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Diebstahlschutz: Die Community passt auf Dein Rad auf

27. Aug. 2017 von

Das Klauen von Fahrrädern ist in Deutschland an der Tagesordnung. Das Start-up FahrradJäger hat einen Diebstahlschutz entwickelt, der sich nicht nur auf Alarm und Peilsender verlässt, sondern auch die Community um Hilfe bittet. Das soll abschrecken und das Wiederfinden erleichtern

Ich habe mich auch schon in dieser misslichen Lage wiedergefunden: Ich kam aus der Uni und mein Fahrrad war weg. Einfach weg! Verzweifelt suchte ich die Umgebung ab und klammerte mich an die Hoffnung, dass es jemand aus unerfindlichen Gründen nur wenige Meter weiter abgestellt hat oder dass mir plötzlich noch einfällt, das Rad woanders geparkt zu haben. Doch sehr bald sickerte die Erkenntnis durch: Mein treuer Drahtesel wurde geklaut!

Leider bleibt immer weniger Menschen diese Erfahrung erspart. Allein in Berlin wurden laut polizeilicher Kriminalstatistik im Jahr 2016 fast 35.000 solcher Delikte erfasst – Rekord! Die Dunkelziffer dürfte noch deutlich höher liegen. Dazu kommt, dass nur 3,5 Prozent der gemeldeten Fälle aufgeklärt werden konnten.

Gibt es einen wirksamen Schutz?

Dem Fahrradklau haben viele Firmen den Kampf angesagt: Spezielle Schlösser oder Alarme sollen für Sicherheit sorgen oder uns diese zumindest vorspielen. FahrradJäger, ein Start-up aus Rostock, hat nichts anderes vor – wählt mit seinem Produkt „Insect“ aber einen neuen Ansatz. Insect hat die Größe eines Textmarkers und soll Alarmanlage und Peilsender zugleich sein. Es kommt im eleganten Design daher, ist aber aus glasfaserverstärktem Kunststoff und Metall gefertigt, um vor Vandalismus geschützt zu sein. Das Gadget schraubt man an die Stelle des Trinkflaschenhalters an den Rahmen oder befestigt es mit einer speziellen Schelle, die bei FahrradJäger bestellbar ist.

Insect ist über die FahrradJäger-App via Bluetooth mit dem Smartphone verbunden. Entfernt sich der Besitzer von seinem Rad, schaltet sich die Alarmanlage automatisch scharf. Wird das Fahrrad bewegt, lenkt der 90-Dezibel-Alarm die Aufmerksamkeit der Passanten auf den Ort des Geschehens. Gleichzeitig wird der Eigentümer per Push-Nachricht auf seinem Handy gewarnt. Die Übertragung funktioniert laut Hersteller über eine Distanz von bis zu 100 Metern.

Insect versus GPS

Markus Fischer, seit November 2015 für den Vertrieb bei FahrradJäger zuständig und selbst passionierter Radler, ist von der Zuverlässigkeit des Systems überzeugt: „Insect ist mit einem Lage- und Zeitsensor ausgestattet. Die Beschleunigung wird über eine bestimmte Zeit gemessen und die Position des Smartphones berücksichtigt. So kann das Produkt Wackeln von Diebstahl unterscheiden.“ Schlägt jemand auf das Gerät ein, löst es ebenfalls Alarm aus und sendet eine Push-Nachricht an den Eigentümer.

Im Gegensatz zu anderen Sicherheitssystemen, wie beispielsweise von Velocate, bei denen die Sensoren im Rücklicht versteckt sind, verfügt Insect nicht über Ortungstechnologie per GPS. Fischer verteidigt die Lösung von FahrradJäger: „Die meisten Systeme mit GPS-Ortung sind sehr energieintensiv, müssen also alle paar Wochen geladen oder bei Versorgung über den Dynamo häufig bewegt werden. Bei unserer Knopfzellenbatterie reicht ein Wechsel pro Jahr. Hinzu kommt bei GPS die Kosten für die Datenübertragung.“

Hilferuf an die Community

Besonders am Herzen liegt ihm der gemeinschaftliche Gedanke bei Insect. Wenn das Fahrrad trotz Alarm und Warnung an den Inhaber gestohlen wurde, erhalten alle Mitglieder der FahrradJäger-Community eine Meldung. „Wir glauben, dass insect intelligenter als GPS-Systeme ist, da es das ‚natürliche‘ GPS der Smartphones nutzt. Wir möchten keine Lösung für Einzelkämpfer, sondern die Fahrradfahrer vernetzen und den Zusammenhalt fördern“, erklärt der 28-jährige Wirtschaftsingenieur. „Passanten, die die FahrradJäger-App heruntergeladen haben, können direkt eingreifen. Immer wenn sie sich einem als gestohlen gemeldeten Fahrrad auf 100 Meter nähern, schickt die App eine Push-Nachricht.“ Dem Diebstahlopfer wird der Standort des Community-Mitglieds anonymisiert angezeigt, sodass man um Hilfe bitten kann und zumindest eine Spur zu seinem Fahrrad erhält.

Bislang fungiert die App der FahrradJäger-Community als klassische Lost-and-found-Plattform und hat deutschlandweit mehr als 13.500 Mitglieder. Die kritische Masse für einen effektiven Diebstahlschutz in der Gemeinschaft dürfte damit noch nicht erreicht sein, doch das inzwischen 13-köpfige Team um die Gründer Martin Jäger und Steffi Wulf ist zuversichtlich, mit Insect den Sprung dorthin zu schaffen. Die erste Charge, für die mehrere tausend Bestellungen eingegangen sind, wird im Herbst aus China geliefert. Ab 109 Euro kann man sich online ein Modell der zweiten Tranche sichern, die bis Ende dieses Jahres zugestellt werden soll.

Dieser Artikel von Jan Menke erschien zuerst beim „enorm Magazin“.