Mehrweg statt Einweg

Wie “ToGO” und “Take-away” das Plastikproblem befeuern

24. Juni 2019 von

2050 könnte es mehr Plastik als Fisch in den Weltmeeren geben - um dieses Schreckensszenario nicht endgültig Realität werden zu lassen, muss eine drastische Reduktion von Verpackungsmüll her. Dieser wird hierzulande auch durch Lieferservices und To-Go-Mentalität verursacht. Könnten Mehrwegsysteme die Lösung sein? Wir stellen Dir hier einige innovative Konzepte vor.

Müllberge durch Takeaway und To-Go-Becher

226 Kilogramm Verpackungsabfall fällt in Deutschland pro Kopf und Jahr an. So gelangen allein in Deutschland laut Deutscher Umwelthilfe insgesamt 446.000 Tonnen Plastik in die Umwelt. Ein Teil davon gelangt über Flüsse auch in die Meere. Eine derzeitige Schätzung des globalen Eintrags von Plastikmüll in die Meere geht von 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen pro Jahr aus. Das entspricht einer Lastwagenladung pro Minute. Laut EU-Kommission bestehen 85 Prozent des Mülls in den Meeren aus Plastik. Die Hälfte davon sind Einwegprodukte.

Coffe to Go
Pexels

Das Problem verschärft sich laufend, da sich Takeaway und Lieferdienste steigender Beliebtheit erfreuen. Immer weniger Menschen nehmen sich heute die Zeit eine ausgewogene Mahlzeit zu kochen. Der Kaffeebecher auf dem Weg zur Arbeit, ein in Plastik verpacktes Mittagessen und die Styroporbox, in der die warme Mahlzeit abends geliefert wird, summieren sich. In Deutschland fallen jährlich allein etwa 2,8 Milliarden Einwegbecher für Coffee-to-go an. Das sind etwa 34 Stück pro Einwohner. Das zeigt eine neue Studie vom Umweltbundesamt (UBA). Essensverpackungen gehören neben Einwegflaschen und –tüten aus Plastik, Strohhalmen sowie Plastikbesteck zu den am häufigsten im Meer und an Stränden gefundenen Plastik.

Der Litteringfond: eine Gebühr für Verpackungsmüll

Daher setzt sich die EU-Kommission nun gegen Einwegprodukte aus Plastik ein. Sie hat ein Verbot für Strohhalme, Plastikgeschirr oder Wattestäbchen beschlossen, alles Produkte, für die es kunststofffreie Alternativen gibt. 2021 soll die neue Regelung in Kraft treten.

Auch auf nationaler Ebene tut sich etwas. Das UBA schlug nun Mehrwegverpackungen vor, finanziert durch einen Litteringfonds. In diesem Fond einzahlen sollen alle, welche die Verpackungen produzieren. Vorstellbar wäre aber auch eine Regelung im Verpackungsgesetz, etwa höhere Lizenzgebühren für Einwegbecher. Dadurch werde deren Einsatz unwirtschaftlicher, Mehrweg dagegen wirtschaftlicher und Kaffee aus Mehrwegbechern günstiger, weil Kunden die Lizenzgebühren nicht zahlen müssen. Zudem solle mit der Gastro-Branche vereinbart werden, vorrangig Mehrwegbecher auszugeben.

Mehrwegbecher: nicht einfach automatisch gut

Mehrwegsysteme sind aber nur dann sinnvoll, wenn das Wort “Mehrweg” auch ernst genommen wird. Denn damit der Mehrwegbecher- oder Geschirr ökologisch Sinn macht, muss er mindestens zehn Mal benutzt werden. Der Strom für den Abwasch müsste zudem aus einer erneuerbaren Energiequelle stammen.

Pioniere gegen Müllberge

Gleich mehrere Firmen im deutschsprachigen Raum stören sich an den Einwegverpackungen und wollen Mehrwegverpackungen in Umlauf bringen. Sie arbeiten mit Gastrobetrieben zusammen, die ihre Verpackungen nutzen. Über Apps erfährst Du, welche Geschäfte Teil des Mehrweg-Systems sind.

Recup nimmt sich beispielsweise explizit des Problems mit den Coffee-to-Go-Bechern an und bringt wiederverwendbare Kaffeebecher - inklusive Deckel - in Umlauf. Über 500 Spülgänge sollen die Pfandbecher überstehen. Rein theoretisch ist die Recup-Ökobilanz also sehr gut.

Das Tiffin Projekt und ReCircle

Diese beiden liefern Dir gleich ganze Mahlzeiten. Beide Firmen setzen auf ein Pfandsystem mit Partnerrestaurants. Beim Tiffin Projekt wird das Essen in einem ausgeklügelten System aus Edelstahl-Boxen geliefert, die sich untereinander kombinieren und stapeln lassen.

Das schweizer Unternehmen ReCircle dagegen arbeitet mit langlebigen Plastikgefäßen und bietet auch platzsparende Verpackungen wie einen faltbaren Becher. Der einzige Haken: ReCircle ist ein sehr junges Unternehmen und hat noch nicht viele Partnerrestaurants.

Umbrüche außerhalb des Food-Sektors

Einen Schritt weiter geht Terracycle. Das Recyclingunternehmen hat mit Loop einen virtuellen Zero Waste-Shop geschaffen. Du kannst Dir dein Lieblingsprodukt bequem nach Hause bestellen, wo es in einer Mehrwegverpackung ankommt. Wenn Du die Packung geleert hast, wird sie wieder abgeholt. Die Plattform ist erst wenige Monate alt und leider bisher nur zugänglich, wenn Du in den USA oder Paris lebst.

Einwegverpackungen können unschädlich sein

Andere setzen auf biologisch abbaubares Plastik und Recycling-Technologien. Deliveroo verkauft Verpackungen, die teils aus beschichteter Pappe oder auch kompostierbar sind. Die Utopie ist nicht einfach umzusetzen, denn nicht überall rentiert das Konzept. So hat sich der Lieferservice aus wirtschaftlichen Gründen an einigen Standorten bereits wieder zurückgezogen. In diesem Artikel beleuchten wir außerdem, warum sogenanntes Bio-Plastik keine wirkliche Lösung ist. Wünschenswert wären daher Kooperationen von Lieferdiensten wie Deliveroo, Lieferando, Foodora & Co, mit Firmen, die Mehrwegverpackungen in Umlauf bringen wollen.

Auch ein Litteringfonds, wie ihn das UBA vorschlägt, wäre eine durchaus eine wünschenswerte Einrichtung. Wenn Firmen, die das nötige Umweltbewusstsein (noch) nicht haben, finanzielle Einbussen erleiden, kommt der Umstieg zur Zero Waste-Gesellschaft schneller als erhofft.