Schweizer Stiftung "Max Havelaar" wird kritisiert

Streit um neues Fairtrade-Label für Kleidung

05. Feb. 2016 von

Billige Arbeitskräfte, die 16 Stunden am Tag produzieren und uns aus leeren Augen entgegenblicken – möchten wir uns nicht ansehen, trotzdem aber billige Kleidung kaufen. Max Havelaar will ein faires Label, Experten kritisieren das Vorgehen jedoch.

Wann war schon wieder jener Augenblick, als die schrecklichen Arbeitsbedingungen in der Kleiderbranche prominent in den Fokus der Medien gerieten? Als die Aufnahmen der verschütteten Näherinnen und Arbeiter einer Fabrik aus Dhaka in Bangladesh um die Welt geisterten. 1100 Menschen starben bei dem Unfall, 2438 weitere wurden verletzt. Marken wie Benetton, C&A und Mango ließen in dieser Fabrik Kleider produzieren – zu offensichtlich menschenverachtenden Bedingungen.

Diesem Missstand möchte die internationale Fairtrade Organisation Max Havelaar eigentlich entgegenwirken und bemüht sich deshalb (seit 2005) um ein neues Fairtrade-Label, wie auf dem tagesanzeiger.ch nachzulesen ist. Dieses Label will sicherstellen, dass die Kleidung nicht nur unter fairen Bedingungen genäht worden ist, sondern Fairtrade-Standards bis über die Ladentheke eingehalten wurden.

Kritik am neuen Label

Ende März soll dieser Standard laut Claudia Brück, der Sprecherin der internationalen Fairtrade-Dachorganisation, vorgestellt werden. Kritisiert wird das neue Label von der international tätigen Clean Clothes Campaign (CCC). Die Vorwürfe sind recht umfassend und beginnen damit, dass es sich bei Fairtrade-Labels lediglich um Produktlables handelt, die zwar bei nicht weiterverarbeiteten Produkten wie Mangos funktionieren, nicht aber bei Artikeln, die mehrere Produktionsstadien durchlaufen müssen.

In diesem Fall seien zeit- und kostenintensive, umfassende Kontrollen nötig, die aus diesem Grund auch oft scheitern können. Zudem sorgt der Ansatz eines Produktlabels dafür, dass Firmen nicht ihre ganze „Geschäftsethik“ auf Fairtrade umstellen, sondern lediglich ausgewählte Produktionsmaterialien. Ein Unternehmen kann also beispielsweise ein Shirt fair produzieren, gleichzeitig aber auch Hosen, die nicht den fairen Kriterien entsprechen.

Warum Fairtrade-Kleidung kaufen?

Können wir wirklich den Menschen in der „dritten Welt“ helfen, indem wir bestimmte Sachen kaufen und andere nicht? Ja, denn auch die Kleiderbranche folgt den Gesetzen der freien Marktwirtschaft. Das heißt, dass das Nachfrage das Angebot bestimmt. Das heißt, dass wir ausbeuterischen Verhältnissen in ärmeren Ländern entgegenwirken können, indem wir bestimmte Kleidung und Marken nicht mehr kaufen, andere hingegen schon.

Es ist bestimmt ein Schritt in die richtige Richtung, wenn man sich informiert, wo die Lieblingskleider herkommen. Wenn wir Fairwear kaufen, dann sorgen wir dafür, dass Arbeiterinnen und Arbeitern vor Ort unter menschenwürdigen Bedingungen und für faire Gehälter arbeiten können.

Wenn wir also Unternehmen unterstützen, die fairen Handel betreiben oder Kleider mit Labels wie dem von Max Havelaar Havelaar kauft, dann ist garantiert, dass der Rohstoff, der für das Kleidungsstück verarbeitet wurde, unter fairen Bedingungen verarbeitet wurde. „Fair“ bedeutet in Zusammenhang mit Max Havelaar, dass die Produzenten kostendeckend bezahlt werden, ihre Produkte (möglichst) umweltschonend herstellen und sie für interne Umwelt- oder Sozialprojekte eine Prämie erhalten.

Die Suche nach fairer Kleidung

Anscheinend ist es gar nicht so einfach, im Fachhandel ein wirklich fair produziertes Shirt zu finden. Der Tagesspiegel hat ein Experiment in Berlin gestartet und eine Reporterin losgeschickt. Sie fand heraus, dass es schon bei den Angaben zum Herkunftsland undurchsichtig wird: „Wenn im T-Shirt ’Made in Italy’ steht, heißt das noch lange nicht, dass das Hemd dort produziert wurde. Manchmal seien nur die Knöpfe in diesem Land angenäht worden“, liest sich im Bericht. Generell kann aber man davon ausgehen, dass Kleider aus der EU, beispielsweise aus Portugal oder Griechenland, zu fairen Arbeitsbedinungen und Löhnen produziert werden. Zu 100% in Deutschland stellen beispielsweise Firmen wie Trigema oder Manorama ihre Kleidung her.

In Sachen Siegeln oder Labels fand auch die Reporterin eher dürftige Alternativen zur Massenware: Neben Fairwear gibt’s es noch GOTS (ein Siegel, dass bessere Arbeitsbedingungen garantieren soll), aber lediglich ein kleiner Teil der Branche beteiligt sich daran.

Fündig auf der Suche nach einem fair produzierten T-Shirt wurde sie im Naturkaufhaus an der Schloßstraße. Dort gebe es eine beachtliche Auswahl an GOTS-Mode, zum Beispiel der zertifizierten Marke Lanius oder Lana. Und wer nicht in Berlin shoppen kann, darf sich online austoben!