Im Interview mit der „Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt“

Vegan leben: Für den Tierschutz und das Klima

04. März 2016 von

Vegan zu leben, bedeutet auf alle Produkte tierischen Ursprungs – sei es bei Lebensmitteln, Kosmetika oder Kleidung – zu verzichten. Wie sich die vegane Lebensweise auf Tierwohl und CO2-Bilanz auswirkt? Darüber haben wir mit Anne Bohl von der „Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt“ gesprochen.

Wenn man vegan lebt, was tut man konkret für Tierschutz?

„Veganismus ist eine Absage an das System. Menschen entscheiden sich damit konkret gegen schlechte Haltungsbedingungen und das Töten von Tieren. Und es geht hier eben nicht nur um den Fleischkonsum: Auch in der Eier- und Milchproduktion wird getötet. Bei Eiern hat man das Problem, dass die männlichen Küken getötet werden, weil sie keine Eier legen und keine effizienten Fleischlieferanten sind. Und bei der Milchproduktion ist das große Problem die Trennung von Mutterkuh und Kalb, um die Kuh melken zu können. Zudem werden auch dort häufig die männlichen Kälber getötet oder für die Kalbsfleischproduktion verwendet. Für viele Veganer ist deshalb vegetarisch nicht mehr der Ethik letzter Schluss.“

Also ist vegetarisch zu leben für den Tierschutz keine Alternative?

„Vegetarisch ist ein guter Zwischenschritt. Natürlich ist Ei- und Milchkonsum problematisch für die Tiere. Aber deshalb zu sagen, Vegetarier zu sein wäre sinnlos, bringt nichts und kann das Gegenüber demotivieren. Vegan zu leben ist eine Entwicklung – und jeder der bewusst isst, wendet sich gegen das blinde Konsumieren das gerade stattfindet. Das ist gut.“

Aber warum vegan? Ich kann doch in Bio-Qualität investieren und dann mit gutem Gewissen auch Fleisch konsumieren, oder?

„Biohaltung hat auf den ersten Blick einige Vorteile: Teilweise mehr Platz für die Tiere, oft Freigang. Aber die grundsätzlichen Probleme bestehen weiter. Natürlich gibt es Alternativprojekte, bei denen beispielsweise die männlichen Küken zur „Fleischgewinnung“ aufgezogen werden, oder es gibt die Mutterkuhhaltung, die Kälbchen etwas länger bei der Mutter bleiben lässt. In der Natur würde die Trennung natürlich passieren, aber so viel Zeit ist in der Tierhaltung leider gar nicht. Und letztlich wird auch auf einem Bio-Hof geschlachtet und in den meisten Fällen eben in den gleichen Schlachthöfen wie bei den „konventionellen“ Tieren. Und egal wie schön das Leben vorher war, das Ende ist dann doch ziemlich grausam. Das ist eine ehtische Frage mit der man sich auseinandersetzt.“

Vegan zu leben: Wie wirkt sich das auf den Ressourcenverbrauch aus?

„Sämtliche tierlichen Produkte sind sehr ressourcenintensiv in der Herstellung. Und auch wenn Tiere in der Massentierhaltung meist ein sehr kurzes Leben haben, nehmen vor allem die großen zunächst eine Menge Futter und Wasser zu sich, bevor sie als Fleisch auf unseren Tellern landen. Beispiel: Für die Gewinnung von einem Kilo Getreide braucht man rund 1350 Liter Wasser – die Produktion von nur einem Kilo Rindfleisch verbraucht allein etwa 15 000 Liter! (Anm. d. Red.: Das entspricht rund 107 Badewannen voll Wasser!) Und nicht nur Wasser wird bei der Tierhaltung verbraucht: Rund sieben Kilogramm Getreide werden für die Produktion von 1 kg Rindfleisch benötigt. Andere Schätzungen gehen sogar von bis zu 13 kg Getreide plus Grünfutter aus – je nach Berechnung. Vor allem das Thema Sojaanbau in Südamerika ist in diesem Zusamenhang auch ein Problem: Allein Deutschland beansprucht nach WWF-Hochrechnungen in Brasilien und Argentinien eine Sojaanbaufläche von 2,6 Millionen Hektar. Das entspricht in etwa der Fläche Brandenburgs bzw. Mecklenburg-Vorpommerns...“

Und wie beinflusst vegan zu leben den CO2-Verbrauch?

