Bestechung, Gentechnik, Pflanzengifte

Ein Portrait der wohl unbeliebtesten Firma der Welt

31. Mai 2016 von

Wenn es eine Auszeichnung für das Unternehmen mit dem weltweit schlechtesten Ruf gäbe, wäre Monsanto in den letzten Jahren klarer Favorit gewesen. Das Unternehmen hat Niederlassungen in 61 Ländern, insgesamt etwa 21.000 Mitarbeiter und produziert gentechnisch verändertes Saatgut sowie umstrittene Pflanzenschutzmittel. Aber warum laufen so viele unterschiedliche Menschen, Organisationen und Initiativen Sturm gegen diese Firma? Was steckt hinter dem kollektiven Hass auf Monsanto?

Ein bisschen Unternehmensgeschichte …

1901 gründete der Amerikaner John Francis Queeny die Firma Monsanto Chemical Works mit einem festen Angestellten. Die Firma sollte den Zuckerersatzstoff Saccharin herstellen. Rund vier Jahre später produzierten bereits drei Angestellte Saccharin, Vanillin und Koffein. In den nächsten Jahren stieg der Umsatz der kleinen Firma stark an, so dass 1927 der Börsengang erfolgte. Ein Jahr später übernahm der Sohn Queenys die Unternehmensleitung.

Bis in die 60er Jahre reines Chemieunternehmen produzierten die Mitarbeiter bei Monsanto in der Folge jahrelang DDT, ein seit den 70er Jahren beinahe überall verbotenes, sehr wirksames Insektizid, das sich im Gewebe von Menschen und Tieren ablagert und in Untersuchungen unter anderem mit Krebs in Verbindung gebracht wurde. Auch PCB, krebsauslösende, giftige Chlorverbindungen, wurden bis 1977 dort hergestellt. PCB gehören zum so genannten „Dreckigen Dutzend“ – 12 organische Giftstoffe, die seit dem Stockholmer Übereinkommen von 2001 weltweit verboten sind.

In den 60er Jahren richtete sich das Unternehmen neu aus und ließ das Chemical Works im Namen zugunsten von Monsanto Company fallen. Mit der intensiveren Forschung zu Saatgut wurde der landwirtschaftliche Sektor ausgebaut. 2000 spaltete man den Konzern auf und die Chemieherstellung ab, um sich nur noch auf die Landwirtschaft zu konzentrieren.

Monsanto & die Gentechnik

Seit gut 20 Jahren verkauft Monsanto nun gentechnisch verändertes Saatgut und zwar meist im Paket mit dem passenden Unkrautvernichtungsmittel. Das von Monsanto vertriebene Saatgut – vor allem Mais, Soja, Zuckerrüben und Baumwolle – wird genetisch so angepasst, dass es gegen das ebenfalls von der Firma entwickelte Herbizid resistent ist.

Das bedeutet, nach der Aussaat kann das Unkrautvernichtungsmittel einfach auf die Felder gebracht werden. Es überleben lediglich die gewünschten Saatpflanzen. Die aktuell vertriebenen Herbizide von Monsanto, z.B. das erfolgreiche RoundUp, enthalten Glyphosat – eine Substanz, die ebenfalls unter dem Verdacht steht, Krebs auszulösen.

Das Saatgut von Monsanto steht unter Patentschutz sowie unter strengen, die Verwendung regelnden Lizenzen. Beides zusammen soll sicherstellen, dass die Bauern weiterhin regelmäßig Monsanto-Produkte kaufen. Der derzeitige Jahresumsatz des Unternehmens liegt bei 14 Milliarden US-Dollar. Ein aktuelles Übernahmeangebot des Industrieriesen Bayer für 62 Milliarden Dollar lehnte Monsanto vor wenigen Tagen als „zu niedrig“ ab.

Böse, böser, Monsanto?

„Monsanto hat es geschafft, zur unbeliebtesten Firma der Welt zu werden“, heißt es in einem Audio-Beitrag der ARD. Einmal im Jahr protestieren Menschen auf allen Kontinenten gegen das Unternehmen. Sie nennen die Demonstrationen den „Marsch gegen Monsanto“. Die Liste der Vorwürfe gegen die Firma ist lang: Monsanto soll die Landwirte mit den strengen Lizenzvereinbarungen unterdrücken und ihnen z.B. verbieten, aus der Saat eigene Kulturpflanzen für die Aussaat im nächsten Jahr zu gewinnen. Verstrickungen mit der Politik und Bestechungsgelder im großen Stil werden dem Unternehmen genauso vorgeworfen wie die wissentliche Vergiftung von Menschen durch ihre Produkte (und die Abfallprodukte bei der Herstellung).

