Folge von Nährstoffmangel

Was steckt hinter „Hidden Hunger“?

10. Aug. 2018 von

Hinter dem Begriff „Hidden Hunger“ versteckt sich der oftmals unerkannte Mangel an Mikronährstoffen. Warum das ein Problem darstellt und was dagegen getan werden kann und sollte, erfährst Du hier.

Deine Nahrung lässt sich in Makronährstoffe (Fett, Kohlenhydrate und Proteine) sowie Mikronährstoffe – zu denen Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente zählen – einteilen.

Bei Personen, die unter „Hidden Hunger“ beziehungsweise auf Deutsch „verborgenem Hunger“ leiden, ist zwar der Bedarf an Kalorien und Makronährstoffen gedeckt, jedoch mangelt es an wichtigen Mikronährstoffen. Das Problem: Während Du einen Mangel an Makronährstoffen sehr schnell spürst, bleibt ein Mangel an letzteren trotz der gravierenden Folgen oft lange unentdeckt.

Auswirkungen und besonders kritische Zeiträume

Ein langfristiger Mangel an Mikronährstoffen bleibt nie ohne Folgen, jedoch sind die Schäden besonders bei betroffenen Babys und Kleinkindern oftmals irreversibel und gravierend, da sie sich in der Entwicklung befinden.

Besonders häufig mangelt es an Eisen, Jod, Zink und Vitamin A:

  • Eisenmangel bei Kindern beeinträchtigt nicht nur die Gehirnentwicklung und die Lernfähigkeit über die gesamte Lebensspanne, sondern verstärkt auch das Auftreten von Angst und Depressionen. Zudem häuft sich Anämie (Blutarmut).
  • Vitamin-A-Mangel bei Kindern kann unter anderem zu Erblindung, Nachtblindheit, Atemwegsinfekten und Lungenfunktionsstörungen führen.
  • Eine der Auswirkungen von Jod-Mangel bei Kindern sind Hirnschäden und eingeschränkte geistige Entwicklung.
  • Kinder mit Zink-Mangel leiden zum Beispiel an Wachstumsverlangsamung, einem eingeschränkten Immunsystem, Schleimhautentzündungen, häufigen Durchfallerkrankungen und Lungenentzündungen

Um einige Zahlen zu nennen: In Ländern wie Sierra Leone oder auch Indien sollen 80 Prozent der Kinder von Eisenmangel betroffen sein. Bis zu 500.000 Kinder jährlich sollen laut „Weltgesundheitsorganisation“ (WHO) jährlich erblinden wegen eines Vitamin-A-Mangels. Und etwa 400.000 Kinder sterben in der gleichen Zeit wegen Zink-Mangels.

Wer ist betroffen?

Laut Angaben der WHO von 2014 sind über zwei Milliarden Menschen vom „Hidden Hunger“ betroffen! Was sind die Gründe?

In Afrika und Asien besteht die Ernährung in vielen Gebieten vorwiegend aus Reis und Weizen, welche trotz hoher Kaloriendichte relativ nährstoffarm sind. Hinzu kommt, dass es durch Konzentration auf wenige Grundnahrungsmittel an der Vielfalt fehlt.

„Hidden Hunger“ nur in Entwicklungsländern? – Von wegen!

In Deutschland ist das Phänomen bisher sehr wenig untersucht und viele Folgen generell noch unbekannt. Doch gerade in der westlichen Welt haben wir immer mehr mit der Volkskrankheit „Übergewicht“ zu kämpfen – von Mangel also keine Rede? Oder etwa doch?

Gerade Fertigprodukte, stark verarbeitete Lebensmittel und Süßigkeiten enthalten sehr viele sogenannte „leere Kalorien“. Das bedeutet, dass diese Nahrungsmittel zwar sehr viele Kalorien enthalten, den Körper dabei jedoch mit nur sehr wenigen Nährstoffen versorgen, so kann also selbst bei starkem Übergewicht ein starker Mangel an wichtigen Nährstoffen entstehen.

