Ungesundes soll teurer werden

Im Kampf gegen Übergewicht: Weniger Steuern für Obst und Gemüse

04. Dez. 2017 von

Seit Jahrzehnten nimmt die Zahl der stark Übergewichtigen in Deutschland zu. Allein zwischen 1999 und 2013 stieg der Anteil adipöser Männer um 40 und der adipöser Frauen um 24,2 Prozent. Um diese Entwicklung zu stoppen, schlägt ein Hamburger Ökonom eine Änderung des Besteuerungssystems für Lebensmittel vor.

Im Auftrag der „Universität Kiel“ und mehrerer Gesundheitsorganisationen hat Wirtschaftswissenschaftler Tobias Effertz die Zusammenhänge zwischen dem Ernährungsverhalten der Deutschen, der Gewichtsentwicklung und den Lebensmittelpreisen untersucht.

In seiner Studie kommt er zum Ergebnis, dass Bundesbürger mehr gesunde Esswaren kaufen würden, wenn sie günstiger wären. Effertz hat daraufhin mehrere Rechnungen durchgeführt, die zeigen, wie sich Änderungen der Mehrwertsteuersätze von Nahrungsmitteln auf den Konsum auswirken.

Simples Steuermodell auf Basis der Lebensmittelampel

Das seinen Kalkulationen zufolge vielversprechendste Szenario – das sogenannte „Ampel plus“-Mehrwertsteuersystem – orientiert sich an der Lebensmittelampel:

  • Produkte mit einer grünen Kennzeichnung für einen niedrigen Gehalt an Fett, gesättigte Fettsäuren, Zucker und Salz (Obst, Gemüse) sind in diesem Modell von der Mehrwertsteuer befreit.
  • Für gelb gekennzeichnete Waren (Nudeln, Milch, Fleisch) ist weiterhin ein Steuersatz von sieben Prozent vorgesehen.
  • Rot markierte und damit besonders zuckerhaltige, salzige oder fettige Produkte (Fertiggerichte, Chips, Süßigkeiten) werden mit 19 Prozent besteuert, wobei eine Erhöhung des Steuersatzes für Softdrinks auf 29 Prozent denkbar wäre.

Rückgang von Adipositas möglich

Nach Ansicht von Efferz könnte diese Staffelung die Zunahme von starkem Übergewicht nicht nur stoppen: Der Anteil der Menschen mit Adipositas soll sogar um zehn Prozent sinken. Das würde Deutschland gesünder machen, denn Fettleibigkeit erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Krebs.

Befürworter verweisen auf Erfolge

In einer Pressemitteilung spricht sich CDU-Politiker Ulf Fink als Vertreter der Gesundheitsorganisationen, die diese Studie unterstützt haben, für die Einführung des „Ampel plus“-Modells aus. „Natürlich soll jeder selbst entscheiden, was er kauft. Günstige Preise erleichtern es dem Verbraucher aber, seine Gesundheit zu fördern“, so Fink.

Ernährungsmediziner Professor Hans Hauner von der „Technischen Universität München“ ergänzt, dass viele Länder bereits die Steuern für ungesunde Produkte erhöht und damit positive Erfahrungen gemacht hätten. Im nordkalifornischen Berkeley etwa sei der Absatz von Softdrinks um 21 Prozent zurückgegangen. Außerdem hätten Hersteller den Fett- und Zuckeranteil in ihren Fertigprodukten gesenkt, um sie in eine günstigere Steuerklasse zu hieven.

Ernährungswirtschaft winkt ab

Der Hauptgeschäftsführer des „Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde“ (BLL) und der „Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie“ (BVE), Christoph Minhoff, hat sich allerdings gegen die Einführung der dreistufigen Mehrwertsteuer ausgesprochen.

Laut „Topagrar.com“ geht Minhoff davon aus, dass sich danach nicht mehr jeder die komplette Lebensmittelvielfalt leisten kann. Abgesehen davon sei die Einteilung der Nahrung in gesund/ungesund willkürlich und die Entwicklung von Übergewicht nicht nur auf das Verzehren ungesunder Lebensmittel zurückzuführen.