Einheimisches Obst

Die krumme Tour der Supermärkte

19. Nov. 2013 von

Marktkonzentration führt zu Arbeitsrechtsverletzungen in Entwicklungsländern

Marktkonzentration führt zu Arbeitsrechtsverletzungen in Entwicklungsländern

Berlin, 14.4.2008. Edeka, Rewe, Aldi, Lidl und Metro sind mit verantwortlich dafür, dass Tausende von Arbeiter/innen in Entwicklungsländern zu Hungerlöhnen und unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten müssen. Die genannten fünf größten deutschen Supermarktketten bedienen 70 Prozent des Marktes und nutzen diese Macht schamlos aus. Am Beispiel des Bananen- und Ananasmarktes belegt die neue Oxfam-Studie „Endstation Ladentheke“ die katastrophalen Arbeitsbedingungen der Arbeiter/innen in Costa Rica und Ecuador. Oxfam Deutschland fordert die Supermarktkonzerne auf, ihre Einkaufspolitik drastisch zu ändern. Ferner ruft Oxfam das Bundeskartellamt zur umfassenden Prüfung der Einkaufsmacht der Supermarktketten auf.

„Die Supermärkte setzen ihre Einkaufsmacht massiv dazu ein, die Lieferanten im Preis zu drücken. Bereits jetzt führt der Preisdruck dazu, dass die Lieferanten Arbeits- und Menschenrechte verletzen, um in dem harten Wettbewerb gut abzuschneiden“, berichtet Marita Wiggerthale, Handelsexpertin bei Oxfam Deutschland. Dies bedeute, dass die Arbeiter/innen der Lieferanten sehr lange für sehr wenig Geld arbeiten müssten. „Auf den Ananas-Feldern in Costa Rica sind Arbeitszeiten von zwölf Stunden und mehr die Regel. Der Lohn liegt im Durchschnitt bei neun Euro am Tag – das sind 75 Cent in der Stunde!“, berichtet Wiggerthale. Mitunter gäbe es sogar – noch schlechter bezahlte – Kinderarbeit: Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) arbeiten 30.000 Kinder auf den Bananenplantagen Ecuadors.

In Costa Rica und Ecuador verhinderten die Lieferanten zudem systematisch die Bildung von Gewerkschaften, kritisiert Wiggerthale. Dies treffe zum Beispiel für die Lieferanten von Dole, Chiquita, Del Monte, Fyffes, Cobana-Fruchtring, Edeka Fruchtkontor und Dürbeck zu – alles führende Südfrucht-Importeure. „Noboa ist einer der beiden bedeutendsten Bananen-Lieferanten für den deutschen Markt. Alvaro Noboa ist der reichste Mann Ecuadors, aber seine Arbeiter/innen leben in größter Armut und die Noboa-Plantagen sind bekannt für die Verletzung von Arbeitsrechten, insbesondere Gewerkschaftsrechten“ kritisiert Francisco Hildalgo, Direktor vom unabhängigen Agrar-Forschungszentrum SIPAE in Ecuador, in einem Interview für die Oxfam-Studie.

Die Studie zeigt zudem, dass die Arbeiter/innen in den Ananas- und Bananenplantagen auch in hohem Maße gesundheitsschädlichen Pestiziden ausgesetzt sind. So werden in Ecuador und Costa Rica giftige Pflanzenschutzmittel eingesetzt, die in Europa bereits verboten sind, zum Beispiel das Pestizid „Paraquat“, das in Europa seit dem 11. Juli 2007 nicht mehr benutzt werden darf. Arbeiter/innen, die mit „Paraquat“ in Kontakt kommen, leiden an Augenschäden, Nasenbluten, Reizung oder Verbrennung der Haut, Übelkeit und Erbrechen. „Wegen der hohen Gefährdung von Mensch und Umwelt muss die Anwendung von solch giftigen Substanzen sofort gestoppt werden“, so Wiggerthale.

Omar Salazar Alvarado ist Direktor der Organisation ASEPROLA in Costa Rica, die sich für Arbeitsrechte in Zentralamerika einsetzt. Im Interview für die Oxfam-Studie fordert er: „Wenn es um Ananas geht, ist Zweierlei wichtig: Die Ananas-Arbeiter in Costa Rica sollten ein menschenwürdiges Leben führen können und die Konsumenten in Europa sollten die Gewissheit haben, dass die Ananas unter menschenwürdigen Arbeitsbedingungen und ohne Schaden für die Bevölkerung und die Natur produziert wurde.“

Oxfam Deutschland empfiehlt allen Verbrauchern, die beim Genuss von Südfrüchten ein gutes Gewissen haben wollen, Bio- bzw. Fair Trade-Produkte zu kaufen. Die Gütesiegel garantieren, dass die Früchte umweltverträglich produziert bzw. zu fairen Handelskonditionen abgenommen werden. „Jeder kann dazu beitragen, die Situation zu verbessern, indem er Politik mit dem Einkaufskorb betreibt. Je mehr Menschen bewusst einkaufen, desto größer wird der Druck auf die Supermärkte, ihre Praktiken zu ändern. Außerdem hilft es der Umwelt und fördert ganz direkt bessere Lebensbedingungen in den Produktionsländern.“ sagt Wiggerthale.

Die Oxfam-Studie „Endstation Ladentheke“ zeigt, dass die Marktkonzentration besorgniserregende Ausmaße annimmt: Je größer der Marktanteil der wenigen verbleibenden Supermärkte, desto mehr können sie ihre Einkaufsmacht gegenüber den Zulieferern ausspielen. “Schon heute verlagern die Supermarktkonzerne viele Kosten und Risiken auf die Zulieferer. Zum Beispiel verlangen sie, dass Zulieferer sich mit Zuschüssen an der Neueröffnung von Geschäften beteiligen oder Jubiläums- und Hochzeitbonusse geben“, so Wiggerthale. Auch Listungsgebühren und rückwirkend geltende Konditionsänderungen seien übliche Praktiken. Der daraus resultierende Preis- und Kostendruck bewirke, dass sich die Arbeits- und Produktionsbedingungen in den Entwicklungsländern verschlechtern. Deswegen fordert Oxfam das Bundeskartellamt dazu auf, bei der laufenden Untersuchung im Fusionsverfahren Edeka mit dem Discounter Plus sorgfältig die Einkaufsmacht der Supermarktkonzerne unter die Lupe zu nehmen.

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