In vino veritas

Was macht einen Wein umweltfreundlich?

28. Aug. 2019 von

Wein kommt oft von weit her, das ist nicht wirklich umweltfreundlich! Zudem bedeutet „bio“ auch nicht unbedingt „emissionsarm“. Wir erklären, warum das so ist und warum Du nicht nur auf den Inhalt achten solltest, wenn Du Wein ganz unbeschwert genießen möchtest.

Wein aus Übersee — Was sagt die CO2-Bilanz?

Die hauptproduzierenden Weinländer sind Italien (41 Prozent) , Frankreich (44 Prozent) und Spanien (39 Prozent), gefolgt von den USA, Australien, China und Südafrika. Die Frage nach der Umweltverträglichkeit von Weinen, die über den ganzen Globus vertrieben werden, ist überraschend schwer zu beantworten.

Denn CO2 und andere Klimagase entstehen nicht nur beim Transport des Weins, sondern auch im Weinberg, im Keller und bei der Herstellung der Flaschen. Da die Arbeit in den Weingütern sehr unterschiedlich abläuft, variiert auch die Umweltbelastung durch Treibhausgase.

Wenn man nur den Strom betrachtet, der im Weingut verbraucht wird und damit Teil des CO2-Fußabdrucks ist, schneide Frankreich am besten ab, sagt Helena Ponstein. „Das liegt an der hohen Anzahl von Atomkraftwerken dort,“ so Ponstein weiter. Klimafreundlichkeit ist also nicht immer zwangsläufig mit Umweltfreundlichkeit gleichzusetzen. Ponstein schließt derzeit Ihre Promotion an der Humboldt-Universität zu Berlin über Treibhausgasemissionen durch die globale Weinproduktion ab und baut eine eigene Plattform zum Thema Klimaneutralität auf.

Der klimafreundlichste Wein kommt aber definitiv in einer Mehrwegflasche daher. Der Einsatz einer Mehrweg-Glasflasche ist die effektivste einzelne Maßnahme für klimafreundlichen Wein – da spielen die Unterschiede bei den elektrizitätsgebundenen Emissionen, die bei Frankreich dank Atomstrom sehr gering sind, eine untergeordnete Rolle,“ so Ponstein weiter.

Wein: am besten Bio und regional?

Auch Bio-Wein soll die Umwelt generell weniger belasten, da bei Trauben aus biodynamischer Produktion keine Pestizide oder Herbizide eingesetzt werden. Bio-Winzer ersetzen konventionelle Pflanzenschutzmittel unter anderem durch Kupferpräparate. Du erkennst Bio-Weine am „Bio“-Siegel oder dem „Demeter“-Siegel, das als das strengste Bio-Label gilt.

Die Frage, ob konventionell angebaute oder Bio-Weine umweltfreundlicher sind, lasse sich schwer beantworten, gibt hingegen Maximilian Freund gegenüber dem „Spiegel“ zu bedenken. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Önologie-Institut der „Hochschule Geisenheim“, das sich mit Weinbau und Weinwirtschaft beschäftigt. Zwar verbrauche die Herstellung von Düngern und Spritzmitteln für den konventionellen Anbau viel Energie. „Andererseits fährt der Bio-Winzer auch etwa dreimal öfter durch seine Reben und stößt mit dem Traktor Abgase aus“, so Freund. Denn die Bio- Spritzmittel dringen nicht in die Pflanze ein und werden vom Regen schnell wieder abgewaschen.

Dennoch ist der Einsatz von Pestiziden in vielen konventionellen Betrieben problematisch für Mensch und Umwelt. So wird unter anderem das massenhafte Bienensterben durch Gifte aus der Landwirtschaft verursacht.

Ein neuer Trend sind auch so genannte „Naturweine“. Wie beim Bio-Wein kommen die Trauben nur von Weinbergen, die nach biologischen oder biodynamischen Kriterien bewirtschaftet werden. Im Keller gehen die Winzer dann aber noch einen Schritt weiter und verzichten auf sämtliche Tricks der modernen Weinbereitung. Zum Beispiel wird dem Most kein Zucker zugesetzt, um auf einen gewünschten Alkoholgehalt zu kommen. Auch auf Schwefel wird verzichtet, der bei konventionellem aber auch Bio-Wein als Konservierungsstoff eingesetzt wird. Vereinfacht gesagt: Der Wein wird in Ruhe gelassen.

Leider oft unökologisch: die Weinflasche

Und wie ist es um die Nachhaltigkeit der Glasflaschen bestellt, in die der Wein gefüllt wird? Shia vom Zero-Waste-Blog „Wasteland Rebel“ hat den Experten Philip Heldt von der „Verbraucherzentrale NRW“ zum Thema Weinflaschen befragt.

