Bakterien von der Mutter

Neues Verfahren: Geburtskeime sollen Kaiserschnitt-Babys immunisieren

04. März 2016 von

Kinder, die per Kaiserschnitt auf die Welt kommen, gelten als anfälliger für Infektionen, Allergien und Asthma. Um dem entgegenzuwirken und das Immunsystem der Neugeborenen zu stärken, kommt in Australien und den USA gerade das „vaginal seeding“ auf – ein Verfahren, das Erkrankungen vorbeugen soll, aber Risiken birgt.

Bei einer „vaginalen Impfung“ wird der Kaiserschnitt-Patientin rund eine Stunde vor der geplanten Operation eine Mullbinde in die Vagina eingeführt. Während dieser Zeit saugt es Scheidensekret der Mutter auf. Nachdem das Baby das Licht der Welt erblickt hat, wird es mit dieser Absonderung von Kopf bis Fuß eingerieben. Außerdem zieht ein Helfer oder eine Helferin die Binde durch den Mund.

Keimkontakt wie im Geburtskanal

Das Ziel dieser sicher gewöhnungsbedürftigen Prozedur ist die Übertragung der Mikroorganismen der Mutter auf das Kind. Durch die Entnahme durch die Bauchwand kommt das Baby nämlich nicht in Berührung mit den Bakterien, die im Geburtskanal leben. Deswegen finden sich bei Kaiserschnitt-Kindern oft nur Keime, die sich im Kreißsaal tummeln (z.B. Hautbakterien des Personals).

Im Gegensatz dazu werden die abgeriebenen Neugeborenen gleich mit dem Bakterien-Cocktail der Mutter in Kontakt gebracht. Er enthält deutlich mehr Mikroorganismen, die das Abwehrsystem eines Neugeborenen stärken können, schreiben US-amerikanische Ärzte im Fachmagazin Nature Medicine. Wie sie in einer kleinen Studie feststellten, hatten die Kaiserschnitt-Kinder nach vier Wochen eine ganz ähnliche Bakterienbesiedelung wie normal entbundene Kinder.

Wissenschaftliche Belege fehlen noch

Ob das Seeding das Immunsystem tatsächlich stärkt und letztendlich Autoimmunkrankheiten verhindern kann, ist allerdings noch nicht erwiesen. Bislang gibt es nur wenige wissenschaftliche Abhandlungen und Untersuchungen zu dieser Methode. Dr. Maria Gloria Dominguez-Bello von der New Yorker University’s School of Medicine sagte dem Internetjournal Body+Soul, dass erst eine Langzeitstudie mit mindestens 1 200 Neugeborenen Aufschluss über die Effekte des Seeding geben wird. Sie selbst glaube an die positiven Eigenschaften und an eine Zukunft, in der das Verfahren ganz normal sein wird.

Eher Skepsis als Enthusiasmus

Andere Forscher sind zurückhaltender: Für Frank Louwen, Leiter der Geburtshilfe und Pränatalmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt, etwa „wäre das natürlich ein großer Erfolg, wenn sich Krankheiten wie Asthma und Allergien durch einen so einfach Handgriff reduzieren ließen.“

Doch vor der Anwendung müsse geklärt werden, ob sie wirkt und vor allem ob sie sicher ist, zitiert ihn Spiegel Online. Denn neben „guten“ Keimen wie den Darmbakterien könnten Sekrete auch gefährliche Bakterien wie Streptokokken oder Herpes-Viren sein, von denen die Mutter möglicherweise gar nichts weiß.

Deshalb rät unter anderem auch eine Gruppe britischer Kinderärzte im British Medical Journal davon ab, das geringste Infektionsrisiko einzugehen, solange der Nutzen nicht belegt ist. Die zukünftigen Untersuchungsergebnisse und Veröffentlichungen zum Thema Seeding werden Mediziner hierzulande sicher mit Interesse lesen. In Deutschland kommen schließlich rund 32 Prozent der Babys per Kaiserschnitt zur Welt – Tendenz: steigend.