Dicke Luft in Süddeutschland

Zu hohe Stickstoff-Belastung in Stuttgart

03. Feb. 2016 von

Diesel-Pkw-Verbot in Innenstädten und zu viel Ausstoß von öffentlichen Bussen: Das Umweltbundesamt zeigt sich besorgt über die zu hohen Stickstoffwerte in Stuttgart.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat das Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg beauftragt, die Belastung der Stuttgarter Luft mit Stickstoffdioxid zu messen. Das Ergebnis: Die Werte sind zu hoch. Hauptverursacher für die Verschmutzung sind Dieselfahrzeuge: Privatfahrzeuge und städtische Busse.

Was für Stuttgart gilt, muss aber nicht generell in anderen deutsche Städte so sein. Stuttgart ist auch als „deutsche Hauptstadt der Luftverschmutzung“ bekannt. Dort gefährden zu hohe Ozon- und Feinstaubwerte die Bevölkerung: Erhöhte Konzentrationen können Reizungen der Atemwege, Husten, Entzündungen der Lungen bis hin zu deutlichen Atembeschwerden wie zum Beispiel Asthma verursachen. Erhöhte Feinstaubkonzentrationen können auch Krebs verursachen.

Mobile Geräte für diverse Messstationen

Damit die Forscher herausfinden konnten, wie hoch die Verschmutzung an welchen Orten ist, hat das Heidelberger Institut ein mobiles NO2-ICAD Messgerät eingesetzt. Wie das Presseportal schreibt, kann man mit dem neuen mobilen Instrument vergleichsweise einfach präzise NO2-Messwerte an verschiedenen Orten erheben und somit das Bild der wahren Schadstoffbelastung vervollständigen.

In Stuttgart konnte dies an zwölf Orten durchgeführt werden und „dabei zeigen, dass die hohe Schadstoffbelastung in großen Bereichen der Innenstadt anzutreffen ist. Außerdem konnten mit dem System auch NO2-Emissionen von Fahrzeugen charakterisiert werden, die die Hauptverursacher dieser hohen Schadstoffbelastung darstellen“, sagt Denis Pöhl von der Universität Heidelberg dem Portal.

Dabei störte die deutsche Umwelthilfe besonders, dass insbesondere sensible Orten wie ein Krankenhaus, in Kindergärten und Schulen die Grenzwerte massiv überschritten wurden.

Überschreitungen der Werte in Stuttgart

Von Überschreitungen spricht man, wenn es an rund 60 Prozent aller verkehrsnahen Messstationen Überschreitungen des Grenzwerts von 40 µg/m³ (Mikrogramm/Kubikmeter) im Jahresmittel gibt.

In Stuttgart maßen die Wissenschaftler den Höchstwert von 126 µg/m³ am Hauptbahnhof. Besorgniserregend ist der gemessene Mittelwert von 106 µg/m3 am Katharinenhospital. Dieser lag somit höher als der am Neckartor mit 99 µg/m3. Deutlich zu hoch sind auch die gemessenen NO2-Werte mit 82 µg/m3 am Zeppelin Gymnasium, der Römerschule mit 65 µg/m3 sowie der Kindertagesstätte Lukas mit 63 µg/m3. Zusammenfassend ist deutlich zu sehen, dass die Jahresmittelwerte für die einzelnen Messorte deutlich höher als die erlaubten 40 µg/m³ sind – selbst unter Berücksichtigung der „saisonbedingten“ Luftverschmutzung.

Fahrverbote gefordert

Wie die DUH fordert auch das Umweltbundesamt (UBA) deshalb Fahrverbote für Dieselmotoren und generell mehr Elektromobilität. UBA-Präsidentin Maria Krautzberger sagt auf der Website umweltbundesamt.de: „Es müssen weiterhin Maßnahmen ergriffen werden, um die Ozonbelastung weiter zu verringern. Denn der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene Schwellenwert von 100 µg/m³ (im Mittel über acht Stunden) wird in Deutschland nicht flächendeckend eingehalten“, so Krautzberger. Auch der Oberbürgermeister von Stuttgart, Fritz Kuhn (Grüne), möchte ebenso ein Fahrerbot durchsetzen, resümiert aber, „dass die Autolobby dafür zu stark sei.“

Günstige Wetterlagen

Es gibt jedoch auch gute Nachrichten: Im Vergleich zu den vergangenen zehn Jahren ist 2015 eines der am geringsten belasteten Jahre gewesen, wie das Umweltbundesamt sagt. Dies liegt auch daran, dass extreme, feinstaubfördernde Wetterlagen ausgeblieben sind. Ziel ist weiterhin, die gesundheitsschädlichen Emissionen zu verringern.

Wie lösen andere Städte das Problem?

Andere Städte wie Paris, London oder Delhi sind kreativer mit ihren Maßnahmen zur Senkung der Emissionen: Paris verbannte 2014 für einige Zeit die Hälfte der Autos von den Straßen: An jeweils abwechselnden Tagen durften nur Autos mit geraden Autonummern fahren, an den anderen Tagen nur solche mit ungeraden Ziffern. London führte kurzerhand eine „Stauabgabe“ ein. Zahlen müssen alle, die wochentags mit dem Auto in die Innenstadt düsen. Besonders konsequent ist New Delhi: Die Stadt verbannte alle Taxis mit Dieselmotoren.

Die Deutschen sollen hingegen Eigenverantwortung übernehmen: Sie sollen sich dafür entscheiden, weniger Auto zu fahren und dafür mehr auf öffentliche Verkehrsmittel oder Fußverkehr zu setzen. Erst wenn das nicht klappe, müsse man sich weitere Maßnahmen überlegen. Besser sei es, den Bürger davon zu überzeugen, freiwillig einen Beitrag für weniger Autoverkehr zu leisten, sagen die Grünen, drohen aber gleichzeitig mit einem Fahrverbot ab 2018, wenn sich die Situation mit der Selbstverantwortung nicht verbessert.

Weitere Informationen

Dieser Link stellt ein kostenloses Booklet zum Download zur Verfügung. Es beinhaltet die Auswertung der Luftqualität des Jahres 2015 in Deutschland. Es basiert jedoch auf vorläufigen, noch nicht abschließend geprüften Daten aus den Luftmessnetzen der Bundesländer und des Umweltbundesamtes, Stand 20.01.2016. Den Bericht der Universität Heidelberg zu den stationären und mobilen NO2-Messungen in Stuttgart vom 24.01.2016 findest du hier.