Als führendes Unternehmen für genetisch verändertes Saatgut hat Monsanto bereits heute quasi ein Marktmonopol. Vor einer solchen Machtkonzentration im Lebensmittelsektor hatten Organisationen wie Greenpeace schon vor mehr als einem Jahrzehnt gewarnt. Dennoch strebt das Unternehmen genau dieses durch die Patentierung seines Saatguts und die Übernahme kleinerer Firmen an.

Auch das Saatgut selbst wird kritisch gesehen: Die genetische Veränderung der Pflanzen soll Ökosysteme beeinflussen und viele befürchten ebenfalls Folgen für die Menschen, die die Lebensmittel verzehren.

Monsanto & Pflanzenschutzmittel

Dramatischer aber sind die Auswirkungen der entwickelten Pflanzenschutzmittel: Sie sollen nicht nur Vergiftungen verursachen und potentiell krebserregend sein, sondern sie führen auch zu Veränderungen bei anderen Pflanzen. So sollen die ersten unerwünschten Pflanzen Resistenzen gegen die Herbizide zeigen. Solche resistenten Pflanzen können nur mit neuen, noch giftigeren Mitteln bekämpft werden.

Bestechungsversuche

Seit ihrem Bestehen wurde das Unternehmen vielfach verklagt. In einem Prozess von 2005 verurteilte ein Gericht Monsanto zu einem Bußgeld von 1,5 Millionen Dollar wegen der nachgewiesenen Bestechung von 140 indonesischen Regierungsbeamten. Sie sollten dafür sorgen, dass Monsantos gentechnisch veränderte Baumwolle als sicher für die Umwelt eingeschätzt wird.

Ein langjähriger Prozess gegen das Unternehmen, das von 20.000 Einwohnern einer Kleinstadt wegen Vergiftung durch PCB verklagt wurde, endete 2003 in einem Vergleich: Monsanto zahlte 390 Millionen Dollar als Entschädigung. Und auch einen Prozess wegen direkter Vergiftung nach Einatmung eines ihrer Pflanzenschutzmittel verlor Monsanto 2012. Aber der schlechte Ruf des Unternehmens gründet sich vermutlich mehr auf die allgemeinen Geschäftstaktiken der mächtigen Firma als auf die einzelnen Gerichtsprozesse.

Giftfabrik, Terminator-Technologie, Unterdrückung – Chroniken eines erfolgreichen Unternehmens

Die meiste Kritik erntet Monsanto für die Praxis, Landwirte mit ihren Lizenzvereinbarungen zum Stillschweigen gegenüber Dritten zu verpflichten. Außerdem wird vertraglich vereinbart, dass Ernteerträge aus Monsanto-Saatgut nicht erneut ausgebracht werden dürfen – eine Vorgehensweise, die in vielen Ländern nicht üblich ist und die für Konflikte mit dem Unternehmen sorgt. Einem Unternehmen, das sich langwierige Prozesskosten und eine große Zahl an hochqualifizierten Anwälten leisten kann.

Auch mit der absichtlichen Fälschung wissenschaftlicher Studien ist Monsanto bereits in Zusammenhang gebracht worden. Und immer wieder wird dem Unternehmen vorgeworfen, mit sogenannter „Terminator-Technologie“ zu experimentieren. Das bedeutet, sie sollen versuchen, Pflanzen herzustellen, die selbst kein fruchtbares Saatgut mehr generieren. Und obwohl bisher keine Beweise dafür vorgelegt werden konnten, hält sich dieses Gerücht hartnäckig.

Es ist vielleicht legal, aber definitiv nicht schön, von einer giftigen Substanz auf die nächste zu schwenken – scheinbar immer kurz vor dem ersten Verbot des betreffenden Produkts. DDT, PCB, das im Vietnamkrieg eingesetzte Agent Orange und das heute bereits in der Kritik stehende Glyphosat sind nur einige Beispiele der Substanzen, die von Monsanto hergestellt wurden. Es ist vielleicht legal, aber moralisch sehr fragwürdig, Prozesse gegen kleine Bauern anzustrengen, wenn diese sich nicht an die Lizenzvereinbarungen halten. Es mag im Kapitalismus normal sein, sich als Unternehmen wie die sprichwörtliche Axt im Walde zu verhalten – aber dann muss man sich wohl auch nicht fragen, warum einen die ganze Welt zu hassen scheint.