Umweltskandal

Baden-Württemberg: Sorge um die Chemikalie PFC in Wasser & Boden

09. Sept. 2016 von

Mittelbaden droht die flächenmäßig größte Umweltverseuchung Deutschlands: Äcker und Grundwasser sind mit giftigen PFC-Chemikalien belastet. Zwei Wasserwerke mussten vorübergehend den Betrieb einstellen. Schuld soll ein Komposthändler sein, der den Bauern in der Region die Chemikalien unterjubelte.

Umweltschützer sprechen vom flächenmäßig größten Umweltskandal, der je in Deutschland verzeichnet wurde. Gemeint ist die Verseuchung von Äckern und Grundwasser rund um die Stadt Rastatt in Baden-Württemberg mit polyfluorierten Chemikalien (PFC).

Mittlerweile weiß man, dass mindestens 400 Hektar Land, das Trinkwasser und einige Seen im Umland mit zu hohen PFC-Konzentrationen belastet sind. Bekannt wurde der Fall bereits vor drei Jahren, doch erst jetzt realisiere man die Tragweite des Vorfalls, schreibt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.

Entdeckt wurden die Chemikalien erstmals in einer Trinkwasseruntersuchung im Oktober 2012, wobei man in einem Brunnen erhöhte PFC-Werte feststellte. Zwei Wasserwerke mussten daraufhin abgestellt werden. Mit dem Grundwasser haben sich die Chemikalien über die Jahre weiter verbreitet.

Woher kommen die Chemikalien?

Schuld an dem weitreichenden Umweltskandal soll ein Komposthändler aus Bühl sein. Über Jahrzehnte habe er Bauern im Umland, darunter auch Bio-Betrieben, kostenlosen Kompost geliefert, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schreibt.

Was die Bauern nicht wussten: Der Kompost enthielt Abfälle aus der Papierindustrie, darunter polyfluorierte Chemikalien.

PFC-Chemikalien werden laut den star-Energiewerken in Rastatt seit über 50 Jahren hergestellt und gehören zu den langlebigsten Erfindungen der Chemieindustrie. Sie kommen in der Industrie häufig zum Einsatz, da sie Wasser, Fett und Schmutz abweisen. Man verwendet sie unter anderem für beschichtete Pfannen, Kaffeebecher, Pizzakartons, Outdoorjacken, Putzmittel oder Imprägniersprays.

So gefährlich ist PFC

Über die Gesundheitsgefahren von polyfluorierten Chemikalien weiß man bislang wenig. Bekannt ist jedoch, dass sie über die Nahrungskette und die Luft in die Organe von Mensch und Tier gelangen. Dort können sie unter anderem Krebs auslösen, warnt „Greenpeace“.

Zudem würden jüngste epidemiologische Studien auf einen Zusammenhang zwischen PFOA-Belastungen und Übergewicht, Hormon- und Immunstörungen sowie Erkrankungen der Schilddrüse hinweisen.

Das „Umweltbundesamt“ bewertet die Fluorchemikalien als „besonders besorgniserregend“ und warnt auch vor Langzeitschäden der Umwelt, da die Chemikalien kaum abbaubar sind.

PFC macht unfruchtbar

Dass PFC-Chemikalien die Fruchtbarkeit verringern, ergab die kanadische MIREC-Studie (Maternal-Infant Research on Environmental Chemicals). Für diese wurde die bislang größte Zahl schwangerer Frauen untersucht, um den Einfluss von Umweltchemikalien auf Schwangerschaft und kindliche Gesundheit zu ermitteln.

Die Untersuchung ergab: Je höher die Konzentration an Perfluoroctansäure (PFOA) oder an Perfluorhexylsulfonat (PFHxS) im Blut einer Frau, desto länger dauerte es, bis sie schwanger wurde, oder desto wahrscheinlicher war es, dass sie sich aufgrund von Unfruchtbarkeit in Therapie begeben musste.

Landwirte in verseuchten Gebieten dürfen weiter anbauen

Die Behörden vor Ort haben den Landwirtschaftsbetrieb trotz möglicher Belastung von Boden und Wasser mit PFC nicht verboten. Die Bauern in der Region dürfen unter bestimmten Auflagen weiterhin Obst und Gemüse anbauen. In den nächsten fünf Jahren soll festgestellt werden, ob es dabei bleiben darf.

Der beschuldigte Komposthändler ist in einem ersten Gerichtsurteil dazu verpflichtet worden, die Kosten für Voruntersuchungen der Böden zu tragen. Bei dem Kompostgemisch habe es sich „um die kostengünstige Entsorgung minderwertigen Materials und nicht um die Lieferung biologischen Düngers gehandelt“, stellte der Verwaltungsgerichtshof Mannheim fest. Der Komposthändler bestreitet die Vorwürfe. Der Fall wird sich wohl noch über Jahre hinziehen.

Stadtwerke warnen vor akuter Bedrohung des Trinkwassers

Mit harscher Kritik hatte auch das baden-württembergische Umweltministerium unter der Leitung der Grünen zu kämpfen. Es teilte in einem Online-Dokument mit: „Die im Landkreis Rastatt und dem Stadtkreis Baden-Baden gemessenen Werte liegen deutlich unterhalb des Leitwertes, so dass vom Trinkwasser keine gesundheitliche Gefährdung ausgeht“.

Die zuständigen Stadtwerke sind hingegen laut der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ überzeugt, dass die Trinkwasserversorgung der Stadt Rastatt „akut bedroht“ sei. Derzeit arbeiten die Stadtwerke an einer Notwasserleitung.