Sharing Economy in die Elektronikbranche

Technik muss man nicht besitzen

01. Juli 2018 von

Grover bringt die Sharing Economy in die Elektronikbranche. Über die Plattform des Start-ups kann sich jeder Geräte mieten – monatsweise und mit Option auf einen späteren Kauf.

Jeder, der schon einmal umgezogen ist, weiß: Das kostet. Selbst, wenn man zusammenzieht und eigentlich einen ganzen Hausrat verkaufen könnte, gibt es immer noch Dinge, die man sich neu kaufen muss. Und an die man sich dann bindet, bis sie kaputt gehen. Aber muss das sein?

Diese Frage trieb 2014 auch Michael Cassau bei einem Umzug von London nach Berlin um. Er wollte nur für etwa einen Monat in der deutschen Hauptstadt bleiben, fand aber lediglich eine unmöblierte Wohnung. Cassau stand also vor der Wahl: Mehrere tausend Euro investieren oder sich an eine Finanzierung für die nächsten vier Jahre binden.

Dabei sei es in anderen Bereichen schon völlig normal, nicht mehr auf exklusiven Besitz, sondern Teilen und Mieten zu setzen, man müsse sich nur Dienste wie Spotify, Netflix, DriveNow oder Car2Go ansehen. Cassaus Fazit: „Den Ehering will man vielleicht für immer haben und sein eigen nennen. Alles andere eher nicht.“

Aus diesem Problem heraus entstand dann Grover, damals noch gegründet unter dem Namen Byebuy. Das Geschäftsmodell ist simpel: Grover vermietet Elektronikartikel, sogenannte Consumer Electronics. Egal ob Smartphone, Kamera, Spielekonsole, Smartwatch, VR-Brille, Drohne, Tablet, DJ-Equipment oder Notebook, Cassau ist davon überzeugt, dass vor allem die jüngere, ungebundene Generation auch all diese Dinge nicht unbedingt besitzen muss.

Technik unverbindlich testen – oder doch kaufen

„Die Leute haben besseres zu tun, als 1000 Euro in ein iPhone zu stecken. Davon lässt sich ein Familienurlaub bezahlen“, so Cassau. Zudem will man sich über eine Finanzierung oder einen Kredit ja auch nicht verschulden. Bei Grover lassen sich die Geräte monatsweise mieten, die Rate ist dabei abhängig vom Gerät und dessen Zustand. Schaut man sich die Preise an, zielt das Modell des Start-ups aber eher auf kurzfristige Mieten ab. Bei vielen Produkten hat man nach wenigen Monaten Miete schon den Kaufpreis rein.

Allerdings könne man so bestimmte Geräte wie VR-Brillen auch erst einmal unverbindlich testen – und sich dann immer noch für einen Kauf entscheiden. Das ist auch über Grover selbst möglich: „Wir haben eine Fair-Usage-Grenze. Sobald jemand 120 Prozent des Kaufpreises an Miete gezahlt hat, machen wir ihm ein Kaufangebot für das Gerät von 1 Euro.“

Sollte das Gerät einmal kaputt sein, wird es so schnell wie möglich ersetzt. Trägt der Kunde durch Fahrlässigkeit Schuld an dem Schaden, trägt er 50 Prozent des Kaufpreises – die anderen 50 Prozent sind über Grover und seine Versicherungen gedeckt.

Das Start-up befindet sich zwar erst in seinem dritten Jahr, konnte aber von verschiedenen Investoren schon mehrere Millionen Euro einsammeln und beschäftigt inzwischen über 40 Mitarbeiter. Neben Deutschland gibt es das Angebot außerdem schon in Österreich, den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich sowie den USA. Die Zeichen stehen also auf Wachstum.

Angst vor Konkurrenz, beispielsweise vor den großen Elektronikhändlern, hat Cassau derzeit noch nicht wirklich – auch weil Grover das Feld selbst besetzt hat: Schon Anfang 2017 hat Media Markt angekündigt, in Zukunft bestimmte Produkte auch zu vermieten. Der Einzelhändler setzt dabei auf das System von Grover, andere Händler fungieren beispielsweise auch als Abholstationen für Grover-Produkte.

Nachhaltigkeit Grovers hängt auch am Kunden

Der Versandhändler Otto hat aber bereits einen eigenen Mietservice gestartet. Der Fokus von Otto Now ist zwar deutlich breiter, immerhin gibt es dort auch Waschmaschinen oder Sportgeräte. Könnte Media Markt dann nicht auch irgendwann beschließen, das Mietsystem einfach komplett selbst zu machen? „Die Retailer fokussieren sich natürlich darauf, was sie am besten können. Und das sind derzeit die Kunden, die ein Produkt kaufen wollen. Das Vermieten von Elektronik bedarf aber anderer Prozesse und einer speziellen Expertise, die wir nun seit Jahren ausbauen. Darauf vertrauen immer mehr Retail-Partner. Viele Shops bieten ja auch Finanzierung auf Raten an – deswegen ist kein Händler zur Bank geworden.“

Mit seinem Ansatz schlägt Grover inzwischen auch international Wellen: Als erstes deutsches Start-up ist das Team aus Berlin Teil der CE 100 der Ellen-MacArthur-Stiftung geworden. Der Zusammenschluss aus Unternehmen – zu denen unter anderem auch Apple, Ikea oder Dell gehören –, akademischen Einrichtungen und Gemeinden will den Weg zu einer Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) beschleunigen.

Zwar ist Grovers Geschäftsmodell in diesem Sinne natürlich nachhaltig, weil weniger Produkte produziert werden müssen, letztlich also Ressourcen und Energie gespart wird – theoretisch: Auf der Plattform habe man derzeit etwa acht Nutzer pro Gerät, sagt Cassau. Allerdings verführt das Angebot dazu, sich immer das neueste Gerät zuzulegen – und vielleicht auch einmal eines, das man sich sonst nicht kaufen würde, zumal die im Vergleich zum kauf niedrigen Preise verlockend sind.

Cassau ist sich des Problems bewusst, verweist aber auf die verschiedenen Preispräferenzen unter den Kunden. Dort, wo jemand das iPhone 7 also nach drei Monaten gegen das neuere iPhone X eintauscht, will jemand anderes genau dieses leicht gebrauchte – und damit etwas billigere – iPhone 7 haben. Der Gründer beschreibt es so: Die diversen Kundeninteressen decken sich mit denen des Unternehmens und denen einer nachhaltigeren Sharing bzw. Circular Economy, dass ein Gerät möglichst lange im Umlauf bleibt. Jeder Kunde bekommt also das Gerät, was er haben möchte, je länger ein Gerät im Umlauf bleibt, desto mehr verdient Grover natürlich – und desto mehr Ressourcen und Energie wird eingespart. Eine klassische Win-win-win-Situation.

Dieser Artikel stammt vom „enorm Magazin“.