Profitinteresse und Lobbyarbeit in Vordergrund?

"Melinda & Bill Gates Stiftung" in der Kritik

13. Feb. 2016 von

Kritische Stimmen seitens der britischen NGO „Global Justice Now“ beanstanden, dass die Melinda und Bill Gates Stiftung – kurz BMGF – anstelle von notleidenden Menschen multinationale Konzerne und deren Profitinteressen fördere.

Am Davoser Weltwirtschaftsforum (WEF) im Januar erklärten Bill und Melinda Gates, dass sie bis 2030 massiv in den Gesundheitssektor investieren werden. Mit Präventionsmaßnahmen möchte die Stiftung zur Eliminierung von vier Krankheiten beitragen. In ihrem jährlichen Statement, welches Bill und Melinda Gates am 21. Januar veröffentlichten, erklärten sie, dass Polio, Guineawurm, Elephantiasis und Flussfieber innerhalb von 15 Jahren eliminiert werden können. Möglich wir dies mittels Massenbehandlung mit verbesserten Impfstoffen und kontrollierter Medikamentenabgabe.

Am WEF erklärte Gates zudem, dass an Impfstoffen und wirksameren Medikamenten für HIV geforscht würde und die Stiftung bis 2030 auch ein Malaria Programm auf die Beine stellen würde.

Nun wurden jedoch kritische Stimmen laut. Die Non-Profit-Organisation „Global Justice Now“ veröffentlichte einen rund 50-seitigen Report zum Thema. Der Freelance-Journalist Patrick Spät hat die Studie in einem Blogbeitrag für Telepolis zusammengefasst. Nachfolgend die wichtigsten Auszüge daraus.

Kritik am Stiftungsaufbau

Die BMGF hat bis heute mehr als 34,5 Milliarden US-Dollar in 100 Länder gespendet. Gates selbst besitzt heute rund 80 Milliarden Dollar – alleine im Jahr 2014 verdiente er 16 Milliarden mit einem „kleinen Sprung“ der Microsoft-Aktie. In diesem Zeitraum investierte die Stiftung 3,6 Milliarden in Hilfsprojekte. Klingt doch alles wunderbar – was bemängeln denn die Kritiker an Gates lockerer Brieftasche?

Beanstandet wurden nun vor allem die Ausrichtung der Stiftung: Man setze zu sehr auf Technologie und Impfungen, lasse aber „Hilfe-zur-Selbsthilfe“-Maßnahmen außen vor. Zudem ermögliche eine breite Versorgung mit technologischen Hilfsmitteln zwar eine Art „Prävention durch mehr Information“, unterernährte Kinder würden aber nach wie vor sterben.

Investitionen in Firmen mit „zweifelhaftem“ Ruf

Dass der Verkauf von Impfstoffen sattere Gewinne für Pharmakonzerne bedeutet, ist ja auch klar. 2015 kostete eine vollständige Impfung eines Kindes zum Beispiel 68-mal mehr als noch 2005. Dieser Fakt leitet dann auch gleich zum nächsten Kritikpunkt über: Der Report macht deutlich, dass BMGF ordentlich Geld für Pharmakonzerne zur Verfügung stellt, weigert sich gleichzeitig aber, Druck auf die Pharma-Unternehmen auszuüben, dass diese ihre Preise senken.

Auch die Investitionen zur Förderung der Agrar-Industrie seien etwas zwielichtig. So wird zwar in die Produkte von Landwirtschafts-Riesen investiert, nicht aber in Kleinbauern in Afrika oder in die Gesundheits-Infrastruktur. Die ärmeren Bauern können aufgrund von wirtschaftlichem Druck ihre Felder nicht mehr auf traditionelle Art bestellen, sondern müssen auf konventionelle Bewirtschaftung umsteigen. Das bedeutet, dass sie von empfindlichem, kommerziellem Saatgut abhängig werden, welches für ein gutes Wachstum und bessere Bodenqualität Unterstützung von Pestiziden und Nährstofflösungen benötigt.

Millionen-Spenden für einflussreiche Lobby-Organisationen

Auch ganz Allgemein sagt die Studie aus, dass die Stiftung zu sehr mit der Industrie verflechtet ist: So sitzen Leute wie Sam Dryden, welcher beim Biotech-Riesen „Monsanto“ tätig war, im Gremium der Stiftung.

Auch die enge Zusammenarbeit mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft wird kritisiert. Beträchtliche Summen wandern laut der Studie in die Taschen folgende Branchen und Partnern:

  • Erdöl & andere fossile Brennstoffe (BP, ExxonMobil)
  • Süssgetränke & Fast Food (Coca-Cola, McDonald's)
  • Detailhandel (Procter & Gamble, Wal Mart)
  • Nahrungsmittel- und Agrar-Industrie (Néstle, Monsanto, Cargill, weltgrösster Hersteller von genmanipuliertem Soja)
  • Medikamente & Impfstoffe (Merck, GlaxoSmithKline, Novartis und Pfizer)
  • Chemische Industrie (Dow Chemicals, BASF, Bayer)

Macht und Einfluss auf die WHO

Nicht ein einziger Staat überweist der WHO so viel Geld wie die Gates-Stiftung, gibt watson.ch wieder. Ist es der WHO also überhaupt möglich, noch uneingeschränkt und neutral zu agieren? Der Report sagt nein, denn BMGF empfiehlt der WHO als „entgegenkommende Geste“ für die Milliarden, ihre Aufträge unter gewissen Pharmakonzernen aufzuteilen.

Eine doch etwas brisante Kombination und ordentlich Kritik für eine Stiftung, die auch viel Gutes tut, was der Report ebenso festhält. Was empfehlen die unabhängigen Experten daher?

In erster Linie sei wichtig, dass der Politik und der Bevölkerung bewusst werde, dass die BMGF viel zu viel Macht besitze und diesen Einfluss auch geltend macht. „Global Justice“ warnt, dass die Stiftung bereits Kontrolle über Gesundheit, Bildung, Klima, Landwirtschaft und Welternährung ausübt. Daher empfiehlt sie, dass ein unabhängiges, internationales Gremium die Gates-Stiftung und ihre Geschäfte und Investitionen prüft. Die Stiftung solle außerdem die Unterstützung zur Wegbereitung und finanzielle Zulagen an Großkonzerne, die Marktmacht ausüben und so die Landwirtschaft in Drittwelt- und Schwellenländer kontrollieren, einstellen.

Hintergrundwissen

Weitere Informationen zur Stiftung bekommst du unter gatesfoundation.org. Hier kannst du Gates „Annual Statement“ nachlesen. Hier findest du die 56-seitige Studie von „Global Justice Now“. Der Quelltext wurde auf watson.ch veröffentlicht. Dort kriegst du auch noch einen Buchtipp: «Aus kontrolliertem Raubbau – Wie Politik und Wirtschaft das Klima anheizen, Natur vernichten und Armut produzieren», erschienen 2015 im Blessing Verlag.

Bildquelle: <a href="http://www.shutterstock.com/gallery-2137532p1.html?cr=00&pl=edit-00">Frederic Legrand - COMEO</a> / <a href="http://www.shutterstock.com/editorial?cr=00&pl=edit-00">Shutterstock.com</a>