Brauche ich das wirklich?

Denkanstöße für einen bewussten Konsum

28. Juli 2017 von

Hast Du in den letzten 12 Monaten auch 50-70 Kleidungsstücke gekauft? Dann liegst Du nämlich im deutschen Durchschnitt. Aber was davon ziehst Du wirklich an? Und wann hast Du zuletzt Essen wegwerfen müssen? Ein Plädoyer für mehr Bewusstsein beim Konsumieren.

Unreflektiertes Einkaufen

Sein Geld beim Einkauf aus dem Fenster schmeißen und dabei noch der Umwelt schaden – das möchte eigentlich niemand wirklich. Dennoch landen alleine in Deutschland pro Jahr über 18 Millionen Tonnen Nahrungsmittel im Müll, wie die „WWF“-Studie „Das große Wegschmeißen“ herausfand. Und da jeder Deutsche rund 18 Kilogramm neue Kleider im Jahr shoppt, sammeln sich im gleichen Zeitraum 800.000 Tonnen Kleidermüll an.

Woher kommt der Konsum-Wahn?

Wir kaufen, weil wir können. Und weil wir gelernt haben, dass Konsumieren gut ist, da so die Wirtschaft in Schwung bleibt. Wirtschaftwachstum hat sich in den westlichen Gesellschaften der Nachkriegszeit als Synonym für ein besseres Leben manifestiert. Wachsende Wirtschaft bedeutet Arbeit und Wohlstand für alle, so die weitverbreitete Meinung.

Unser Wohlstand und der damit verbundene Konsum fußt allerdings auf dem „Vertrauen in immer noch mehr Wachstum“, bringt es der Soziologe und Sozialpsychologe Harald Welzer in einem Artikel für das „Süddeutsche Zeitung Magazin“ auf den Punkt. Dass dieser Wachstumsglaube in Hinblick auf die Ressourcenendlichkeit automatisch an seine Grenzen stößen wird, hat der Club of Rome schon 1972 in seinem Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ dargelegt.

Trotzdem besitzen wir in der industrialisierten Welt meistens weit mehr als wir bräuchten: Im Fachjargon spricht man von einer Überflussgesellschaft. Ein Entkommen ist zwar von vielen Menschen erwünscht, sich am Ende aber tatsächlich zu entziehen, gelingt nur wenigen. Dabei gibt es längst Gegenentwürfe zum ungezügelten Konsumverhalten: Vegetarismus, Veganismus, Suffizienzstreben oder Sharing-Konzepte spiegeln deutlich Strömungen in eine (umwelt)bewusste Richtung wider.

Wie kann man bewusst konsumieren?

Selbstbegrenzung ist das Stichwort. Professor Dr. Niko Paech ist einer der bekanntesten Vertreter der Postwachstumsökonomie und legt in seinem Buch „Befreiung vom Überfluss“ dar, wie durch Suffizienz (Entrümpelung) und Subsistenz (Selbst- statt Fremdversorgung) ein Weg aus der Konsumspirale gefunden werden kann.

Wenn auch Du bewusster konsumieren möchtest, dann frag ich Dich vor jedem Kauf ehrlich:

  • Brauche ich das wirklich?
  • Habe ich schon etwas Ähnliches?
  • Könnte ich es selber machen, ausleihen oder Second Hand besorgen?
  • Wie steht es um die Produktionsbedingungen: Sind diese fair und ökologisch vertretbar?

Gegentrends

Aufgregriffen wird diese Lebenseinstellung zum Beispiel von Minimalisten, deren Ziel es ist, sich von sämtlichen unnötigem Ballast zu befreien und nur mit dem absolut notwendigen zu leben. Bei diesem bewussten Verzicht geht es neben weniger Konsum und Eigentum auch um den Wunsch, nicht mehr so viel zu arbeiten und nur noch erfüllende soziale Kontakte zu pflegen.

Anhänger dieser Bewegung sind zum Beispiel Joshua Fields Millburn und Ryan Nicodemus, deren Blog „theminimalists.com“ nach eigenen Angaben mehr als zwei Millionen Leser folgen.

