Gesundheit

So gefährlich ist Alkohol während der Schwangerschaft wirklich!

16. Apr. 2015 von

Sind Babys bereits im Mutterleib Alkohol ausgesetzt, starten sie oft in ein schweres Leben. Experten warnen: Viele Schwangere unterschätzen die Gefahren des Trinkens während der Schwangerschaft!

Alkohol ist in unserer Gesellschaft allgegenwärtig: Das obligatorische Feierabendbier, der Sekt am Firmen-Apéro oder das Glas Rotwein am Abend zum Entspannen. Auch für manche Schwangere ist es schwierig, sich diesen Verführungen zu entziehen. Aktuelle Untersuchungen des Robert-Koch-Instituts zeigen, dass jede fünfte schwangere Frau nicht konsequent auf Alkohol verzichtet. Das kann damit zusammenhängen, dass sie sich den effektiven Gefahren von Alkoholgenuss während der Schwangerschaft nicht wirklich bewusst sind. Tatsächlich trinkt der Fötus nämlich jeden Schluck mit.

Folgeschäden werden unterschätzt

Alkoholkonsum während der Schwangerschaft kann massive Folgen für das Kind haben. Bereits geringste Mengen Alkohol, ab etwa der dritten Schwangerschaftswoche, können zu vermeidbaren Störungen beim Kind führen. Deshalb sollte eine Schwangere spätestens, wenn sie weiß, dass sie schwanger ist, keinen Alkohol mehr trinken, raten Ärzte. Die Liste mit möglichen Schäden ist lang und reicht von späteren kognitiven Störungen – zum Beispiel Probleme mit dem Erinnerungsvermögen oder sprachliche Beeinträchtigungen – über Verhaltensauffälligkeiten wie Aggression bis hin zu Wachstumsstörungen, Fehlbildungen im Gesicht und missgebildeten inneren Organen.

Jährlich geschätzt 10'000 Neugeborene zeigen einzelne Anzeichen von Schädigungen durch Alkoholkonsum während der Schwangerschaft die Dunkelziffer dürfte nochmals massiv höher liegen. Von den bekannten Fällen kommen mehr als 200 Kinder mit einem Vollbild des so genannten Fetalen Alkoholsyndroms, kurz FAS, zur Welt – ebenfalls die Folge von stärkerem Alkoholkonsums. Diese Kinder sind noch relativ leicht zu diagnostizieren, bei ihnen sind neben dem Gehirn auch Gesicht und Wachstum betroffen. Die Lidspalte ist zu kurz und das Oberlippenrot zu schwach. Sie sind im Vergleich mit anderen Neugeborenen zu klein und zu leicht, die Mädchen legen in der Pubertät dann eher an Gewicht zu.

Besonders gravierend sind Probleme des Zentralnervensystems, die dazu kommen. Das Gehirn wächst nicht richtig, folglich auch der Schädel nicht. Die Betroffenen haben Schwierigkeiten, aufmerksam zu bleiben und haben eine schlechte Planungsfähigkeit. Schwieriger wird die Diagnose, wenn sich die Folgen von Alkoholkonsum während der Schwangerschaft nur in einzelnen Symptomen zeigen. Diese leichten bis schwereren Schäden fassen Mediziner als Alcohol Spectrum Disorder – kurz FASD – zusammen. Diese Beschwerden können sehr unterschiedlich geprägt sein, weshalb die Krankheit oft erst sehr später oder gar nicht erkannt wird. Dazu kommt, dass betroffene Eltern oft Hemmungen haben, einen Verdacht auf solche Störungen bei ihren Kindern überhaupt zu äußrn – was ebenfalls zur Nicht-Diagnose führen kann.

Bessere Aufklärung nötig

Diese Probleme betreffen keinesfalls nur Kinder aus sozial schwierigen Familien. Das Trinkverhalten von Frauen mit hohem gesellschaftlichen Ansehen, guten Jobs und akademischem Bildungshintergrund ist genau so oft problematisch wie das von Frauen aus niedrigeren sozialen Schichten. Abhilfe schaffen könnte mehr und bessere Aufklärung über die Gefahren und Folgen von Alkoholkonsum während der Schwangerschaft.

Laut einer aktuellen Untersuchung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung Deutschland wissen 44 Prozent der deutschen Bevölkerung nicht, dass Alkoholkonsum während der Schwangerschaft zu bleibenden und schwerwiegenden Schäden für das Kind führen können. Das ist eine beängstigend hohe Zahl. Schuldzuweisungen an Mütter bringen jedoch nichts, zumeist haben Betroffene bereits von sich aus extreme Schuldgefühle.

Eine konkrete Diagnose ist jedoch notwendig, damit die betroffenen Kinder und Jugendlichen im Alltag entsprechend betreut und gefördert werden können. Amerikanische Studien haben ergeben, dass nur etwa ein Drittel der Kinder fähig ist, als Erwachsener komplett selbstständig leben zu können. Viele Obdachlose leiden unter FASD, sie brauchen einen Vormund, jemand der sie bei Behördengängen begleitet und ihnen den Umgang mit Geld zeigt und sie dabei unterstützt.

Betroffenen sieht man mitunter nicht an, dass die einen grossen Hilfebedarf haben. Es gibt auch Erwachsene mit FASD, die ihr Umfeld durch ihr Auftreten derart blenden können, ohne ihre wahren Probleme zu zeigen. Oft werden sie zunächst überschätzt, fliegen auf dem Arbeitsmarkt aber bald auf.

Schwieriger Start ins Leben

Bereits als Kinder haben Betroffene oft Mühe, die einfachsten Alltagsaufgaben zu meistern: Sie können sich schlecht orientieren, werden schnell und unerklärlich wütend und richten ihre Aggression gegen andere – kämpfen etwa vermehrt und übertrieben mit anderen Kindern oder werfen Steine nach Tieren. Die Wut richtet sich aber auch gegen die Eltern, sie werden belogen oder beklaut, ohne dass die Kinder ihren Fehler verstehen oder eingestehen können. Es fällt ihnen schwer, Emotionen oder Mitgefühl zu zeigen.

Als Teenager haben einige Betroffene die Tendenz, von zuhause auszureissen. Junge Frauen mit FASD werden nicht selten zu Opfern von sexueller Gewalt. Sie sind – wie übrigens auch die männlichen Betroffenen – zu naiv und gutgläubig und daher leicht auszunutzen. Es ist daher enorm wichtig, betroffene Kinder und Jugendliche gezielt zu fördern und zu unterstützen, besonders was die Persönlichkeitsentwicklung betrifft. Ergotherapie, Sprachtherapie, Medikamente bei Aufmerksamkeitsstörungen und vor allem die Vermeidung von Überforderungssituationen im Alltag und in der Schule sind wichtig. Kinder mit FASD sollten wann immer möglich in einem stabilen und gesunden Umfeld, ohne Gewalt und ständigem Wechsel der Bezugsperson aufwachsen.