Diese Geschichte liest sich wie ein Krimi

Aus dem Labor auf den Teller: Genmanipulierter Lachs strömt auf den Markt

09. Apr. 2016 von

Erst sollte er noch in diesem Jahr auf den Tellern landen – zunächst auf den amerikanischen: Der Gen-Lachs. Seine DNA ist so manipuliert, dass er das ganze Jahr über an Masse zulegt. Damit benötigt er weniger Futter als der bisherige Zuchtlachs. Für den menschlichen Verzehr zugelassen war der Gen-Lachs bereits. Doch jetzt hat der US-Kongress eingegriffen.

Die Geschichte um den Gen-Lachs liest sich wie eine Mischung aus Science-Fiction, Krimi und Thriller. Bereits vor 25 Jahren legte die Firma AquaBounty die Forschung zu ihrem genmanipulierten Lachs bei den Behörden vor. 2015 erklärte die FDA, die amerikanische Behörde für Lebensmittel und Medizin, den Fisch als für den menschlichen Verzehr geeignet – und damit offiziell zugelassen. Nach massivem Widerstand von Verbrauchern, Fischhändlern, Umweltschützern und einem Eingreifen der Politik, erklärte die gleiche Behörde, dass der Fisch nun vorerst doch nicht auf die Teller kommt. Und stoppte den kompletten Import. Für 2016.

AquAdvantage Lachs. Wer hat den Vorteil?

Der Fisch, um den es geht, trägt den Namen AquAdvantage Lachs. Zur Entwicklung dieser Art setzte man dem Atlantischen Lachs Teile der DNA von einem Königslachs und einem Aal ein. Normalerweise wächst der Atlantische Lachs lediglich in den warmen Sommermonaten, im Winter stagniert sein Körpergewicht. Die genmanipulierte Lachsart dagegen legt das ganze Jahr über an Gewicht zu. In den Augen der Firma AquaBounty ist das ein Durchbruch: Durch das schnellere Wachstum ist der Lachs viel früher schlachtreif und braucht weniger Futter. Seine „Herstellung“ ist daher wirtschaftlicher.

Und um diese Herstellung dreht sich ein Teil der Kritik. Anders als bisheriger Zuchtlachs, der in Aquafarmen – mit Netzen abgeteilten Bereichen – vor den Küsten gezogen wird, züchtet der Betrieb den Gen-Lachs in einer vom Meer getrennten Fabrik in Panama. Die Tiere leben dort in großen Tanks, ungefähr 18 Monate lang bis zur Schlachtreife.

Umweltorganisationen mahnen, die genmanipulierte Art könnte wilde Arten verdrängen, wenn Fische aus dieser Aquafarm in Flüsse und Seen entkommen. Die Befürworter von AquAdvantage Lachs sehen in diesem Verfahren großes Potential: Der Fisch könnte mit dieser Methode sogar im Inland der USA gezüchtet werden, was angeblich die Meere entlasten würde. Auch müsste mit der genveränderten Art viel weniger Fisch importiert werden. Ob die Ersparnisse am Ende beim Verbraucher ankommen, bliebe wohl abzuwarten.

Die Politik entschied: Keine Kennzeichnung, kein Verkauf

Die Gegner des genmanipulierten Lachses sehen in der Zulassung durch die FDA große Probleme. So beurteilen sie zum Beispiel die entsprechenden Studien zur Sicherheit des Lachses als Nahrungsmittel als vollkommen unzureichend. Während die FDA erklärt, sie habe beim genmanipulierten Lachs keinerlei Unterschiede zum bisherigen Zuchtlachs gefunden, äußern sich Verbraucher und Fischhändler überaus skeptisch, und Wissenschaftler sorgen sich um die Unumkehrbarkeit einer solchen Entwicklung.

Selbst Verschwörungstheoretiker kommen bei der Geschichte um den Gen-Lachs auf ihre Kosten. So werden nun Verbindungen des Unternehmens AquaBounty zu der amerikanischen Firma Intrexon aufgedeckt und ein Zusammenhang zu der Zulassung des Fisches durch die FDA vermutet. Intrexon hält verschiedene Patente auf genmanipulierte Tiere. Ein Schelm, wer Böses denkt …

Nach dem Eingreifen einer US-Senatorin ist nun der Import für das Jahr 2016 gestoppt worden. Allerdings nicht, wie vielleicht anzunehmen wäre, wegen der oben genannten Einwände und möglichen Verstrickungen. Sondern, weil es in den USA keine Kennzeichnungspflicht für genmanipulierte Lebensmittel gibt (GMO). Diese Kennzeichnung soll nun besprochen, festgezurrt und verabschiedet werden. Danach aber ist der Gen-Lachs höchstwahrscheinlich das erste genmanipulierte Tier, das als zum Verzehr geeignet gilt.

Gesellschaftlicher Fortschritt oder Manipulationswahn?

Das einzige Tier, das bereits am Zellkern manipuliert wird, ist der Lachs aber bei weitem nicht. Schon heute wird verändert, was verändert werden kann. Um die Tiere z.B. resistenter oder ihre Milch besser bekömmlich zu machen. Was früher durch Züchtung über viele Jahrzehnte erreicht wurde, schafft heute die Gentechnik schnell, effizient und genau auf die Bedürfnisse eines Marktes, einer Konsumentengruppe oder eines Unternehmens abgestimmt. Befürworter erklären die Methoden als sicher und zukunftsweisend: Nur mithilfe von Genmanipulation könne die steigende Nachfrage der Menschheit gedeckt werden. Aber stimmt diese Argumentation überhaupt? Wer profitiert letztlich von genmanipulierter Nahrung? Und welcher Markt wird da bedient?

Dann wäre da noch die Ethikfrage …

Wo wir gerade bei den Fragen sind: Sollten wir uns bei all dem nicht auch fragen, ob wir so etwas überhaupt dürfen? Gen-Lachs ist Design eines Lebewesens, angeblich nach unseren Bedürfnissen. Er wird, sofern das überhaupt möglich ist, noch weniger artgerecht gehalten als der nicht genetisch veränderte Zuchtlachs. Vielleicht sollten wir uns auch ab und zu die Frage stellen, ob der Zweck das Mittel heiligt.