Medikamente

Pillen aus der Drogerie: Wirksam oder unnötig?

26. Nov. 2013 von

160 Millionen Euro Umsatz haben Supermärkte und Drogerien innerhalb eines Jahres in Deutschland mit freiverkäuflichen Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln gemacht. Ob schwere Beine, Rheuma oder Gedächtnisstörungen - für viele Leiden scheint es die richtigen Pillen zu geben. Aber wie gut sind die Mittel tatsächlich?

160 Millionen Euro Umsatz haben Supermärkte und Drogerien innerhalb eines Jahres in Deutschland mit freiverkäuflichen Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln gemacht. Ob schwere Beine, Rheuma oder Gedächtnisstörungen - für viele Leiden scheint es die richtigen Pillen zu geben. Aber wie gut sind die Mittel tatsächlich?

Unterdosierte Arzneimittel

Beispiel Johanniskraut: Johanniskraut ist ein anerkannter Wirkstoff und wird als Arzneimittel bei Depressionen eingesetzt. Doch damit ein Medikament mit Johanniskraut einen nachweisbaren Effekt auf die Stimmung hat, muss es eine bestimmte Dosierung haben. Viele freiverkäufliche Johanniskraut-Präparate sind mit 180 Milligramm Trockenextrakt pro Tablette (entsprechen 900 Milligramm Wirkstoff-Gehalt) dosiert. Allgemeinmediziner Frank Lange-Wühlisch gibt zu bedenken: "Johanniskraut in dieser Dosierung ist als nicht wirksam einzustufen. Wir dosieren das Präparat in der Praxis sehr viel höher." Grund für die niedrige Dosierung der freiverkäuflichen Mittel ist eine Gesetzesvorschrift. Demnach dürfen Johanniskraut-Präparate nur dann frei verkauft werden, wenn sie niedriger dosiert sind, als mit einem Gramm des Wirkstoffs pro Tablette.

Ähnlich verhält es sich mit einigen freiverkäuflichen Präparaten zum Leberschutz. Darin ist häufig der Wirkstoff Mariendistel, auch Silymarin genannt, zu finden. Auch hier müsste die Dosierung, die einen Effekt auf die Leber hätte, nach Meinung von Experten um ein Vielfaches höher sein, als sie in den Drogerie-Produkten zu finden ist.

Zweifelhafte Wirkstoffe

Es gibt auch einige Wirkstoffe, die zwar seit Jahrzehnten angewendet werden, die in der Wissenschaft aber sehr umstritten sind, wie etwa Teufelskralle. Der Wirkstoff wird entweder gegen rheumatische Beschwerden oder zur Unterstützung der Verdauungsfunktion verkauft. Präparate mit Teufelskralle sind nur deshalb als freiverkäufliche Arzneimittel zugelassen, weil sie wenige Nebenwirkungen haben und schon seit über 30 Jahren angewendet werden. Wirklich überzeugende klinische Studien zum Nutzen von Teufelskralle sind unter Medizinern und Pharmakologen nicht bekannt. "Teufelskralle empfehlen wir nicht mehr. Wir wissen, dass sie nicht das hält, was sie verspricht. Wir haben das lange Zeit probiert, aber aus meiner Sicht ist Teufelskralle in der Naturheilkunde auch nicht wirklich zu empfehlen", so Lange-Wühlisch.

Nebenwirkungen

Auch Ginkgo ist ein vermeintlicher Heilsbringer aus der Pflanzenwelt. Er soll die geistige Leistungsfähigkeit steigern und das Gedächtnis unterstützen. Doch auch hier fehlen aussagekräftige Studien. Stattdessen können bei der Aufnahme von Nahrungsergänzungsmitteln mit Ginkgo sogar Nebenwirkungen auftreten. So stellte das Bundesamt für Risikobewertung im Falle von Ginkgo starke allergene Eigenschaften und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten fest.

Wildwuchs bei Nahrungsergänzungsmitteln

Karin Riemann-Lorenz von der Verbraucherzentrale Hamburg sieht insbesondere im Zulassungsverfahren von Nahrungsergänzungsmitteln einen Missstand: "Wir sehen da viel Wildwuchs. Im Prinzip kann jedes Lebensmittel in Pillenform gepresst werden und als Nahrungsergänzung mit einer Gesundheitswirkung belegt und verkauft werden, ohne dass der Hersteller bislang Nachweise dafür bringen musste." Darauf ist auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, kurz EFSA, aufmerksam geworden. Sie untersucht zurzeit die sogenannten Health Claims, also gesundheitsbezogene Angaben auf den Verpackungen, und überprüft, ob ein Wirkstoff hält, was die Verpackung verspricht.

Untersucht wurden zum Beispiel Cranberry-Produkte, die die Blasenfunktion unterstützen sollen, oder Produkte gegen schwere Beine mit Rutin. Für beide Wirkstoffe reichen die wissenschaftlichen Belege für einen medizinischen Nutzen laut EFSA nicht aus. Hier hat die Behörde die "Health Claims" abgelehnt. Im nächsten Schritt leitet die EFSA die Ergebnisse an die EU-Kommission weiter. Diese muss dann eine Liste mit "Health Claims" für einen Wirkstoff veröffentlichen, die weiter verwendet werden dürfen. Rein formalrechtlich ist es im Moment noch legal, mit abgelehnten "Health Claims" zu werben. Einen nachweisbaren Nutzen sollten Verbraucher aber nicht erwarten.

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