Von wegen tierfrei

In diesen Lebensmitteln hättest Du Gelatine nicht vermutet

22. Feb. 2018 von

Sülze, Fruchtgummis, Wackelpudding: Es gibt Snacks und Speisen, die werden durch Gelatine und ihre wasserbindende Eigenschaft erst zu dem, was sie sind. Doch vor allem Vegetarier und Veganer, aber auch muslimische und jüdische Menschen meiden Gelatine, denn sie wird aus tierischen Rohstoffen gewonnen und ist nicht halāl oder koscher. Das ist landläufig bekannt, allerdings steckt in viel mehr Produkten Gelatine, als wir vermuten. Grund genug, einmal genauer hinzusehen.

Aus was besteht Gelatine?

Das Ausgangsmaterial von Gelatine ist tierisches Bindegewebe. Aus Bindegewebe, Sehnen, Knorpel und Knochen wird das Eiweiß Kollagen gewonnen. Über 70 Prozent der in Europa produzierten Speisegelatine ist aus Schweineschwarten hergestellt, weitere Rohstoffe sind mit rund 25 Prozent Rinderspalt (die Mittelschicht der Haut), sowie Knochen von Rind und Schwein. Die letzten fünf Prozent werden aus Geflügelknochen und Fischhäuten gewonnen. (Achtung: Menschen mit Fischallergie, sollten hier besonders vorsichtig sein.)

Die Hersteller garantieren, dass die Tiere vor und nach der Schlachtung in einem veterinärmedizinischen Verfahren untersucht werden. Außerdem werden bei Rindern über 30 Monaten seit 1999 gesetzlich verordnete BSE-Tests gemacht. Gelatine unterliegt dem Lebensmittelrecht und trägt als Nebenprodukt im Schlachtvorgang zur Wirtschaftlichkeit von Schlachthöfen bei.

Der Herstellungsprozess

Das Jahr 1875 gilt als Meilenstein in der industriellen Gelatine-Herstellung. Seitdem haben sich in der Fabrikproduktion zwei Verfahren etabliert.

Um aus Kollagen Gelatine zu gewinnen, wird das Bindegewebe zuerst entfettet und entmaterialisiert. Im alkalischen Aufschlussverfahren wird das stark vernetzte Bindegewebe von Rindern dann verarbeitet. Dazu wird das Rohmaterial über mehrere Wochen mit Lauge versetzt und unter Bildung von Ammoniak aufgespalten. Das kollagene Gewebe von Schweinen ist nicht so stark vernetzt und wird deshalb im eintägigen sauren Verfahren mit Schwefel- oder Salpetersäure aufgeschlossen.

Anschließend wird das Material in beiden Fällen ausgewaschen und neutralisiert. Die Gelatine wird in warmem Wasser herausgelöst und gereinigt, schließlich zu einer honigartigen Masse eingedampft und dann in der jeweiligen Form getrocknet.

Das Endprodukt Speisegelatine kennen wir alle aus dem Handel. Sie wird vor allem in Blattform oder als Granulat angeboten und besteht zu 80 bis 90 Prozent aus tierischem Eiweiß, der Rest setzt sich aus Wasser und Mineralsalzen zusammen.

Warum wird Gelatine verwendet?

Schon die alten Ägypter sollen die Eigenschaften von Gelatine geschätzt und Fisch und Früchte in Gelee serviert haben. Gelatine (vom lateinischen gelare für erstarren) vereint viele Eigenschaften, die für unterschiedliche Wirtschaftszweige interessant sind.

Gelatine quillt im Wasserbad und löst sich bei etwa 50 Grad Celsius auf. Die klare Lösung geliert beim Abkühlen und wird beim Erwärmen wieder flüssig. Gelatine verdickt, stabilisiert, kann Schäume herstellen, bildet einen Grenzfilm und kann vor allem Wasser binden. Die neuere Instantgelatine bindet und geliert sogar auch in kalten Flüssigkeiten.

Ohne Zweifel ist tierische Gelatine ein sehr vielseitiges Produkt. Aber was, wenn man aus moralischen oder religiösen Gründen darauf verzichten möchte, auf welche Fallstricke sollten Verbraucher achten?

In welchen Produkten steckt Gelatine?

Als Gelier- und Verdickungsmittel steckt Gelatine oft in Produkten, die auf den ersten Blick nicht typisch scheinen. Oder wer denkt bei Wein, Frischkäse oder Medikamenten schon an verarbeitetes Bindegewebe?

