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Trinken | Wie viel Wasser braucht der Mensch?

26. Juni 2010 von

Getränkeflaschen, egal ob im Rucksack oder in der Tasche, sind allgegenwärtig. Es scheint, als hätten die Menschen Angst zu verdursten. Das kommt nicht von ungefähr. Jahrelang kursierten die abstrusesten Empfehlungen zur idealen Trinkmenge: von drei Litern täglich bis zu einem Glas pro Stunde. »

Viel trinken soll der Mensch. Zur Begründung hieß es, viel Trinken reinigt das Blut und die Organe, macht einen gesunden Teint und fördert grundsätzlich die Gesundheit. All diese Mutmaßungen wurden so lange kolportiert, bis die Menschen davon überzeugt waren, sie müssten mindestens drei Liter pro Tag trinken.

Der Nierenfacharzt Prof. Dr. Johannes Mann vom Städtischen Klinikum München, Klinikum Schwabing korrigiert diese Annahme und sagt:

Prof. Dr. Johannes Mann, Städtisches Klinikum München, Klinikum Schwabing:

"Wir wissen heute, dass der Flüssigkeitsbedarf deutlich niedriger ist. Mit einer Trinkmenge von 1 bis 1,5 Litern pro Tag kommt ein gesunder Erwachsener mit normaler Tätigkeit gut aus. Mehr schadet zwar nicht, bringt aber auch nichts."

Wofür braucht der Mensch Flüssigkeit?

Wir bestehen zu über 50 Prozent aus Wasser. Bei Männern ist der Anteil höher als bei Frauen. Damit die Organfunktionen gewährleistet sind und der Körper nicht austrocknet, muss der Teil der Flüssigkeit ersetzt werden, der über die Lungen abgeatmet wird und über den Schweiß verloren geht. Desweiteren brauchen die Nieren eine bestimmte Flüssigkeitsmenge, um ausscheidungspflichtige Substanzen wie Harnstoff auszuspülen.

Der Körper nimmt jedoch nicht nur über das Trinken Flüssigkeit auf, sondern auch über die Nahrung. Eine Gurke besteht beispielsweise zu über 95 Prozent aus Wasser. Auch Tomaten, Melonen, Zitrusfrüchte und viele andere Obst- und Gemüsesorten sowie Joghurt und andere Milchprodukte haben einen hohen Wasseranteil. Wer sich gesund ernährt, kann einen guten Teil des täglichen Flüssigkeitsbedarfs durch die Nahrung abdecken. Ein weiterer, aber deutlich geringerer Teil Flüssigkeit resultiert aus Stoffwechselprozessen.

Wann braucht der Mensch mehr Flüssigkeit?

Sobald der Flüssigkeitsverlust steigt, muss mehr Wasser zugeführt werden. Dieser Fall tritt ein, wenn wir mehr schwitzen, also im Sommer und bei körperlicher Belastung, aber auch bei Krankheiten wie fiebrigen Infekten und Durchfall. Gerade bei starkem Durchfall besteht die Gefahr des Austrocknens. Da der Körper nicht nur Wasser, sondern auch wichtige Mineralsalze verliert, die für die Funktionsfähigkeit der Zellen notwendig sind, müssen diese Salze ersetzt werden. Bei leichten Infekten kann es ausreichen, dem Wasser Obstsäfte beizumischen. Bei starkem Durchfall sollte man Elektrolytmischungen aus der Apotheke zugeben, die alle notwendigen Mineralien enthalten.

Menschen, die zu Nierensteinen neigen, sollten ihre Trinkmenge erhöhen, um die Konzentration der für die Nierensteinproduktion verantwortlichen Salze zu reduzieren und die Nieren gut zu spülen. Wie viel sie trinken sollten, weiß der behandelnde Nierenfacharzt, der Nephrologe, am besten. Auch bei häufigen Harnwegsinfektionen ist es ratsam, mehr zu trinken, um die für die Infektionen verantwortlichen Bakterien auszuspülen.

Wann ist zu viel trinken gefährlich?

Für Patienten mit Niereninsuffizienz kann eine hohe Trinkmenge gefährlich werden. Prof. Dr. Johannes Mann weiß aus seiner langjährigen Erfahrung mit Nierenpatienten:

Prof. Dr. Johannes Mann,

Städtisches Klinikum München, Klinikum Schwabing:

"Wir haben tatsächlich herausgefunden, dass Menschen, die sehr viel trinken, schneller an die Dialyse kommen, als Patienten, die weniger trinken."

Auch wenn Nierenkranken allgemein empfohlen wird, viel zu trinken, sollten sie die für sie optimale Trinkmenge mit ihrem Nephrologen absprechen, der den Gesundheitszustand ihrer Niere und die verträgliche Trinkmenge am besten beurteilen kann.

Auch für Menschen mit Herzinsuffizienz birgt eine hohe Flüssigkeitsmenge

gesundheitliche Risiken. Häufig schafft es das geschwächte Herz nicht, das hohe Flüssigkeitsvolumen durch den Körper zu transportieren. Das führt zum einen zu Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe, was einen Gewichtsanstieg nach sich zieht, der das Herz zusätzlich belastet. Zum anderen muss jeder zusätzliche Liter Wasser durch den Körper transportiert werden, was dem Herzen eine zusätzliche Leistung abverlangt.

Überwässerung bei Marathonläufern

Nachrichten von Unfällen bei Marathonwettläufen haben Wissenschaftler alarmiert. Messungen haben ergeben, dass etwa 30 Prozent der Teilnehmer nach dem Zieleinlauf mehr wiegen als am Start. Das bedeutet, dass sie unterwegs mehr Flüssigkeit zu sich genommen haben, als sie über den Schweiß verloren haben. Diese Überwässerung kann im Extremfall dazu führen, dass die Natriumkonzentration im Blut soweit sinkt, dass der Elektrolythaushalt aus dem Gleichgewicht kommt und die Zellfunktionen nicht mehr gewährleistet sind. Mögliche Folgen einer solchen Überwässerung sind Krämpfe, Übelkeit, erhebliche Kreislaufbeschwerden, Kopfweh und in einigen Fällen auch der Tod.

Trinken nach Durst oder auf Vorrat

"Wenn der Durst kommt, ist es viel zu spät", galt lange Zeit als Warnung davor, nur nach Durstgefühl zu trinken. In der Folge haben sich viele Menschen angewöhnt, auf Vorrat zu trinken. Prof. Dr. Johannes Mann hält dies jedoch für überflüssig. Er rät:

Prof. Dr. Johannes Mann,

Städtisches Klinikum München, Klinikum Schwabing:

"Man braucht nicht auf Vorrat trinken. Wir können uns völlig auf unser Durstgefühl verlassen – auch wenn wir Sport treiben oder wenn es heiß ist – dann haben wir mehr Durst und trinken automatisch mehr. Die Menschheit hätte nicht überlebt, wenn nicht der Durst gut funktionieren würde. Und wir sind auch keine Kamele, die Wasser speichern können."