Eine bewusste und ausgewogene Ernährungsweise ist in Deutschland für die meisten gut möglich, um beispielsweise die Empfehlungen der „Deutschen Gesellschaft für Ernährung“ (DGE) wie „5 am Tag“ (2 Portionen Obst und 3 Portionen Gemüse) einzuhalten.

Betroffen sind in Deutschland in erster Linie Personen, denen sehr wenig Geld für ihre Ernährung zur Verfügung steht wie beispielsweise Rentnern und alleinerziehenden Müttern. So muss eine Hartz VI-beziehende Mutter die Nahrung ihres Kleinkindes aus 2,47 Euro täglich finanzieren. Wirklich gesunde und abwechslungsreiche Ernährung ist daher selbst mit viel Kreativität und Aufwand nahezu unmöglich.

„Hidden Hunger“ in Deutschland: Beispiel Jodmangel

Jod ist ein lebensnotwendiges Spurenelement, das wir regelmäßig mit der Nahrung aufnehmen müssen, um unter anderem die Funktion der Schilddrüse sicherzustellen. Jod wird nämlich für die Bildung der Schilddrüsenhormone benötigt, die wiederum den Energiestoffwechsel sowie die Darmtätigkeit mitregulieren.

Die derzeitige Jodversorgung der deutschen Bevölkerung liegt – vermutlich aufgrund des geologischen Ausgangsgesteins der Böden hierzulande – im mittleren unteren Bereich der von der WHO geforderten Zufuhr. Deutschland ist also nicht direkt ein Jodmangelgebiet, die Jodversorgung ist aber auch nicht optimal.

Die optimale Jodversorgung liegt bei 40 bis 80 Mikrogramm pro Tag bei Säuglingen; bei Erwachsenen zwischen 180 bis 200 Mikrogramm. Aktuell weisen etwa rund 30 Prozent eine Jodzufuhr unterhalb ihres mittleren geschätzten Bedarfs auf.

In Deutschland wird deshalb oftmals Speisesalz jodiert. Mehr dazu und was es dabei zu beachten gilt, liest Du hier.

Was kann man gegen „Hidden Hunger“ unternehmen?

  • „Hidden Hunger“ in Deutschland: Da die Versorgung an Mikronährstoffen vor allem bei kleinen Kindern kritisch ist, empfiehlt Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. Hans Konrad Biesalski, dass in Zukunft eine flächendeckende Versorgung mit kostenlosem Essen in Kindertagesstätten und Kindergärten eingerichtet wird. Nach seiner Aussage würden die zusätzlichen Kosten dafür wie in Skandinavien durch die infolge niedrigeren Kosten im Gesundheitssystem mehr als ausgeglichen werden.
  • „Hidden Hunger“ in Entwicklungsländern: Zusätzliche Vitamingaben in Tablettenform oder Anreicherung von Lebensmitteln können zwar als vorübergehende Lösung den akuten Mangel eindämmen; jedoch ist langfristig nur eine Versorgung durch eine nährstoffreiche Ernährung sinnvoll. Unter dem Stichwort „Biofortifizierung“ existiert der Ansatz, durch gezielte Kreuzung Lebensmittel zu züchten, die besonders nährstoffreich sind. Jedoch ist hier fraglich, ob es wirklich den Betroffenen hilft oder vor allem den Saatgutproduzierenden Betrieben – denn Schattenseiten sind auch hier Monokulturen und die Abhängigkeit der Bauern von Herstellern des gezüchteten Saatguts (weitere Infos dazu findest Du hier).

Schlussendlich sollten wir anstreben, dass gerade Risikogruppen flächendeckend und dauerhaft Zugang zu ausreichend nährstoffreichen Lebensmitteln haben. So wird auch eine internationale Zusammenarbeit von Experten gefordert, um das Problem zu bewältigen.