Er weiß, Wein wird meist in Einwegflaschen verkauft. Die Weinflasche wird nur einmal befüllt, dann wird sie zum Container gebracht und eingeschmolzen. Aus ökologischer Sicht sei das „ziemlich blöd“, so Heldt, weil eine Glasflasche in der Herstellung viel Energie braucht. Im Gegensatz dazu werden Bierflaschen an die 50-mal wiederbefüllt. Dies hingegen ist ökologisch.

Dass Wein nicht wie Bier in Mehrwegflaschen angeboten wird, liege daran, dass sich die Winzereien immer noch nicht auf ein einheitliches Flaschenmodell einigen konnten, so Heldt. Bleibt zu hoffen, dass sich dies (auch auf Druck der Konsumenten hin) ändert.

„Die klimafreundlichste Version von Wein ist ohne Zweifel regionaler Wein aus biologischen Trauben in der Mehrweg-Glasflasche,“ bestätigt auch Helena Ponstein. „Wird eine Mehrweg-Glasflasche verwendet, reduziert sich der CO2-Fußabdruck für eine Flasche Wein um ein Drittel – hierzulande von circa 830 Gramm CO2-Äquivalente pro Flasche ab Werkstor des Weinguts (also ohne Transporte) auf circa 530 Gramm CO2-Äquivalente.“

Korken sind umweltfreundlich, oder?

Zum Wein gehört auch der Weinkorken – ohne Frage, der Klassiker in Sachen Verschluss. Viele Hersteller verwenden mittlerweile auch Schraubverschlüsse.

Aus ökologischer Sicht schneiden Naturkorken grundsätzlich nach wie vor am besten ab, sagt Matthias Metze vom Schweizer Weinhandel „Delinat“.

Doch der gefürchtete Korkschmecker (TCA) macht der Öko-Bilanz des Korkens einen Strich durch die Rechnung. Er macht jährlich Tausende von Flaschen ungenießbar, sie landen im Ausguss — das ist nicht gerade ökologisch.

Metze weiß, dass die vielen Korkschmecker vor allem auf die schlechte Qualität von Korken und sogenannte Granulatkorken, aus gepresstem Korkgranulat, zurückzuführen seien. Da auch Schraubverschlüsse fehlerhaft sein können, plädiert Metze für hochqualitative Naturkorken.

Tipp: Kork recyceln

Kork ist ein wertvoller Rohstoff, der beispielsweise als Naturdämmmaterial im Hausbau eingesetzt werden kann. Deshalb sollten benutzte Korken nicht im Müll landen.

Die „NABU-KORKampagne“ ruft deshalb dazu auf, Korken zu sammeln und bei der nächsten Sammelstelle abzugeben. Man kann auch selbst zur Sammelstelle werden, wenn es in der Gegend noch Bedarf gibt. Auch bei „Alnatura“-Supermärkten gibt es Sammelstellen für Korken.

Mehr als Bio: Siegel für Nachhaltigkeit

Um wirklich nachhaltig Wein zu trinken, können „bio“ und „klimafreundich“ nicht getrennt voneinander praktiziert werden. Denn wer einen „Bio“-Wein aus Südafrika trinkt, tut der Umwelt nicht unbedingt einen Gefallen.

Bei der Zertifizierung ökologischer Betriebe geht es nur um gewisse umweltrelevante Aspekte. Soziale oder klimarelevante Aspekte bleiben dabei oft unberücksichtigt.

„Klimafreundlich ist auf keinen Fall automatisch auch umweltfreundlich“, bestätigt Helena Ponstein. „Klimaschutz ist ein Element von vielen, dass wir für eine umweltfreundliche Weinproduktion beachten müssen.“

Nachhaltig = ganzheitlich

In den letzten beiden Jahrzehnten sind weltweit verschiedene Programme für nachhaltige Weinwirtschaft entstanden. So gründeten sich beispielsweise Vereinigungen wie „Fair’n Green“ oder „Fairchoice“, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, ein ganzheitliches System für nachhaltigen Weinanbau zu entwickeln.

Die Richtlinien helfen den Winzern dabei, Nachhaltigkeitsziele (z. B. Reduktion der CO2-Emissionen, höhere Biodiversität und gesellschaftliches Engagement) zu erreichen. Ziel ist, den gesamten Betriebsablauf stets zu optimieren.

Bisher sind es um die hundert Winzereien in Deutschland, Österreich oder der Schweiz, die nach den Richtlinien von Programmen wie „Fair’n Green“ oder „Fairchoice“ zertifiziert sind - darunter sind auch viele namhafte deutsche Weingüter. Bei Wein lohnt also nicht nur der Blick auf ein „Bio“-Label, sondern auch der auf das Weingut und die gesamte Flasche.

Weiterführende Links:

- Statistik des „Deutschen Weininstituts“

- Spiegel Interview mit Helena Ponstein

- Interview mit Philip Heldt auf Wastelandrebel

- Interview mit Mattias Metze auf Delinat

- Hier findest Du Kork-Sammelstellen

- Liste der Mitglieder bei Fair’n Green

- Liste der Mitglieder bei Fair Choice