Das „Kleiderschrank-Prinzip“

Ein Trend, der sich gerade ausbreitet, ist das sogenannte Kleiderschrank-Prinzip oder auch Capsule-Garderobe. Hierbei wird der Überzeugung gefolgt, dass 20 – 35 Kleidungsstücken für eine komplette Garderobe ausreichend sind. Hast Du auch zu viele Kleider? Vielleicht hilft Dir der Blog von Anuschka Rees weiter. Hier gibt es Anleitungen, wie ein reduzierter Kleiderschrank funktionieren kann.

Sharing: Tauschen statt Kaufen

Musst Du wirklich einen eigenen Akkubohrer besitzen oder würde es ausreichen, wenn Du ihn Dir für die paar Male, die Du ihn brauchst von Deinem Nachbarn leihst? Überleg Dir doch mal, welche Geräte oder Anschaffungen Du nur selten oder zu bestimmten Anlässen hervorkramst. Mittlerweile gibt es in vielen Städten sogenannte Tauschringe oder Leihläden.

Auch gegen Essensverschwendung ist einiges in Bewegung. Die App „toogodtogo“ zeigt Dir beispielsweise, in welchen Restaurants Du kurz vor Feierabend Reste ab 2,00 Euro abholen kannst, die sonst im Müll gelandet wären. Auf foodsharing.de kannst Du außerdem entweder eigene übrig gebliebene Lebensmittel zur Abholung anbieten oder selber fündig werden.

Ansonsten kannst Du beim Kauf von Nahrungsmitteln auf folgende Dinge achten:

  • Nicht mit Hunger einkaufen gehen, das verleitet zu Fehl- oder Übereinkäufen.
  • Vor dem Einkauf checken, was Du zuhause vorrätig hast und dann eine Einkaufsliste anfertigen.
  • Frische Lebensmittel kaufen,Großpackungen vermeiden.
  • Mindesthaltbarkeitsdatum hinterfragen: Nicht alle Produkten müssen sofort nach Ablauf in den Müll, nicht umsonst heißt es Mindesthaltbarkeit.
  • Richtig lagern: Nicht jedes Obst und Gemüse gehört in den Kühlschrank. Eine Übersicht findest Du zum Beispiel hier.

Einen Kaffee bitte! - Das macht 2 Euro und 140 Liter Wasser.

Wusstest Du, dass Deine Tasse Kaffee am Morgen 140 Liter Wasser verschlingt? Und für ein einziges Kilogramm Baumwolle werden circa 11.000 Liter Wasser benötigt. Das heißt, in Deinem T-Shirt, das Du vielleicht gerade trägst, verstecken sich rund 2.000 Liter Wasser.

Am dramatischsten ist aber der Fleischkonsum: 15.000 Liter Wasser für ein Kilo Rindfleisch – diese unfassbare Zahl hat die amerikanische Organisation „Water Foodprint Network“ in Hinblick auf den Verbrauch des sogenannten Virtuellen Wassers im gesamten Produktionsprozess errechnet. Beim Virtuellen Wasser sind sämtliche Wassereinheiten berücksichtigt, die vom Futter-Anbau bis zur Stallreinigung für das fertige Produkt benötigt werden. Zum Vergleich: Ein Kilo Kartoffeln bracht lediglich 100 Liter Wasser.

Wasserknappheit ist eines der besorgnisreichsten Themen unserer Zeit und eine direkte Folge unserer Konsumgesellschaft: Vor allem in Afrika, Südasien und Lateinamerika ist bereits heute 1,3 Milliarden Menschen der Zugang zu sauberem Wasser nur schwer möglich.

Noch sind die Folgen bei uns nicht direkt spürbar, doch das ist nur eine Frage der Zeit, denn der Ressourcenverbrauch kann und wird nicht weitergehen wie bisher. Eine totale Verzichtgesellschaft wird wohl eine Utopie bleiben. Jedoch wird in Zukunft wohl eine völlig anders als bisher gewohnte, ressourcenschonendere Konsumkultur auf uns zukommen (müssen).