Gesundheit

Fehlende Lebensmittelkontrollen

17. Okt. 2014 von

Kriminelle haben es zu einfach: Ein durchgängiges Prüfungs- und Kontrollsystem für Lebensmittel gibt es nicht. Konsumenten schauen machtlos zu, wie sich ein Skandal an den nächsten reiht.

Lediglich 2.500 amtliche Lebensmittelkontrolleure ziehen durch Deutschland und haben mehr als eine Million Einrichtungen zu überwachen. Es herrscht Personalmangel! Die Arbeit der wenigen Kontrolleure scheint fast vergebens.

„Löchrig wie ein Schweizer Käse“, sei das deutsche Kontrollsystem, befand die Online-Ausgabe des „Stern“ im März 2010. Erschwerend kommt in Zeiten der Globalisierung hinzu, dass die einzelnen Schritte der Zulieferkette immer undurchsichtiger werden. Das macht es schwarzen Schafen in der Lebensmittelindustrie viel zu leicht.

Lebensmittelskandale der jüngeren Zeit

Der Pferdefleisch-Skandal

Anfang 2013 kam es ans Licht: In Millionen Fertiggerichten steckt nicht drin, was auf der Packung steht. In Produkten wie Tiefkühl-Lasagne oder Gulasch war statt Rindfleisch Pferd enthalten. Produkte mit Pferdefleisch tauchten in mehreren europäischen Ländern und bei zahlreichen Supermarktketten auf.

EHC-Sprossen

Zwischen Mai und Juli 2011 erkrankten mindestens 3.840 Menschen in Deutschland an einer Infektion mit dem gefährlichen Darmkeim EHEC. 53 Menschen starben deutschlandweit an den Folgen dieser Erkrankung. Für die Bundesregierung stand die Ursache „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ fest: Bockshornkleesamen aus Ägypten, die von einem niedersächsischen Betrieb gekeimt und als Sprossen in Verkehr gebracht worden waren. Doch foodwatch warnt, es gäbe bis heute keine Belege, die den Hergang des Geschehens zweifellos erklären können.

Dioxin-Eier

Im Januar 2011 mussten wegen stark dioxinbelastetem Legehennenfutter aus Niedersachsen fast 5.000 landwirtschaftliche Betriebe vorübergehend geschlossen werden. Dioxine sind giftig und zum Teil krebserregend. Auslöser für den bisher größten Dioxin-Skandal in Deutschland war mit Dioxin belastetes Futteröl der Firma Harles & Jentzsch. Ohne Konsequenzen für die beiden ehemaligen Geschäftsführer. Im Juli 2014 wurde das Verfahren gegen sie endgültig eingestellt.

Geflügelfleisch aus Brasilien

2005 wurden mehr als 120.000 Tonnen Geflügel aus Brasilien nach Deutschland importiert. Im brasilianischen Geflügelfleisch fanden Lebensmittelkontrolleure die Antibiotika Nitrofuran und Chloramphenicol, zwei Substanzen, die als karzinogen wirksam gelten. Die Qualitätskontrollen für Hähnchenfleisch in Brasilien gelten unter Fachleuten als extrem undurchsichtig.

Kontrollwüste Deutschland

Auch Experten betonen die prekäre Situation in Deutschland. „Nur 60 Prozent der Betriebe werden einmal jährlich kontrolliert, die übrigen 40 Prozent deutlich seltener“, räumte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in einer Stellungnahme ein. Vor allem der Vergleich zu unseren skandinavischen Nachbarländern enthüllt die schlechten deutschen Zustände: „In Dänemark wurden im Jahr 2008 von rund 350 staatlichen Lebensmittelkontrolleuren rund 70.000 Kontrollen bei 53.000 Betrieben durchgeführt. Allein in Berlin gibt es 54.000 Betriebe, für die 60 Kontrolleure zuständig sind,“ so der DIHK.

Mehr Schein als Sein, so könnte man die derzeitige Lebensmittelüberwachung in Deutschland zusammenfassen. Denn theoretische Forderungen gibt es zu genüge. Doch damit „regelmäßig und einheitlich die geltenden Bestimmungen vollzogen werden können und die Kontrollzyklen bundesweit einheitlich erfolgen“, ist eine Aufstockung der Lebensmittelkontrolleure erforderlich, wie der DIHK feststellt. Auch auf der Internetseite des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), erfährt man viel über die theoretisch wirksamen Kontrollen des Systems - und noch viel mehr über dessen Defizite.

Studie deckt Missstände auf

„Risiken managen – Verbraucher schützen“, betitelt das Bundesamt sein Kontrollsystem. Doch ausgerechnet ein amtliches Projekt verdeutlicht, wie wirkungslos die deutsche Lebensmittelüberwachung für den einzelnen Verbraucher ist. Im Rahmen des „bundesweiten Überwachungsplans 2012“ wurden rund 400 000 Lebensmittelproben entnommen und kontrolliert. So sollte erforscht werden, inwieweit das bestehende Kontrollsystem der Bundesrepublik gesundheitsgefährdende Risiken aufdecken kann. Die Ergebnisse waren ernüchternd!

Die Forscher wollten zum einen herausfinden, ob bestimmte Azofarbstoffe in Süßwaren, Speiseeis, Backwaren und nicht-alkoholischen Getränken durch bestehende Kontrollmechanismen erkannt werden können. Die Farbstoffe stehen in Verdacht die Aufmerksamkeit und Aktivität von Kindern zu beeinflussen. Deshalb müssen die Substanzen theoretisch vom Hersteller deklariert werden, was praktisch aber in vielen Fällen nicht geschieht. Um die Tragweite der Belastung mit Azofarbstoffen festzustellen, entnahmen die Forscher 863 Proben aus Supermärkten in 13 Bundesländern.

Und das Untersuchungsergebnis ist alarmierend: Nahezu ein Viertel aller Proben waren mit den gesuchten Azofarbstoffen versehen – zudem war keine entsprechende Deklaration für den Verbraucher vorhanden.

Gesetzte werden nicht befolgt

Offensichtlich war die geltende Rechtslage im Untersuchungszeitraum auch fast zwei Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 über Lebensmittelzusatzstoffe noch nicht vollständig umgesetzt. Viel zu wenig Kontrolleure und nutzlose Paragraphen, solche Zustände verunsichern die Verbraucher.

Viele versuchen große Handelsketten zu vermeiden und beispielsweise beim Bäcker um die Ecke einzukaufen. Doch klein und persönlich heißt nicht immer ehrlich. Denn nicht nur im Supermarktregal, sondern auch beim Bäcker, oder der Eisdiele um die Ecke können gesundheitliche Gefahren lauern. So offenbarte die Studie, dass 65 Prozent aller untersuchten Backwaren in Bäckereien die gefährlichen Azofarbstoffe enthielten. Deklariert waren sie wieder einmal kaum.

Der scheinbar weit verbreitete Trick die problematischen Substanzen gar nicht erst aufzuführen, ist zwar verboten, aufgrund der fehlenden Kontrollmöglichkeiten des Gesetzgebers aber gang und gäbe. Viele Hersteller wissen: Die Chancen stehen hoch, niemals erwischt zu werden.

Wer auf Nummer sicher gehen will, entscheidet sich für Bio-Produkte. Diese unterliegen europaweit gültigen Verordnungen: