Was dir deine Vorliebe für Tonic Water sagt

Wer gerne bitter isst, wird häufiger krank?

02. Juni 2016 von

Aktuell werden sie wieder intensiv beforscht: Die Bitterstoffe und ihre Auswirkungen auf unseren Körper. Der konkrete Verdacht: Eine Vorliebe für Bitteres lässt auf eine höhere Anfälligkeit für bestimmte Infekte schließen. Amerikanische Forscher wollen das herausgefunden haben – und arbeiten bereits an Anfälligkeitsprofilen von Patienten und dem Einsatz von Bitterstoffen in der Therapie.

Einen bitteren Geschmack auf der Zunge lehnen die meisten Menschen intuitiv ab. Das hat Gründe: Die Bitterrezeptoren auf unserer Zunge sind in der Lage viele unterschiedliche Bitterstoffe in Lebensmitteln herauszuschmecken. Ein nützliches Geschenk der Evolution, denn viele für uns giftige Pflanzen schmecken bitter. Die Ablehnung solcher Stoffe hat also unser Überleben gesichert.

Die amerikanischen Forscher Robert J. Lee und Noam A. Cohen beschrieben nun in einem Artikel, wie die Bitterrezeptoren in unserem Körper arbeiten. So reagieren Rezeptoren auf der Zunge, in der Nase und selbst im Darm sehr schnell auf bittere Stoffe und stoßen eine unmittelbare Reaktion des Immunsystems an. Eindringende Bakterien, die zu Infektionen führen können, werden auf diese Weise schnell bekämpft und im günstigsten Fall sofort ausgeschleust. Die Forscher fanden eine Korrelation zwischen gut funktionierenden Bitterrezeptoren und der Häufigkeit bestimmter bakterieller Infekte. Menschen, die Bitteres nicht ablehnen oder sogar bittere Speisen bevorzugen, schienen dagegen eine höhere Anfälligkeit für diese Art von Infekten aufzuweisen.

Bisher untersuchten die Forscher an der Universität Pennsylvania vor allem die Pseudomonaden – das sind Bakterien, die Atem- und Harnwegserkrankungen auslösen können. Sie werden von sensiblen Bitterrezeptoren schneller bekämpft und ausgeschleust, weshalb es bei diesen Menschen seltener zu den oft hartnäckigen bakteriellen Infekten wie z.B. einer Sinustisis kommt. Mittlerweile gibt es auch erste Hinweise auf eine Reaktion der Bitterrezeptoren auf den Bakterienstamm E.coli, der für die meisten Harnwegsinfekte verantwortlich ist.

Die Forscher wollen aufgrund ihrer Ergebnisse nun Patientenprofile erstellen und über deren Ernährungsgewohnheiten herausfinden, wie anfällig diese für die genannten Infekte höchstwahrscheinlich sind. Ebenso ist geplant, zu untersuchen, ob die Reaktion des Immunsystems durch bestimmte Bitterstoffe angeregt werden kann, um beginnende Infektionen zu bekämpfen. Doch belastbare Ergebnisse stehen noch aus.

Fakten, bitte!

Was sagen dir die Ergebnisse der Studie nun über deine Vorliebe zu Tonic Water, schwarzem Kaffee oder Chicoree-Salat? Nicht sehr viel, um mal bei der Wahrheit zu bleiben. Die Forschungen der Amerikaner lassen darauf schließen, dass ein Teil deines Immunsystems, nämlich die Bitterrezeptoren, nicht so sensibel reagiert wie bei Menschen, die bittere Speisen ablehnen.

Das heißt, du bist vermutlich für eine bestimmte Art von bakteriellen Infekten anfälliger. Über den Rest deines wahrscheinlich hervorragend funktionierenden Immunsystems, z.B. bei den viel häufigeren viralen Infekten, sagen die Ergebnisse nichts. Auch wenn Artikel anderer Online-Magazine das gerne in verallgemeinernden Überschriften behaupten. Noch interessanter als die sicherlich spannenden Ergebnisse dieser und kommender Studien ist daher zu lesen, was im Zuge journalistischer Arbeit aus einer nicht frei zugänglichen wissenschaftlichen Studie gemacht wird. Ohne Probandenzahlen, Studiensetting oder andere belastbare Daten zu nennen, wird aus der Vorliebe für bittere Speisen ein eindeutiges Zeichen für ein schlechtes Immunsystem. Aber Chicoree-Salat und Grapefruit haben sich auch schon Schlimmeres gefallen lassen müssen …

Bitter macht lustig, macht schlank, macht sadistisch …

Was ist den Bitterstoffen nicht bereits alles nachgesagt worden. Nach einem bekannten Marketingslogan sollen sie für gute Laune sorgen. Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht helfen sie beim Abnehmen, weil sie angeblich das Hungergefühl dämpfen. Und laut einer viel diskutierten Studie von 2015 soll eine Vorliebe für Bitteres sogar für einen Hang zu Sadismus und anderen Persönlichkeitsstörungen sprechen. Die Ergebnisse dieser Studie, die an der Universität Innsbruck durchgeführt wurde, zeigten bei den rund 500 Probanden eine Korrelation zwischen antisozialen Neigungen und dem Bevorzugen von bitteren Lebensmitteln. Diese Korrelation hielt auch einer späteren Überprüfung unter Herausrechnung von Störfaktoren stand. Kritik gab es dennoch, die Studie musste sich sogar als „Junk Science“ bezeichnen lassen, und die Autoren wurden öffentlich beschimpft. Dabei sind solche Korrelationen keine Beweise, oder anders gesagt: Nicht jede Korrelation ist gleichzeitig auch ein Kausalzusammenhang.

Das Bonbon zum Schluss

Eigentlich wäre es toll, wenn beide Studien wiederholt werden können und sich damit beweisen ließen. Denn sie lassen sich zu einer wirklich guten Neuigkeit kombinieren: Wenn die Ergebnisse beider Forschungen stimmen, dann werden die gemeinen Sadisten viel häufiger von fiesen bakteriellen Infektionen heimgesucht. Das wäre doch zumindest gerecht.