Citronensäure in Lebensmitteln

Warum sauer nicht lustig macht

14. Nov. 2018 von

Sie kommt heutzutage in einer breiten Palette an Lebensmitteln und Fertigprodukten vor: die Citronensäure. Als Zusatzstoff wird sie diversen Getränken, Fertigprodukten, Süßigkeiten, Konserven und Marmeladen zugesetzt. Dabei kann sie Alterungsprozesse wie die Zell- und Zahnschmelzschädigung in Gang setzen und sich in Kombination mit Aluminium auch auf das Gehirn auswirken. Wir erzählen Dir die Problematik der isolierten Citronensäure und wie Du sie vermeidest.

Einschätzung von Experten

Prof. Dr. Birgit Wild, langjährige Expertin der Hochschule Tirol für Ernährung und Gesundheit, betont zunächst, dass Behörden Citronensäure als unbedenklichen Zusatzstoff einstufen: „Citronensäure als kennzeichnungspflichtiger Zusatzstoff mit der Nummer E330 ist für eine Vielzahl an Lebensmitteln zugelassen - selbst für Babynahrung. Von der Lebensmittelindustrie wird sie besonders als Antioxidations- und Säuerungsmittel gerne eingesetzt.“ Durch die antioxidative Wirkung bleibt Fleisch länger rot, Vitamine in geschnittenem Obst länger erhalten und Lebensmittel länger frei von Mikroben (Bakterien, Viren). „Allerdings greift Citronensäure unsere Zähne an. Durch einen hohen und permanenten Konsum sinkt der pH-Wert im Mund. So werden Mineralstoffe aus dem Zahnschmelz gelöst und Karies in der Folge besonders bei Kindern und Spitzensportlern durch die citronensäure-haltigen Getränke gefördert“, veranschaulicht Prof. Dr. Wild die physiologischen Zusammenhänge.

Welche Lebensmittel enthalten eigentlich Citronensäure?

Prof. Dr. Wild weist darauf hin, dass Citronensäure in unzähligen Lebensmitteln und Haushaltswaren enthalten ist: „Etwa in einer Mehrzahl von Fertigprodukten, Fruchtsäften, Süßigkeiten wie Fruchtgummis, Obst- und Gemüsekonserven, Marmeladen, Eiscremes, Brausetabletten oder etwa in Sportgetränken. Doch nicht nur in Lebensmitteln, auch in diversen Haushaltsmitteln sei E330 enthalten: „Auch in Wasch-, Putz- und Spülmitteln, Entkalkern und als zitroniges Duftmittel dient der Zusatzstoff vor allem antioxidativen und antimikrobioziden Zwecken“, zählt Prof. Wild auf. Oftmals versteckt sich der Stoff unter der harmlos klingenden Bezeichnung Citronensäure oder auch Zitronensäure. „Diese Bezeichnung klingt für Konsumenten geläufiger als die Kennzeichnung mit dem „E330“.

Unser Körper bildet „natürliche Citronensäure“

Citronensäure oder deren alternative Schreibweise Zitronensäure kommt so natürlich in unserem Körper wie es der Name verheißt. So gut wie alle sauerstoffverbrauchenden Organismen produzieren Citronensäure in ihrem Stoffwechselzyklus. Im Kohlen- und Fettsäure-Stoffwechsel tritt Citronensäure als natürliches Zwischenprodukt auf. Anschließend wird das Zwischenprodukt Zitronensäure jedoch zu Wasserstoff und Kohlendioxid abgebaut. Nach einigen biochemischen Reaktionen in den Mitochondrien der Zellen entsteht somit Energie für unseren Stoffwechsel.

Isolierte Citronensäure

Während Citronensäure als natürliches Zwischenprodukt in unserem Körper entsteht, ist sie in isolierter Form längst für bedenkliche Zusammenhänge bekannt. Isolierte Zitronensäure wird aufgrund von Kostenfaktoren nicht mehr bloß aus Zitrusfrüchten oder simplen Schimmelpilzkulturen gewonnen. Vielmehr stellte man fest, dass Schimmelpilze des Stammes Aspergillus niger ohne künstlichen Einfluss nur kleinste Mengen an Citronensäure für ihren Energiehaushalt herstellen. Um die Produktion zu steigern, aktivierte man in den USA und in China transgen den Regelkreislauf der Schimmelpilze. Durch diese Gen-Manipulation wurde die Ausbeute an Citronensäure gesteigert. Auch die Nährlösung der Schimmelpilze, die aus dunklem Zuckersirup (Melasse) oder Glukose bestehen, resultieren in den USA oft aus genmanipuliertem Mais und Zuckerrüben. Dagegen sind transgene Schimmelpilze in Europa verboten. Jedoch soll die Reinheit und Verträglichkeit der Schimmelpilz-Produkte nicht immer einheitlich sein. Zwar ist hochaufgereinigte Citronensäure frei von Rückständen – bei geringerer Reinheit könnte sie jedoch auch Mykotoxine (Pilzgifte) enthalten.

Rückstandsfreie Citronensäure?