In Milchprodukten

Die Nahrungsmittelindustrie ist der größte Abnehmer tierischer Gelatine. Neben den offensichtlichen Produkten wie Aspik oder Götterspeise findet sich Gelatine auch in Milchprodukten wie Joghurt, Frischkäse oder Quarkspeisen. Vor allem bei Halbfettprodukten greifen die Hersteller auf Gelatine als Stabilisator zurück, denn auch die fettreduzierten Produkte sollen eine cremige oder luftige Konsistenz haben und die Form halten.

In Süßigkeiten und Süßspeisen

Neben den klassischen Fruchtgummis ist Gelatine auch in anderen Süßigkeiten und Süßspeisen enthalten. Dazu zählen Kaugummis, Dessert-Cremes, aber auch die Cremefüllung von Torten sollen durch den Zusatz von Gelatine schnittfester und haltbarer gemacht werden.

Einsatz in der Getränkeindustrie

Weitestgehend unbekannt ist der Einsatz von Gelatine in der Getränkeindustrie. Vor allem Fruchtsäfte und Wein werden beim sogenannten „Klären“ mit Hilfe von Gelatine gefiltert. Dabei sollen Trübstoffe aus den Getränken entfernt werden.

Als Hilfsstoff in einem Herstellungsprozess muss die Gelatine hier allerdings nicht als Inhaltsstoff auf dem Etikett deklariert werden. Menschen, die Gelatine vermeiden wollen, haben es da schwer. Sie sollten auf naturtrübe Säfte oder Produkte mit der Kennzeichnung „vegan“ zurückgreifen.

In der Medizin und der Pharmaindustrie

Hier wird Gelatine beispielsweise zur Herstellung von Hart- und Weichkapseln von Medikamenten verwendet und dient als Hilfsstoff von Arzneimitteln, wie zum Beispiel den Impfstoffen gegen FSME oder Tollwut.

Selbst bei der Beschichtung von Fotopapier oder Farbfilmen greifen Hersteller auf Gelatine zurück. Aber muss das wirklich sein, oder gibt es auch Alternativen ganz ohne Tierleid?

Tierfreie Alternativen lohnen sich

Zwar kombinieren die pflanzlichen Geliermittel nicht diese Fülle an Eigenschaften, aber es gibt dennoch sehr gute Alternativen zur tierischen Gelatine.

  • Pektin findet schon lange bei der Zubereitung von Marmeladen und Fruchtgelees Verwendung. Es wird aus den Zellwänden von verschiedenen Obstsorten, meist aus Äpfeln gewonnen.

  • Neben Pektin eignet sich zum Eindicken von Tortenfüllungen und Cremes auch Agar-Agar. Agar-Agar wird ähnlich wie Carrageen aus Meeresalgen gewonnen, hat eine sehr hohe Wasserspeicherkraft und ist deswegen besonders gut für die Zubereitung von Sülzen und Gelees geeignet. Aber auch in der Medizin spielt der vegetarische Ersatz eine wichtige Rolle, denn das Gel kann – ähnlich wie Gelatine – als Nährboden für Bakterien genutzt werden.

  • Das aus dem Samen der Guarbohne gewonnene Guaran ist auch mit der europäischen Zulassungsnummer E 412 gekennzeichnet.

  • Johannesbrotkernmehl – hier werden die Kerne des Johannesbrotbaums gemahlen – kann bis zum 80-fachen des eigenen Gewichts an Wasser aufnehmen und wird deshalb oft als alternativer stabilisierender Inhaltssoff bei fettreduzierten Milchprodukten verwendet.

Viele Hersteller erkennen die steigende Nachfrage nach vegetarischer Gelatine und entwickeln dementsprechend neue und ausgereiftere Produkte. In allen Bereichen gibt es mittlerweile leckere und vor allem tierleidfreie Alternativen, die ihren Vorgängern mit Gelatine in nichts nachstehen.

Experimentieren lohnt sich

Wer beim Einkauf in Zukunft auf tierische Gelatine achten oder sie vermeiden möchte, sollte auf die Inhaltsliste schauen oder sich mit der CodeCheck-App helfen lassen.

Wer auch zu Hause beim Kochen und Backen ohne Gelatine auskommen möchte, dem stehen eine Reihe von pflanzlichen, tierleidfreien Alternativen zur Verfügung. Experimentieren lohnt sich!