Dreiste Werbelügen

Lebensmittel-Lobby verfälscht eigene Studienergebnisse

05. Nov. 2014 von

Eigentlich soll das Lebensmittelrecht uns Konsumenten vor schlechtem Essen schützen. Jedoch beeinflussen mächtige Lobbyisten die Politik und wehren sich gegen mehr Transparenz.

Wie die Verbraucherschutzorganisation foodwatch heute in einer Pressemeldung bekanntgab, hat der Lobbyverein „Die Lebensmittelwirtschaft“ die Ergebnisse seiner heute veröffentlichten Studie zum „Verbraucherverständnis von Transparenz“ grob verfälscht. So hat der Lobbyverein einige wesentliche Ergebnisse in dem Bericht unterschlagen, andere veröffentlichte Ergebnisse wiederrum sind durch die Studienergebnisse nicht gedeckt oder wurden gar ins Gegenteil verzerrt.

Udo Bode, Gründer von foodwatch, wirft der Lebensmittel-Lobby vor, sich bewusst gegen schärfere Kontrollen einzusetzen und damit den Konsumenten zu schaden.

foodwatch stellt klar

Falschaussage 1

„Die Mehrheit [der Konsumenten] nutzt die existierenden Informationen [auf Lebensmitteln] nicht oder kaum“.

Richtig ist aber: Der Studie des Vereins zufolge gaben 90 Prozent (!) der Verbraucher an, vor dem ersten Kauf eines Produktes die Informationen auf der Verpackung „gelegentlich“, „oft“ oder sogar „immer“ durchzulesen; nur 10 Prozent der Verbraucher tun dies „selten“ oder „nie“. In seiner Präsentation betont Studienautor Prof. Dr. Achim Spiller, anders als der Auftraggeber "Die Lebensmittelwirtschaft", deshalb auch „hohe Informationsbedürfnisse“ der Verbraucher (Folien 10, 20).

Falschaussage 2

„Laut Studie fordern 77 Prozent der Verbraucher keine zusätzlichen oder umfangreicheren Informationen aktiv ein“.

Richtig ist, aber unerwähnt bleibt: 92,4 Prozent (!) der Befragten stimmen in der Studie der Aussage „Es sollten mehr Informationen über Lebensmittel zur Verfügung stehen“ voll und ganz, eher oder teils/teils zu. Nur knapp 8 Prozent der Befragten stimmen dieser Aussage „gar nicht“ oder „eher nicht“ zu (Folie 13 in der Präsentation).

Falschaussage 3

Nicht erwähnt wird ein weiteres Kernergebnis der Studie: Nur 3,3 Prozent (!) der Befragten geben an, der Lebensmittelindustrie „voll und ganz“ zu vertrauen, nur weitere 11 Prozent vertrauen der Industrie „eher“. Das sind die mit Abstand schlechtesten Werte in der Befragung (zum Vergleich: den Verbraucherzentralen vertrauen 23,5 Prozent voll und ganz, 47 Prozent eher; Folie 12 in der Präsentation).

Bedenklich

„Der Umgang mit der eigenen Studie zeigt erschreckend klar, welch gestörtes Verhältnis weite Teile der Lebensmittelwirtschaft zu Transparenz und Wahrheit haben“, so foodwatch-Sprecher Martin Rücker. „Ganz bewusst vermischt die Lebensmittelwirtschaft Werbebotschaften mit objektiver Information: Auf den meisten Lebensmitteletiketten lässt sich die Anzahl neutraler Informationen an einer Hand abzählen. Der von der Lebensmittelwirtschaft beklagte ‚Overkill‘ kommt durch das Übermaß an Werbebotschaften, nichtssagenden Siegeln und sinnfreien Qualitätsversprechen zustande. Es ist kein Wunder, dass diese oft verzerrenden Pseudo-Informationen die Kunden nerven und überfordern.“

Konsumenten wünschen mehr Transparenz

Ende August 2014 hatte das Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid eine bevölkerungsrepräsentative Umfrage im Auftrag von foodwatch durchgeführt.

Ergebnisse dieser Befragung:

  • 69 Prozent der Verbraucher wünschen sich mehr Informationen über Lebensmittel direkt auf der Verpackung.- Vor allem Informationen über die Herkunft der wichtigsten Zutaten sind für 88 Prozent der Verbraucher wichtig - bei den meisten Lebensmitteln müssen hierzu keine Angaben gemacht werden.
  • 74 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, dass es „sehr schwierig“ sei, die Qualität von Lebensmitteln anhand der Angaben auf der Verpackung richtig zu beurteilen.