Bei den von den Menschen verursachten Treibhausgasen weltweit machen 14,5% die Tierhaltung, inklusive des benötigten Agrarsektors, aus. Im Vergleich dazu verursacht der Verkehrssektor „nur“ 14 %. Konkret hat zum Beispiel Butter eine sehr schlechte Klimabilanz: Die Herstellung von 1 kg Butter verursacht circa 23,8 kg CO2-Äquivalente, Biobutter etwa 22 kg pro Kilogramm. Bio schneidet aber übrigens nicht immer besser ab – laut Foodwatch hat die Herstellung von Bio-Rindfleisch nämlich eine schlechtere Klimabilanz als die von konventionellem Rindfleisch. Weiter muss auch die Gülle von Tieren entsorgt werden und was früher mal ein ganz gutes Düngemittel war, ist jetzt in der Masse ein Problem für das Grundwasser. Wenn man also mit dem Thema Tierwohl nichts anfangen kann, dann gibt es immer noch genug Gründe warum vegan doch wichtig ist.“

Jetzt gibt es Menschen die vegan leben und trotzdem eine schlechte CO2-Bilanz haben, weil sie beispielsweise importierte Tomaten aus Spanien kaufen oder Bio-Äpfel aus Italien. Gibt es da einen kleinen aber feinen Unterschied zwischen vegan und vegan?

„Diese kleineren Unterschiede spielen definitiv eine Rolle. Leute, die Bio-Produkte wählen, haben generell schon mal eine kleinere CO2-Bilanz, weil der Anbau schonender abläuft. Und dann gibt es natürlich noch Leute, die auf eine saisonale und regionale Küche achten und nicht fünf mal täglich eine Mango pürieren. Aber darüber lässt sich wohl endlos diskutieren. Auch hier gilt: Maßvoll und bewusst konsumieren ist der Schlüssel zum nachhaltigeren, veganen Leben. Das Problem ist, dass man sich in der Gesellschaft schon daran gewöhnt hat, alles immer verfügbar zu haben.“

Hat die Tat des Einzelnen denn dann überhaupt Gewicht in einem auf Konsum ausgelegten System?

„Je mehr Menschen sich für vegane Ernährung interessieren, desto weniger wird das System der Massentierhaltung und des Tötens für Fleisch unterstützt und Alternativen entwickeln sich. Außerdem wächst eben so auch der politische Druck, gesetzlich kleine Schritte in Richtung mehr Tierschutz zu gehen. Also ja, der Einzelne zählt.“

Letzte Frage: Auch wenn ich jetzt überzeugt bin vegan leben zu wollen, ist das überhaupt für jeden finanziell tragbar?

„Es gibt ganz tolle, in Deutschland hergestellte Fleischalternativprodukte, aber wenn man davon für jedes Familienmitglied täglich mehrere benötigt, dann hat man zunächst oft einen Berg an Plastikmüll und gleichzeitig eine höhere Rechnung. Aber dazu gibt es Alternativen: Man kann viel selber machen, Preise vergleichen, weniger konsumieren – das erfordert natürlich einiges an Planung! Und klar: Bio, saisonal, regional zu kaufen und auf faire Produktionsbedingungen zu achten, ist dann noch mal ein ganz anderes Thema. Das ist dann tatsächlich bei einem begrenzten Budget nicht immer drin. Aber vegane Ernährung ist per se nicht teurer als Mischkost ​- und viele Menschen setzen ganz automatisch ​nach einiger Zeit des „veganen Experimentierens“ neuePrioritäten, weil sie ​einfach ​Spaß am ​guten ​Essen gefunden haben.“