Forschung und neue Therapien

So wichtig ist der Darm für die Gesundheit

21. Dez. 2016 von

Der Darm gehörte lange zu den Körperbereichen, über die man entweder gar nicht oder nur ungern gesprochen hat. Nun rückt er immer mehr in den Fokus. Zu Recht, denn er trägt maßgeblich zu unserer Gesundheit bei.

Forscher auf der ganzen Welt versuchen aktuell, die Geheimnisse des Darms zu entschlüsseln. Genau genommen geht es dabei um die Mikroorganismen, die uns helfen zu verdauen, auch bekannt als Darmflora oder Mikrobiom. Und um das Zusammenspiel zwischen Darmbakterien und dem restlichen menschlichen Organismus. Gerade hat zum Beispiel US-Präsident Barack Obama 100 Millionen Dollar für entsprechende Forschungen gesammelt, schreibt der Blick.

Darmbakterien beeinflussen unsere Gesundheit

Unter der Leitung von Gerhard Rogler arbeitet ein 40-köpfiges Team an der Universität Zürich daran, die Zusammenhänge zwischen der Darmflora und unserer Gesundheit zu entschlüsseln. So untersucht der Professor für Gastroenterologie täglich das, was wir sonst schnell die Toilette hinunter spülen: Menschliche Fäkalien.

„Wir untersuchen den Stuhl gesunder und kranker Menschen, denn es konnte nachgewiesen werden, dass sich die Bakterien im Stuhl Kranker anders zusammensetzen als in dem von Gesunden“, erklärt Rogler. So wurden beispielsweise bei Depressiven andere Bakterien als bei Gesunden gefunden. Die Forscher gehen nun der Frage nach, warum das so ist. Sie möchten herausfinden, wie die Bakterien im Darm Krankheiten beeinflussen.

Neue Untersuchungsmethode verspricht Erkenntnisse

Allerdings lässt sich das Heer von Mikroorganismen nicht so einfach in die Karten schauen. Das Problem: Die meisten sterben, sobald sie mit Luft in Kontakt kommen. Deswegen konnten sie zunächst nicht gezüchtet und somit auch nicht untersucht werden.

Erkannt wurden diese Bakterien dennoch, und zwar an ihren Genen: „Durch Sequenzierung entschlüsseln wir ihre DNA,“ so der Forscher. Eine neue Methode ermöglicht jetzt die Kultivierung der Bakterien auch ohne Sauerstoff. Die neue, sauerstoff­unabhängige Kultivierungsmöglichkeit soll helfen, Fragen nach der Funktion der Bakterien zu beantworten.

Rogler und sein Team sind davon überzeugt, dass die erhofften Antworten in der Medizin eine zentrale Rolle einnehmen werden. Zum Beispiel bei der Therapie des chronischen Reizdarms oder etwa der Glutenunverträglichkeit (Zöliakie).

Wenn die „bösen“ Bakterien regieren

Wie wichtig die Bakterien im Darm sind, merken wir erst, wenn sie nicht mehr da sind. Zum Beispiel nach einer Antibiotikatherapie, bei der auch die „guten“ Darmbakterien abgetötet werden. Dann übernehmen die „bösen“ Bakterien die Herrschaft.

Die Folge: Eine entzündliche Reaktion der sogenannten Clostridien-Kolitis mit Durchfall, Übelkeit, Gewichtsverlust. In diesem Fall sind die Erkenntnisse der Wissenschaftler bereits in die Therapie eingeflossen. Der von Rogler bevorzugte Weg zur Gesundung heisst Fäkaltransplantation.

Fäkaltransplantation als Therapie?

Ja, das gibt es. Und sie wird zunehmend erfolgreich praktiziert. Das Prinzip: Man nimmt den Stuhl eines Gesunden und implantiert via Darmspülung oder -spiegelung dessen aufbereitete Bakterien in den Darm eines Kranken.

Für Rogler ist das eine extrem effiziente Methode: „Neun von zehn Patienten mit Clostridien-Kolitis werden danach wieder gesund.“ Ob eine solche Fäkaltransplantation auch andere Krankheiten heilen könnte, wird derzeit noch erforscht. Inwieweit die Ergebnisse die Medizin beeinflussen werden, weiß auch der Wissenschaftler nicht: „Ich bin vorsichtig mit Prognosen, das Thema ist komplex.“