Kontroverse um „Goldenen Reis“

Nobelpreisträger kritisieren Greenpeace-Haltung gegenüber Gentechnik

07. Juli 2016 von

In einem offenen Brief richten sich 110 Nobelpreisträger an die Umweltorganisation Greenpeace. Sie soll ihren Widerstand gegen die Grüne Gentechnik aufgeben und vor allem die Forschung am gentechnisch veränderten „Goldenen Reis“ nicht weiter behindern.

Es ist die Haltung der Umweltorganisation Greenpeace, die die internationalen Laureaten kritisieren. So ist Greenpeace seit Jahren dafür bekannt, gentechnisch veränderte Pflanzen strikt abzulehnen. Aktuell mobilisiert Greenpeace die philippinischen Behörden gegen die Zulassung der transgenen Sorte „Goldener Reis“. Die Nobelpreisträger sehen in der Ablehnung transgener Pflanzen und der Mobilmachung eine Behinderung der Forschung – mit ernsten Folgen für die Menschen. Doch zunächst: Was ist Goldener Reis überhaupt?

Goldener Reis: Mehr Betacarotin durch genetische Manipulation

Die Sorte „Goldener Reis“ wurde genetisch so verändert, dass sie mehr Betacarotin produziert und damit einen höheren Gehalt des Provitamins A enthält.

Gerade in ärmeren Ländern leiden viele Menschen an einem Vitamin-A-Mangel. Der SWR2 spricht in einem Beitrag allein von 200 Millionen Kindern. Obst und Gemüse sind in südasiatischen Ländern teuer. Die Unterversorgung mit Vitamin A führt daher z.B. in Ländern wie Indien, Bangladesh und den Philippinen zu ernsten gesundheitlichen Problemen, Erblindung und Tod. Hunderttausende sind jedes Jahr betroffen. Der Anbau von Reis mit höherem Vitamin A-Gehalt könnte den Mangel dieser Menschen beheben, so die Hoffnung der Forscher.

Der Vorwurf der Nobelpreisträger

Der Widerstand durch Greenpeace behindere Forschung & Zulassung transgener Pflanzen massiv. Ein weiterer Vorwurf an die Umweltorganisation lautet, dass sie die wiederholte Zerstörung von Versuchsfeldern durch Aktivisten zumindest ideell unterstützt haben soll. Gegen diesen Vorwurf allerdings wehrt sich ein Sprecher der Organisation, Dirk Zimmermann.

Auszüge aus dem offenen Brief

„Forschungseinrichtungen und Regulierungsbehörden auf der ganzen Welt haben wiederholt und einheitlich festgestellt, dass Pflanzen und Nahrungsmittel, die auf biotechnologischem Wege verbessert worden sind, genauso sicher, wenn nicht sogar sicherer, sind als mit anderen Methoden hergestellte. [...] Greenpeace ist die Speerspitze beim Widerstand gegen den Goldenen Reis, der das Potential hat, viele Erkrankungen und Todesfälle zu reduzieren oder zu verhindern, die durch Vitamin-A-Mangel entstehen, der am meisten die ärmsten Menschen in Afrika und Südostasien betrifft. [...] WIR FORDERN GREENPEACE AUF, die Kampagne gegen den Golden Reis im speziellen und gegen biotechnologisch verbesserte Pflanzen im Allgemeinen einzustellen. [...] Wie viele arme Menschen in der Welt müssen sterben bevor wir das als ein „Verbrechen an der Menschlichkeit“ ansehen?“

Was ist dran an den Vorwürfen?

Die Argumente der Organisation sind nicht von der Hand zu weisen: Gefährdung der Biodiversität, Verdrängung der existierenden Sorten, unkontrollierte Artenkreuzung zwischen den verschiedenen Pflanzen mit unklaren Ergebnissen, Sterben von nützlichen Insekten … Transgene Sorten sind ein von Menschen gemachter Eingriff in die Natur, dessen Folgen wir längst nicht alle absehen können.

Und die Ablehnung seitens Greenpeace entspricht dem Zeitgeist. So ist auch in Deutschland der überwiegende Teil der Verbraucher gegen Gentechnik. Dabei würden laut dem zitierten Brief der Nobelpreisträger gentechnisch veränderte Nahrungsmittel strenger untersucht und beforscht als konventionelle. Auch Berichte der europäischen Kommission legen dar, dass in keiner der durchgeführten Studien eine Gefahr für Umwelt oder Verbraucher hätte festgestellt werden können, die höher ist als bei konventionellen Pflanzen.

Zwei Meinungen stehens ich gegenüber: Die Nobelpreisträger fragen in ihrem offenen Brief, wie viele arme Menschen sterben müssen, bis die Behinderung der Forschung als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ Beachtung findet. Die Position von Greenpeace aber ist: Gentechnik wird den Welthunger nicht bekämpfen. Was ist dran an diesem Argument?

Ist alles gold, was glänzt?

Fakt ist, dass die Weltbevölkerung explodiert und sich das Klima weiter erwärmt. Bis zum Jahr 2050 werden wir fast 10 Milliarden Menschen auf diesem Planeten sein, und arme, heiße Regionen noch ärmer als heute. Die Überlegung: Genetisch veränderte Pflanzen könnten gesundheitliche Probleme lösen und Hunger bekämpfen, z.B. durch Veränderungen des Gehalts an bestimmten Vitaminen, aber auch durch Resistenzen gegen bestimmte Schädlinge, was zudem die Menge an ausgebrachten Insektiziden voraussichtlich sinken ließe.

Fakt ist aber auch, dass genetisch veränderte Pflanzen unter einem Patentschutz stehen. Mit Patenten und genetisch resistenten Pflanzen verbinden viele Monsanto. Und damit riesige Felder voller Gen-Soja, das mit Mengen an Glyphosat besprüht wird. Die Befürchtung: Das Saatgut für transgene Pflanzen bleibt in der Hand von Konzernen, die arme Bevölkerung erhält keinen Zugang. Und zudem könnte in das natürliche Ökosystem womöglich unabänderlich eingegriffen werden.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass 110 Nobelpreisträger der Ansicht sind, dass der heftige Widerstand von Greenpeace unbegründet sei und eher großen Schaden anrichte. Demnach wäre die Aussaat verschiedener transgener Pflanzen aller Voraussicht nach ein kleinerer Eingriff in unser Ökosystem ist als die konventionelle Landwirtschaft, die Monokulturen und die Unmengen an Insektiziden und Herbiziden, die aktuell eingesetzt werden. Ob dadurch der Hunger bekämpft werden kann? Das kann niemand mit Sicherheit sagen.

Quellen: Spektrum, SWR2, Greenpeace, haz.

Zusatzinfo zum Artikel:

Der Begriff „Grüne Gentechnik“ klingt etwas irreführend. Der Zusatz „grün“ bedeutet lediglich, dass sich die Gentechnik auf Pflanzen bezieht. Ob dabei Pflanzen genetisch so modifiziert werden, dass sie mehr Vitamine oder Mineralstoffe enthalten, oder ob sie mittels Gentechnik resistent gegen Schädlinge oder Schädlingsbekämpfungsmittel gemacht werden, spielt keine Rolle.