Anklage gescheitert

Das große Kükenschreddern geht weiter

10. März 2016 von

Ohne Betäubung fallen kleine männliche Küken kurz nach dem Schlüpfen in einen großen Schredder. Andere werden vergast. Allein in Deutschland ergeht es jährlich rund 50 Millionen männlichen Hühnern so, weil sie keine Eier legen und nicht genug Fleisch ansetzen. Im Februar hatte die Staatsanwaltschaft Münster erstmals Anklage gegen eine Brüterei erhoben – aber zu früh gefreut, das Töten geht weiter.

Denn: Das Landgericht Münster hat eine Anklage gegen das Unternehmen nicht zugelassen – einen Prozess wird es so nicht geben. Die Neue Osnabrücker Zeitung schreibt die Richter verwiesen auf die aktuelle Gesetzeslage, wonach der Gesetzesgeber das Töten der Küken ausdrücklich nicht unter Strafe gestellt habe. Weiter hätte in diesem Fall die verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit des Brüterei-Betreibers Vorrang vor dem ebenfalls im Grundgesetz verankerten Tierschutz.

Nordrhein-Westfalens Landwirtschaftsminister Johannes Remmel (Grüne) äußerte sich nach der Neuen Osnabrücker Zeitung wie folgt: „Hier wurde eine Chance verpasst, die grausame Praxis des Tötens von Millionen männlicher Eintagsküken zu beenden. Tiere sind keine Abfallprodukte, die nur wegen der Steigerung des Gewinns getötet werden.“

Am 20. Mai entscheidet das Oberverwaltungsgericht in Münster in zweiter Instanz über die Rechtmäßigkeit der Anordnung.

Die Staatsanwaltschaft Münster bleibt bei ihrer Auffassung, dass das massenhaftete Schreddern gegen das Tierschutzgesetz verstößt, welches bereits in §1 festschreibt: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ Wer nachweislich „ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet“, dem drohen laut §17 Nr.1 Tierschutzgesetz Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.

PETA hat auf ihrer Seite eine Petition gegen das Schreddern von männlichen Küken kurz nach der Geburt laufen.

Eine neue Methode bietet vielleicht eine Alternative

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt sprach im März 2015 davon: „Ab Ende 2016 sollen die ersten ‚tötungsfreien’ Bruteier auf den Markt kommen. Mein Ziel ist es, dass das Kükenschreddern 2017 aufhört.“ Für den Verbraucher solle die Technik mit maximal 1-2 Cent Teuerung pro Ei bemerkbar sein, so Schmidt damals.

Bisher ist es durchaus üblich, die Küken zuerst schlüpfen zu lassen. Dann wird beim sogenannten „Sexen“ festgestellt, ob es sich um männliche oder weibliche Küken handelt. Eine neue Methode setzt dagegen vor dem Schlüpfen an.

Bereits nach 72 Stunden kann durch das Verfahren untersucht werden, ob im Hühnerei ein männliches oder ein weibliches Lebewesen entsteht. Innerhalb des Eis entwickeln sich innerhalb dieser Zeit nach Bebrütung bereits winzige Blutgefäße, die auf die Geschlechtsausprägung hinweisen. Durch Einsatz eines Spektroskops im nahinfraroten Wellenlängenbereich können diese erkannt werden.

Man geht davon aus, dass der Hühnerembryo bis zu 10 Tage nach der Bebrütung noch schmerzunempfindlich ist. Somit würde das unethische Massenschreddern entfallen.

Noch dauert dieses hochmoderne Verfahren pro Ei ca. 15-20 Sekunden. Durch technische Verbesserungen seien aber auch deutlich unter 10 Sekunden pro Ei möglich, so das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).

Letztendlich wird es an den Betrieben liegen, eine Entscheidung zu treffen. Viel mehr jedoch hat es der Verbraucher in der Hand, sobald die „tötungsfreien“ Bruteier auf dem Markt sind.