Antibiotika werden flächendeckend für die Nährlösungen von Schimmelpilzen verwendet. Sie sollen den Bakterienbefall bei der Herstellung vermeiden. Selbstverständlich verbieten die deutschen Reinheitsanforderungen im Lebensmittelrecht, dass auch diese Rückstände in isolierter Citronensäure enthalten sind. Allerdings ist laut dem „Bundesinsitut für Risikobewertung“ (BfR) ein allergenes Potenzial für die Citronensäure bekannt. Ob die wenigen Fälle von Intoleranzen auf die Substanz an sich oder deren Herstellungsprozess zurückzuführen sind, konnte bislang nicht geklärt werden.

Was bewirkt isolierte Citronensäure im Körper?

Dabei ist der Zusatzstoff als isolierte Säure in Kombination mit weiteren Inhaltsstoffen und Verpackungsmitteln gesundheitsbedenklich: wie anfangs schon erwähnt, schädigt Zitronensäure den Zahnschmelz, macht ihn korrosiv und anfällig für Karies. Auch kann Zitronensäure mit Aluminium in Verpackungen Komplexe bilden und sich im Gehirn anreichern. So stehen Aluminiumcitrate (Komplexe aus Aluminium und Citronensäure) im Verdacht, Parkinson und Alzheimer zu fördern. Eine Studie belegt, dass der Zusatz von Citronensäure die Aufnahme von Aluminium ins Blut der Patienten deutlich erhöht. Eine zweite Studie belegt, dass Aluminiumcitrate die oxidative Schädigung von Zellmembranen fördert. So wurden demnach körpereigene Antioxidantien, die Schädigungen der Zellmembranen verhindern sollen, durch Aluminiumcitrate aktiv gehemmt. In einem Tierversuch zeigte sich die Aktivität körpereigene Radikalfänger – die Superoxid-Dismutase und die Katalase - in Gehirn und Leber wesentlich reduziert. Dies führt zu vermehrter Zellschädigung, beschleunigter Alterung und erhöhter Anfälligkeit für Krankheiten.

Komplexe: ambivalente Eigenschaft von Citronensäure

Dass die Fähigkeit von Citronensäure, Komplexe bilden zu können, nicht durchweg schlecht ist, betont Prof. Dr. Wild gleich eingangs im Experteninterview: „Generell ist Citronensäure ein Komplexbildner, der mit Eisen und Kupfer unlösliche Komplexe bildet, die im Lebensmittel die Oxidation und den Verderb verhindern.“ Diese Eigenschaft von Citronensäure kann in Lebensmittel- und Haushaltsprodukten verhindern, dass oxidative Prozesse zu Geschmacksveränderungen, Konsistenzverlust und Verderb führen. Doch Zitronensäure kann als Komplexbildner nicht nur Mineralien wie Kalzium, Kupfer und Magnesium oder Spurenelemente wie Eisen an sich binden. Es bindet ebenso Metalle an sich – demnach können auch Blei und Aluminium aus Rohren (Blei) und Lebensmittelverpackungen (Aluminium) durch Komplexe gebunden und in den menschlichen Körper eingeschleust werden.

Allerdings wies das „Bundesinstitut für Risikobewertung“ (BfR) bereits in einer Stellungnahme Ende 2014 darauf hin, dass aluminiumbeschichtete Becherdeckel und Schutzhüllen von Lebensmittelkontaktmaterialien in der Regel durch eine Acrylat-, PET- oder Polymer-Schicht verhindern, dass Aluminium in säure- oder salzhaltige Lebensmittel übergehen kann.

Auch Prof. Dr. Wild bedenkt: „Durch Korrosion kann es womöglich in geringen Mengen zur Herauslösung von Metallen aus Verpackungen und Dosen mittels der Citronensäure kommen. Es geht jedoch primär darum Produkte, die Citronensäure enthalten, nicht auf Dauer und in Großen Mengen zu konsumieren.“ Entscheidend für die Lebensmitteltechnologie sind die unbestreitbar praktischen Vorteile der Substanz: „Citronensäure dient der Haltbarmachung, Farbstabilisierung, fruchtigsauren Geschmacksgebung und Kalklösung“, ergänzt Prof. Dr. Wild. „Besonders deren kalklösende Eigenschaft ist auch für die physiologische Auflösung von Harnsteinen von großer Bedeutung.“

Das „wie“ der Aufnahme macht's

Es gibt Möglichkeiten, die oxidierende Wirkung von Citronensäure in Lebensmitteln durch andere Lebensmittel und Produkte zu neutralisieren: „Beispielsweise lässt sich Citronensäure durch basische Lebensmittel wie Kartoffeln, Karotten, Blumenkohl oder Bohnen oder eine erhöhte Wasserzufuhr neutralisieren. Auch sollte ein 'Dauernuckeln' an derartigen Getränken vermieden werden.“ Allerdings korrigiert Prof. Wild die oftmals fälschliche Annahme, dass durch Einnahme von Basenpulvern, etwa von “Magnesiumcitrat”, ein saurer PH-Wert im Blut ausgeglichen werden könne. Dies gilt der Expertin zufolge entgegen einer geläufigen Annahme nur für eine Neutralisation im Magen: „Basenpulver wie Magnesiumcitrat sind nur eine andere chemische Bindung von Citronensäure. Generell werden sie von Gesellschaften nicht empfohlen und haben auch nur eine Auswirkung auf den pH-Wert des Magens und nicht des Blutes. Dieser ist mit 7,2 - abseits von wenigen Stoffwechselentgleisungen - in der Regel konstant.”