Speise- & Bratfette

Pflanzliche Fette sind besser als tierische!??

23. Nov. 2013 von

Das Drama (leider keine Seifenoper) begann in den fünfziger und sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Eifrige Forscher fahndeten nach einem Zusammenhang von Ernährung und koronaren Herzerkrankungen. Als sie entdeckten, daß in einigen Ländern mit höheren Herzinfarktraten mehr tierische Fette verzehrt werden, glaubten sie, die Schuldigen gefunden zu haben:

Cholesterin und gesättigte Fettsäuren sollten dem Herztod den Weg bereiten. Das war die Chance für die geringschätzig als »Kriegsbutter« bezeichnete Margarine. Endlich konnte sie aus ihrem Mauerblümchendasein ins Rampenlicht treten. Cholesterin und gesättigte Fettsäuren sind typisch für die Konkurrenz: Butter und Schmalz. Pflanzenöle dagegen bestehen überwiegend aus ungesättigten Fettsäuren und enthalten kaum Cholesterin. (Die Bezeichnungen gesättigt/ungesättigt haben nichts mit hungrig oder satt zu tun, sondern beziehen sich auf die chemische Struktur, siehe Kasten Seite 136.) Da Margarine überwiegend aus billigem Pflanzenöl wie Sojaöl, Baumwollsaatöl, Rapsöl oder Palmkernfett hergestellt wird, lieferte dieser »kleine Unterschied« den Margarinewerken die nötige Munition.

Flugs gingen sie daran, den schlechten Ruf als Arme-Leute-Essen ein wenig aufzupolieren. Jetzt sollte der gesundheitsbewußte Bürger als Kunde gewonnen werden. Gemeinsam mit den Medizinern läuteten sie eine lang dauernde und oft genug erbittert geführte Schlacht um Geldbeutel und Glaubenssätze des Verbrauchers ein. »Butter oder Margarine?« lautete die Gretchenfrage. Wie viele Tischtücher mögen wohl wegen dieses Dogmas zerschnitten worden sein? Denn »Butter oder Margarine« meinten die Experten, wenn sie von gesättigten bzw. ungesättigten Fettsäuren sprachen.

Aber so einfach sollte es nicht bleiben. Zunächst förderten nur die mehrfach ungesättigten Fettsäuren vieler Pflanzenöle die Gesundheit, während die einfach ungesättigten und die gesättigten für schädlich befunden wurden. Mit dem Bann der einfach ungesättigten entledigte man sich ganz elegant eines weiteren Konkurrenten, nämlich des Olivenöls. Es enthielt schlicht per Definition die falschen Fettsäuren. Empfehlungen wurden aufgestellt, wie das Mengenverhältnis von gesättigten zu ungesättigten Fettsäuren in der Ernährung aussehen sollte.

Das ganze Theater um das richtige Fett mutet etwas merkwürdig an. Schließlich wurde Butter in unserem Kulturkreis seit über einem Jahrtausend gerne und reichlich verzehrt. Und nun soll sie die Ursache einer Erkrankung sein, die rein zufällig erst dann zunahm, als immer mehr Menschen Margarine aßen. Obwohl solche Überlegungen einleuchtend klingen mögen, so beweisen sie doch herzlich wenig. Beweise lieferte schließlich ein schwedischer Wissenschaftler. Er nahm fünf retro-und zehn prospektive Studien unter die Lupe, die den Zusammenhang zwischen Ernährung und koronaren Herzerkrankungen untersucht hatten. Bei seiner Analyse fand er, daß die untersuchten Koronarpatienten ebensoviel gesättigte bzw. ungesättigte Fettsäuren und Cholesterin mit der Nahrung aufgenommen hatten wie die Menschen in den Kontrollgruppen. Doch wenn die Ernährung in diesem Punkt in beiden Gruppen gleich war, kann sie nicht in einer Gruppe für eine bestimmte Erkrankung verantwortlich gemacht werden! Das Dogma war gekippt.

Damit ist wieder eine mit großem Aufwand propagierte Hypothese gestorben. Doch statt sie in Frieden ruhen zu lassen, schieben die Ernährungsexperten schon die nächste Fettempfehlungsvariante über den Tisch. Neuerdings sollen wieder andere Fettsäuren gesund sein: die berühmten Omega-3-Fettsäuren aus allerlei Meeresgetier. Inzwischen fanden sie ihren Weg nicht nur in die Margarine, sondern auch in die millionenfach verkauften Fischölkapseln. Belege durch aussagekräftige Interventionsstudien fehlen zwar -aber dafür gibt es wundervolle biochemischen Theorien, warum das Zeug einfach wirken muß. Theorien, die sich bei einem simplen Bismarckhering einfach nicht rechnen.

— Cholesterin und tierische Fette sind schuld an Arteriosklerose und Herzinfarkt

— Margarine schützt das Herz

— Die mediterrane Küche war das Vorbild für die Mittelmeerdiät

Quellen:

M. Heyne: Das deutsche Nahrungswessen von den ältesten geschichtlichen Zeiten bis zum 16. Jahrhundert. Leipzig 1901

U. Ravnskov: Quotation bias in reviews ofthe diet-heart idea. Journal of Clinical Epidemiology 1995/48/S.713