Supernahrung von Schaben

Kakerlakenmilch: Ernährung der Zukunft?

03. Sept. 2016 von

Für viele Ohren klingt es mehr nach einem Getränk, dass „RTL“ seinen Dschungel-Kandidaten servieren würde. Doch ein Forscherteam sieht in Kakerlakenmilch eine Möglichkeit, den Hunger in der Welt effizient zu bekämpfen.

Mitte des letzten Jahrzehnts hat der US-Wissenschaftler Nathan Coussens von der „University of Iowa“ entdeckt, dass die Kakerlakenart „Diploptera punctata“ in ihrem Darmtrakt glänzende Kristalle bilden.

Neugier brachte den Durchbruch

Seine Kollegen hielten die Gebilde für organische Salzkristalle, die bei einigen Kleintierarten vorkommen. Damit lagen sie allerdings falsch, denn Coussens forschte weiter und stellte nach einiger Zeit fest, dass die Kristalle der Schaben aus Milchproteinen bestehen.

Aufgrund dieser Erkenntnis begannen Forscher am „Institute for Stem Cell Biology and Regenerative Medicine“ (inStem) in Bangalore die Kristalle mit modernster Technik zu analysieren. Die bemerkenswerten Ergebnisse hat die internationale Forschergruppe jetzt in der Fachzeitschrift „IUCrJ“ veröffentlicht.

Deutlich gehaltvoller als Kuhmilch

Wie sich herausstellte, ist die Milch der „Diploptera punctata“ eine echte Nährstoffbombe. Der Studie zufolge enthält sie vielmal mehr Energie wie dieselbe Menge Kuhmilch.

Sanchari Banerjee, Mitautor des „IUCrJ“-Artikels, führt das auf die Zusammensetzung der Proteinkristalle zurück: „Die Kristalle sind wie ein komplettes Essen - sie beinhalten Eiweiß, Fett und Zucker. Betrachtet man die Gensequenzen des Proteins, dann finden sich alle essentiellen Aminosäuren“, sagt der Forscher der „Times of India“.

Vollwertige Nahrung mit Langzeitwirkung

Die Diploptera punctata produziert diese Proteine für ihre Nachkommen. Sie ist die einzige lebendgebärende Schabe und füttert mit dieser Milch die Jungen. Nun soll die Nährflüssigkeit auch Menschen, die zu wenig zu essen haben, satt machen. Denn die Kristalle, so Studienleiter Subramanian Ramaswamy, sind ziemlich stabil und zudem als Nahrungsergänzungsmittel gut zu gebrauchen.

Noch dazu ermöglichen sie „zeitversetztes Essen“: Die kristalline Struktur gibt die in Fülle vorhandenen Nährstoffe und Kalorien erst nach und nach frei. „Wer kalorienreiche, vollwertige Nahrung mit Langzeitwirkung sucht – da ist es“, wird Ramaswamy zitiert.

Massenproduktion im Labor

Nachdem die Gensequenzen dieses außergewöhnlichen Milchproteins entschlüsselt sind, plant das „inStem“-Team, die Kristalle mithilfe von Hefe in großen Mengen heranzuzüchten. Sie wollen die Kakerlakenmilch zur Proteinquelle der Zukunft machen – eine Kampfansage an den Hunger in der Welt.

Außerdem könnte der Aufbau der Proteinkristalle einem Bericht des Onlinemagazins „Telepolis“ zufolge als Blaupause zur Herstellung neuartiger Medikament dienen, die ihre Wirkstoffe zeitverzögert abgeben.