Wundertüte Supermarkt-Container

Gefundenes Essen: Ist das Retten von Lebensmitteln strafbar?

24. Apr. 2016 von

Mülltaucher, Containerer oder Dumpster Diver werden sie genannt – die Menschen, die in den Abfällen von Supermärkten nach essbaren Nahrungsmitteln suchen. Aus Protest gegen den Wegwerfwahn nehmen sie einfach mit, was nach Meinung der Lebensmittelbranche nicht mehr gegessen werden sollte. Ist das Diebstahl?

Schätzungen der Bundesregierung zufolge werfen Industrie, Handel, Großverbraucher und Privathaushalte jedes Jahr elf Millionen Tonnen Nahrung weg. Der WWF geht in seiner Studie „Das große Wegwerfen“ sogar von 18 Millionen Tonnen aus. Und dabei ist längst nicht alles, was im Müll landet, ungenießbar: Kantinen beispielsweise müssen Buffetreste aus hygienischen Gründen entsorgen und Bäckereien entledigen sich ihrer alten Backwaren oft nur, weil diese trocken geworden sind.

Wundertüte Supermarkt-Container

Besonders üppig und vielfältig sind die Müllcontainer von Discountern gefüllt. Dort finden sich überschüssige Waren genauso wie landwirtschaftliche Erzeugnisse mit kleinen Makeln oder Produkte mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum.

Für die Containerer können die Tonnen deswegen zu wahren Schatzkammern werden. Die Sammler können sich komplett oder zum großen Teil von den Entdeckungen ernähren, die sie auf ihren nächtlichen Streifzügen durch die Abfalllager der Supermärkte machen.

Häufig ist Idealismus der Antrieb

Einige Mülltaucher wie Studenten in Großstädten fischen in den Tonnen, um Geld zu sparen. Vielen geht es aber ums Prinzip. Sie wollen zeigen, wie groß die Menge an genießbarer Nahrung ist, die einfach so weggeworfen wird – und damit auf den Überfluss in unserer Wohlstandsgesellschaft hinweisen.

Politik-Studentin Maria etwa ist will diesen „Irrsinn“ nicht dulden. In einem Interview mit Yahoo vertritt sie die Meinung, dass es eine gesetzliche Verpflichtung für Supermärkte und Produzenten geben sollte, noch halt- und verwertbare Lebensmittel zu spenden. Auf diese Weise „könnten alle Flüchtlingsheime und sozialen Einrichtungen von der Nahrung leben, die sonst im Müll landet“.

Müllltauchen ist Diebstahl

Das könnte Maria und ihren Gefährten jedoch Ärger mit dem Gesetz einbrocken. Denn anders als in Österreich, der Schweiz oder den USA ist Müll hierzuland aus rechtlicher Sicht keine herrenlose Sache. „Bei den gelagerten Lebensmitteln handelt es sich um das Eigentum der jeweiligen Supermärkte“, erklärt Jurist David Klaiber gegenüber Yahoo. Wenn sie der Supermarktbesitzer auf frischer Tat ertappt und anzeigt, droht Mülltauchern daher eine Verurteilung wegen Diebstahls.

Oft liegt eine sogenannte Tateinheit mit Hausfriedensbruch vor, weil sie sich ohne Erlaubnis Zutritt auf das Gelände des Händlers verschaffen. Geht beim Dumpstern noch etwas zu Bruch oder wird mutwillig zerstört, wird außerdem wegen schwerer Sachbeschädigung ermittelt.

Zwar werden nur selten Anzeigen gegen Containerer erstattet und die wenigen Gerichtsprozesse oft wegen Geringfügigkeit eingestellt. Doch es kommt immer wieder zu Verfahren, die mit einem Richterspruch enden. Dann müssen die Angeklagten mit einer Geldstrafe, einer Verurteilung zu Sozialstunden oder sogar einer Gefängnisstrafe rechnen.

Petition zur Entkriminalisierung

Das blüht nun auch zwei Mülltauchern, gegen die derzeit in Aachen ein Verfahren läuft. Sie werden sich demnächst wegen schweren Diebstahls vor Gericht verantworten müssen. Allerdings regt sich Widerstand: Über 30 Personen haben den Fall zum Anlass genommen, das Bündnis „Containern ist kein Verbrechen“ zu gründen.

Ihr Ziel ist es, „soviel Druck aufzubauen, dass das Verfahren eingestellt wird oder – sollte es zur Verhandlung kommen – mit einem Freispruch endet.“ Darüber hinaus will das Bündnis drauf aufmerksam machen, „dass täglich in jeder deutschen Stadt tonnenweise genießbare Lebensmittel vernichtet werden.“ Zu diesem Zweck haben die Mitglieder des Bündnisses Anfang April eine Petition auf www.change.org gestartet, in der sie das sofortige Ende des Verfahrens, die Entkriminalisierung des Containerns und das Verbot, genießbare Lebensmittel in Landwirtschaft, Handel und Industrie als Abfall zu beseitigen, fordern.

Zwei Wochen nach ihrem Start hat die Petition bereits über 66 000 Unterstützer und es dürf(t)en noch viel mehr werden, bis die Aktivisten die Unterschriftenliste der Staatsanwaltschaft Aachen übergeben. Denn eigentlich sagt uns schon der gesunde Menschenverstand, dass das Wegwerfen von Lebensmitteln eher unter Strafe gestellt werden sollte als das Retten von Nahrung aus Mülltonnen.

Bild-Quelle: Shutterstock