Alternative können noch mehr Kunden gewonnen werden.

Auf Nachfrage bei „reCup“ spricht das junge Unternehmen von einer erfolgreichen Etablierung des Pfandsystems in Rosenheim. In München findet ein reger Austausch mit den Cafés statt, um das System stetig zu verbessern. Dort wird auch daran gearbeitet, immer mehr Partner mit ins Boot zu holen, um die „reCups“ stadtweit und auch im Umland anbieten zu können. In Berlin ist die Arbeit in vollem Gange, dort soll das Pfandsystem bald starten. Ob man in der Hauptstadt mit der Regierung hinsichtlich deren Pläne eines stadtweiten Pfandsystems kooperieren wird, ist noch offen. „reCup“ würde sich über eine Zusammenarbeit freuen, man beobachte jetzt aber erstmal, was passiert. Für die Zukunft träumt das Start-up von einem flächendeckenden System in ganz Deutschland, wofür die zur Zeit bereits mit weiteren Städten im Gespräch sind.

Dieser Text von Julia Merkle erschien zuerst im „enorm Magazin“.