Biologischer Pflanzenschutz

Statt Pestiziden: Forscher wollen Immunsystem für Pflanzen kultivieren

24. Juni 2016 von

Die ständige Diskussion um chemische Gifte wie Glyphosat zeigt, dass es der Agrarindustrie offensichtlich noch nicht gelungen ist, ein effektives Pflanzenschutzmittel auf biologischer Basis zu entwickeln. Wissenschaftler haben jetzt aber einen neuen Ansatz gefunden: Ihren Forschungen nach verfügen Pflanzen über ein Immunsystem und können mit Mikroorganismen widerstandsfähiger gemacht werden.

Schon 1931 stellte der Mikrobiologe A. W. Henry fest, dass Organismen im Boden Wurzelfäule-Erreger vernichten können. Wie genau die Kleinstlebensformen die Pflanzen unter der Erdoberfläche schützen, ist Experten bislang allerdings ein Rätsel. Möglicherweise haben der Niederländer Jos M. Raaijmakers und sein Team vom Netherlands Institute of Ecology in Wageningen nun eine Antwort auf die Frage gefunden.

Doppeltes Immunsystem

Sie gehen davon aus, dass Pflanzen (ebenso wie Tiere und Menschen) ein allgemeines und ein spezifisches Immunsystem entwickelt haben. Der universelle Schutz geht eindringende Krankheiterreger direkt mit allem an, was zur Abwehr bereitsteht.

Im Gegensatz dazu lernt das zweite System, wie es auf bestimmte Keime reagieren muss, um sie effizient zu bekämpfen. Dadurch verlängert sich der Zeitraum der Erstabwehr zwar, doch wenn der gleiche Erreger noch einmal angreift, kann das Immunsystem direkt auf die geeigneten Mittel zurückgreifen.

Externer Schutz durch Bodenorganismen

Während sich diese beiden Immunsysteme bei uns und bei Tieren im Köper bilden, haben Pflanzen nach Meinung der Wissenschaftler ihre Abwehrmechanismen quasi ausgegliedert. Im Fachjournal Science erklären sie, dass Gewächse ihren Untersuchungen zufolge Bodenorganismen zur Verteidigung nutzen.

Die Mikroorganismen, die sich in unmittelbare Nähe ihrer Wurzeln befinden, bildeten eine Art Mikrobiom. Ähnlich wie Darmbakterien und die Hautflora uns gesund halten, schütze die Symbiose der Bodenbakterien die Pflanzen vor Krankheiten.

Suche nach der richtigen Kombination

Ist es also möglich, durch das Ausstreuen von Erde mit bereits kultivierten Organismen oder einem „Impfstoff“ in Form von abgeschwächten Erregern, Pflanzen zu festigen? Eigentlich schon, meinen die Experten. Doch das Leben im Boden ist offenbar zu komplex, um schon bald derartige Methoden zum Pflanzenschutz einsetzen zu können.

Mark Mazzola, Pflanzenpathologe und Co-Autor des Science-Artikels, sagt gegenüber dem Houston Chronical: „Wir begreifen noch nicht vollständig, was das Mikrobiom ist und was es tut.“ Man habe schon Erfolge erzielt, aber es seien nur sehr wenige gewesen.

Weil es „mehrere Mitspieler“ gebe, müsse für jede Pflanzengattung eine Mixtur aus speziellen Mikroorganismen kombiniert werden. Nur sie könnten ein passendes Immunsystem bilden. Das Finden dieser Verbindungen soll sich jedoch diffiziler gestalten als vermutet.

Auf dem Weg zum giftlosen Pflanzenschutz?

„Sollte es aber irgendwann gelingen, das passende Mikrobiom für Weizen, Reis, Kartoffeln oder andere Ackerpflanzen zu entwickeln, könnten die Landwirte es als eine Art Naturdünger auf ihre Böden aufbringen und auf Pestizide verzichten“, fasst Die Welt die Ergebnisse der Studien von Raaijmakers und seinen Mitarbeitern zusammen.