Nahrung vor der Tonne retten

Lebensmittel: Neues „Verbrauchsverfallsdatum“ geplant

15. Juli 2016 von

Viele Verbraucher glauben, dass Lebensmittel mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum nicht mehr essbar sind und werfen sie unnötigerweise einfach weg. Deswegen soll bald auch das Verbrauchsverfallsdatum auf Verpackungen gedruckt werden. Wo liegt der Unterschied zwischen den beiden Zeitangaben?

Der Bundesregierung zufolge landen jedes Jahr über elf Millionen Tonnen Nahrung in deutschen Mülltonnen. Ein nicht unwesentlicher Teil davon könnte eigentlich noch ohne Probleme gegessen werden, weil lediglich das Haltbarkeitsdatum überschritten ist. Das deutet auf ein schwerwiegendes Missverständnis hin: Die Konsumenten scheinen das Mindesthaltbarkeitsdatum mit dem Verfallsdatum zu verwechseln.

„Mindestens haltbar bis ...“

Zum Verständnis: Das EU-Recht schreibt die Kennzeichnung verpackter Lebensmittel mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) vor. Es gibt an, bis zu welchem Zeitpunkt das ungeöffnete und sachgerecht gelagerte Lebensmittel ohne wesentliche Geschmacks- und Qualitätseinbußen sowie gesundheitliches Risiko verzehrt werden kann.

Das bedeutet explizit nicht, dass es danach verdorben ist. Häufig ist die Nahrung auch Tage oder Wochen nach Ablauf des MHD noch genießbar. Vor dem Essen ist es jedoch sinnvoll, das geöffnete Produkt mit den Augen, der Nase und der Zunge zu überprüfen. Sieht das Produkt nach dem Auspacken wie üblich aus, reicht es normal und schmeckt bei vorsichtigem Probieren nicht ungewöhnlich, sollte der Verzehr risikolos möglich sein.

„Verbrauchen bis ...“

Das Verbrauchsdatum dagegen steht für den letzten Tag, an dem ein Lebensmittel verwendet oder verspeist werden kann. Nach diesem Datum gehört es in den Abfall, weil sich durch mikrobiologische Prozesse Krankheitserreger bilden können und eine Gesundheitsgefährdung etwa durch eine Lebensmittelvergiftung dann nicht mehr auszuschließen ist. Deswegen darf ein Nahrungsmittel nach Ablauf dieses Tages nicht mehr verkauft werden.

Laut Gesetz ist bei „sehr leicht verderblichen Lebensmitteln, die nach kurzer Zeit eine unmittelbare Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen könnten“, das Verbrauchsdatum anstelle des Mindesthaltbarkeitsdatums anzugeben. Auf den Verpackungen dieser Produkte müssen außerdem die Angabe „verbrauchen bis …“ und die Lagerbedingungen zu finden sein.

Schmidt stellt Reform in Aussicht

Bislang werden vor allem Fleischprodukte, geräucherter Fisch und Salate mit einem Verbrauchsdatum gekennzeichnet. Nun will Bundesernährungsminister Christian Schmidt einen Schritt weiter gehen: In einem Interview mit der Rheinischen Post kündigt der CSU-Politiker die Einführung eines „Verbrauchsverfallsdatums“ an. Das soll zusätzlich zum MHD auf den Produkten, die kein Verbrauchsdatum tragen müssen, vermerkt werden.

Mit Hilfe der Kennzeichnung sollen Verbraucher „einen Korridor erkennen können zwischen Mindesthaltbarkeit und dem tatsächlichen Verfall eines Produkts“, so Schmidt. Im Gegenzug will er für Lebensmittel wie Nudeln oder Kaffee, „die im Grunde nicht schlecht werden,“ das Haltbarkeitsdatum auf der Verpackung abschaffen.

Zukunftsmusik

Ziel dieser Reform sei es, die Zahl der weggeworfenen Lebensmittel bis 2030 zu halbieren. Dabei wären zum Beispiel auch „sensitive Folien auf den Deckeln von Joghurtbechern nützlich, die farblich anzeigen, ob das Produkt noch genießbar ist oder nicht.“ Für die Entwicklung solcher und anderer intelligenter Verpackungen will das Ernährungsministerium rund zehn Millionen Euro zur Verfügung stellen.

Lob und Kritik

Schmidts Pläne stoßen auf ein geteiltes Echo: Verbraucherschützer stehen dem Vorhaben ebenfalls eher positiv gegenüber. Sie hoffen allerdings, dass durch die intelligenten Verpackungen kein Elektroschrott entsteht. Denn dann, so eine Sprecherin der Verbraucherzentrale Hamburg zu Zeit Online, „wäre man deutlich über das Ziel hinausgeschossen.“

Kritiker wie Nicole Maisch von den Grünen weisen aber darauf hin, dass der Großteil des Lebensmittelmülls Produkte ohne Mindesthaltbarkeitsdatum seien. Ohnehin würden nur wenige glauben, dass Lebensmittel nach dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums nicht mehr verzehrbar seien, sagte Maisch der Nachrichtenagentur AFP.