Schweine sind lecker, Hunde nicht?

Weißt du, was „Karnismus“ bedeutet?

20. Dez. 2016 von

Warum lieben wir Hunde, essen Schweine und tragen Kuhhaut? Diese Frage hat sich eine amerikanische Psychologin gestellt und eine interessante Theorie über den Fleischkonsum entwickelt.

Ein kleines Gedankenexperiment

Nehmen wir einmal an, man ist bei Freunden zum Essen eingeladen. Es gibt ein Fleischgericht, das man sich schmecken lässt (außer natürlich man ist Vegetarier oder Veganer). Weil es so lecker ist, fragt man den Koch schließlich nach seinem Geheimnis. Er verrät: Es ist das Fleisch eines Golden Retrievers, das sein Gulasch so schmackhaft macht.

Hundefleisch zum Abendessen?

Mit Entsetzen und Ekel würde wahrscheinlich jeder den Teller wegschieben und sich fragen, was zum Himmel mit diesem Menschen nicht stimmt. Hunde darf man doch nicht essen! Das Fleisch, das man eben noch als Essen betrachtet hat, kommt nun nicht mehr als Mahlzeit infrage.

Dabei ist das Fleisch dasselbe, nur die Wahrnehmung ist jetzt eine andere. In der Annahme es handele sich um Huhn, Schwein oder Rind, hätte man es sich bedenkenlos schmecken lassen. Doch warum ist das so?

Unsere Kultur bestimmt, was wir essen

Beim Thema Tiere essen ist unsere Wahrnehmung größtenteils, wenn nicht komplett, von unserer Kultur bestimmt. So ist es in einigen asiatischen Ländern normal Hunde und Katzen zu essen, während es hier als frevelhaft gilt. Tatsächlich gibt es in unserer Kultur (wie in allen fleischessenden Kulturen) nur eine kleine Anzahl an Tieren, von denen wir als Kind gelernt haben, dass sie essbar sind.

Hierzulande zum Beispiel Schweine, Kühe oder einige Geflügelarten. Bei der weitaus größten Anzahl von Tieren — Katzen, Hunde, Elefanten, Insekten und so weiter — haben wir gelernt, sie als nicht essbar einzustufen. Bei dem Gedanken diese Tiere zu essen überkommt uns Ekel. Wir ekeln uns vor dem meisten Tierfleisch

Überlegt man sich, wie viele Tiere wir niemals essen würden und wie wenige dagegen als essbar gelten, wird deutlich: Beim Gedanken ans Fleischessen ist Ekel nicht die Ausnahme, es ist vielmehr die Regel. Die Ausnahme ist die Abwesenheit von Ekel. Die Frage ist also: Wieso empfinden wir das Essen von einigen wenigen Tieren nicht als ekelhaft?

Wieso essen wir keine Hunde?

Der Grund dafür, dass Huhn, Schwein und Co. hierzulande ohne Bedenken gegessen werden, liegt in einer fehlenden Verbindung in unserem Bewusstsein zwischen dem Fleisch auf dem Teller und dem Tier, das es einst war, meint die amerikanische Psychologin Dr. Melanie Joy.

Sie hat sich eines Tages gefragt: Warum mache ich mir über die Wahl meiner Zahnpasta mehr Gedanken, als über die Tiere die ich esse? Und warum stört es uns bei einigen Tieren weniger als bei anderen, dass sie sterben, damit wir Fleisch essen können. Dr. Melanie Joy meint: Dahinter steckt ein Glaubenssystem, das sie Karnismus nennt.

Was ist Karnismus?

Karnismus ist ein unsichtbares System aus Überzeugungen, das uns von Kind auf dazu konditioniert, (bestimmte) Tiere zu essen. Nach dieser Ideologie sind Hunde zum lieb haben da, wohingegen es normal ist, wenn Schweine gemästet und getötet werden.

In anderen Worten: Karnismus lehrt uns, in bestimmten Situationen unser Mitgefühl auszuschalten. Da immer noch die meisten Menschen Fleisch essen, kann man sagen, dass Karnismus ist in den meisten Ländern der Welt eine dominante Ideologie ist.

Andererseits ist Karnismus natürlich auch eine gewaltvolle Ideologie, denn Fleisch kann nicht ohne Töten hergestellt werden. So funktioniert das Glaubenssystem Karnismus, das heißt die Ideologie, dass man bestimmte Tiere essen kann, erhält sich mittels verschiedener Verteidigungsmechanismen am Leben. Dazu gehört, dass die Fleischproduktion größtenteils im Verborgenen abläuft.

Wir sehen nicht, wie die Tiere gehalten werden, wie viele täglich sterben und unter welchen Bedingungen. Ein weiterer Stützpfeiler des Karnismus ist die Rechtfertigung des Essens von Tieren. Dazu gehören vor allem die drei N’s: Tiere essen sei normal, natürlich und notwendig.

Auch eine Wahrnehmungsverzerrung gehört dazu. So nehmen wir Nutztiere eher als Objekte ohne Persönlichkeit wahr, während wir unsere Haustiere für ihre Eigenarten lieben. Dabei gehören Schweine zum Beispiel zu den intelligentesten Säugetieren. Das ist auf jeden Fall eine Überlegung wert…

Wer mehr über Karnismus erfahren will, kann sich bei der Albert Schweitzer Stiftung oder dem Vegetarierbund Deutschland e.V. (VEBU) darüber informieren. In diesem Video, erklärt Dr. Melanie Joy anhand bewegender Bilder wie Karnismus funktioniert.