Geheime Verhandlungen, die uns alle angehen

Was ist eigentlich TiSA?

13. Mai 2015 von

Seit 2011 wird über unsere Zukunft verhandelt. Im Verborgenen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Schließlich geht unsere Zukunft uns nichts an. Mitbestimmungsrecht? Wäre ja noch schöner.

Was ist eigentlich TiSA?

Kurz gesagt: TiSA (Trade in Services Agreement) ist Bundesdatenschau mal anders. Gemäß der Wikipedia-Definition ist TiSA „eine in Verhandlung befindliche Sammlung von Vereinbarungen in Form eines völkerrechtlichen Vertrags zwischen 23 Parteien einschließlich der USA und der Europäischen Union“. Wie bei TTIP (Transatlantisches Freihandelsabkommen) geht es darum, ‚Handelshemmnisse‘ aus dem Weg zu schaffen.

Diesmal aber nicht den Handel mit Gütern betreffend, sondern den mit Dienstleistungen. Als Handelshemmnisse werden wie auch bei TTIP Nebensächlichkeiten wie Grundrechte der Endbetroffenen, also der Einwohner von insgesamt 50 Staaten, gehandhabt. Denn öffentliche Dienstleistungen „sollen eine grundlegende soziale Daseinsvorsorge leisten, die bezahlbar, universell verfügbar und nicht gewinnorientiert ist“ (Public Services International). Der ‚Service public‘ ist ein Überbegriff für „Verkehrs- und Beförderungswesen, Gas-, Wasser-, und Elektrizitätsversorgung, Müllabfuhr, Abwasserbeseitigung, Bildungs- und Kultureinrichtungen, Krankenhäuser, Friedhöfe, Bäder“ und vieles mehr (Definition von ‚Daseinsvorsorge‘ auf Wikipedia).

Wie kam es zu den Verhandlungen und warum weiß keiner davon?

Das Abkommen geht auf einen Vorschlag der Vereinigten Staaten zurück. Schließlich würden die USA neben Finanzlobby und Industrie, deren Vertreter natürlich mit am Tisch sitzen, mit Abstand den größten Nutzen aus diesem Handelsabkommen ziehen. Erst zwei Jahre nach Beginn der Verhandlungen veröffentlichte WikiLeaks Fakten zu dem, was da hinter unserem Rücken gemauschelt wird.

WikiLeaks ist eine Plattform, die sich die Veröffentlichung von Informationen, die für die Öffentlichkeit unzugänglich gehalten werden sollen, zum Ziel gesetzt hat. Am 19. Juni des vergangenen Jahres also tauchte hier ein TiSA-Vertragsentwurf zum Thema Finanzdienstleistungen auf, zusammen mit einer Vertraulichkeitsklausel, die die Verhandlungspartner festgelegt hatten: Die Öffentlichkeit sollte erst fünf Jahre nach Inkrafttreten der so genannten „Koalition der guten Freunde“ oder, bei Nichtzustandekommen, fünf Jahre nach Ende der Verhandlungen über dessen Existenz informiert werden.

Lediglich die Schweiz legt seit Verhandlungsbeginn die Informationen offen. Ein halbes Jahr später kamen durch netzpolitik.org, ein Blog, das sich als „politische Plattform für Freiheit und Offenheit im digitalen Zeitalter“ definiert, weitere erschreckende Fakten ans Tageslicht.

Dokumenten zum aktuellen Stand der Verhandlungen war zu entnehmen, dass auch Datenschutz für TiSA ein Handelshemmnis darstellt. Daher soll jede Firma das Recht erhalten, Daten aller Art außer Landes zu schaffen. Wie ungeheuer praktisch für die NSA (National Security Agency, Nachrichtendienst der USA): Endlich muss man sich die Daten nicht mehr höchst umständlich über den Bundesnachrichtendienst besorgen.

Welche Konsequenzen hätte ein Zustandekommen von TiSA?

Zunächst einmal zu den Vorteilen: In Kombination mit dem Freihandelsabkommen TTIP versprechen sich die Vereinigten Staaten durch TiSA eine Steigerung ihrer Export-Einnahmen von 600 Milliarden Euro (Artikel von Alexaner Hagelüken unter sueddeutsche.de). Nun, was uns angeht, hätte das Abkommen zur Folge, dass wir in puncto Internetnutzung komplett der amerikanischen Gesetzeslage anheim fallen würden.

Ein primäres Anliegen des TiSA-Initiators ist es nämlich, Unternehmen von der Pflicht zu befreien, einen Firmensitz in den Ländern zu haben, in denen sie Dienstleistungen anbieten und erbringen. Internet-Dienstleister wie Google, Microsoft, facebook und viele weitere dürften somit also komplett von Amerika aus agieren und sämtliche erfassten Daten dorthin transferieren.

Zusätzlicher Vorteil: Sie wären auch nicht mehr der EU-Gesetzgebung unterworfen. Was da hinter verschlossenen Türen verhandelt wird, schließt jede zukünftige Änderung kategorisch aus. Schließlich sind technische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung nicht weiter von Belang, und man weiß heute schon genau, wie es in 100 Jahren bei uns aussehen wird.

Diese Geisteshaltung wird in drei TiSA-Klauseln festgehalten

1. Sämtliche Dienstleistungen, die beim Abschluss des Vertrages nicht anhand einer so genannten ‚Negativliste‘ von der Privatisierung ausgenommen sind, dürfen für immer von privaten Anbietern übernommen werden. „Stellen wir uns vor, Tisa wäre nach dem Zweiten Weltkrieg unterzeichnet worden: Niemand hätte damals eine staatliche Arbeitslosenversicherung auf die Ausnahmeliste gesetzt. Deshalb hätte man sie in den siebziger Jahren nicht mehr einführen können“, so Gewerkschafter Stefan Giger.

2. Es ist nicht möglich, Privatisierungen wieder zur öffentlich-rechtlichen Angelegenheit zu machen, nachdem diese einmal vollzogen sind. Eine Rekommunalisierung der Wasserversorgung, wie Berlin sie 2012/2013 vornehmen musste, weil die Trinkwasserpreise stiegen und die Bevölkerung völlig zurecht protestierte, wäre somit nicht mehr möglich.

3. Weder verändert noch verschärft werden dürfen darüber hinaus ökologische, gesundheitliche und soziale Reglementierungen, nachdem der TiSA-Vertrag zustandegekommen ist.

Zu befürchten steht bei einem Zustandekommen der ‚Koalition der guten Freunde‘ überdies:

  • eine Untergrabung von Arbeitnehmerrechten (z.B. Leiharbeitsfirmen können ihre Angestellten für Billiglöhne in Europa arbeiten lassen, da sie sich nicht nach der hiesigen Gesetzgebung richten müssen)
  • Eklats im finanziellen Sektor, gegen die die bisherigen Bankenskandale Lappalien sind
  • eine gehörige Verteuerung sämtlicher medizinischer Leistungen

Quellen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Trade_in_Services_Agreement

https://lobbypedia.de/wiki/TISA_-_Trade_in_Services_Agreement#Chronologie_der_Verhandlungen

http://www.beobachter.ch/justiz-behoerde/gesetze-recht/artikel/tisa-abkommen_wasser-nur-noch-von-nestle/