Umwelt

Plastikmüll und seine Folgen: Das WWF-Experteninterview

25. Juli 2017 von

Christoph Schulz vom Plastikfrei-Blog „CareElite“ hat Dr. Bernhard Bauske vom WWF zum Interview getroffen. Dr. Bernhard Bauske ist bereits seit über 20 Jahren für den WWF tätig und kennt die aktuelle Plastikmüll-Situation so genau, wie kaum ein anderer.

Herr Dr.Bauske, stellen Sie doch sich und Ihre Arbeit kurz vor. Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Dr.Bauske: Mein Name ist Bernhard Bauske. Ich arbeite für den WWF Deutschland und bin genauer gesagt in der Abteilung Meeresschutz tätig, die natürlich auch viele andere Meeresthemen wie Fischerei, Schutzgebiete oder auch Korallenriffe bearbeitet. Ich beschäftige mich speziell mit dem Thema Plastikmüll in den Weltmeeren und stehe im engen Kontakt zu den internationalen WWF’s, die sich auch um dieses Thema kümmern. Wir untersuchen gemeinsam die Hauptursachen des Plastikmülls und erarbeiten Strategien, wie man den Plastikmüll im Meer zukünftig verhindern kann.

Ein Großteil des Plastikmülls kommt vom Land, durch eine unzureichende Abfallentsorgung. Deshalb haben wir beschlossen, den Schwerpunkt unserer Arbeit auf die Vermeidung von Plastikmüll und die richtige kontrollierte Sammlung des Mülls zu legen, bevor er in die Meere gelangen kann. Wir beschäftigen uns mit der Frage „Warum ist die Abfallentsorgung in vielen Ländern unzureichend?“ und haben hier große Unterschiede zwischen Deutschland und Ländern in Südostasien festgestellt. Die Gründe für diese Unterschiede sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die persönliche Einstellung der Menschen und die fehlende Finanzierung der Abfallentsorgung in den jeweiligen Ländern.

Wir haben in Deutschland eine Teilfinanzierung durch die Industrie, das heißt, die Abfälle werden über die dualen Systeme wie den „Gelben Sack“ eingesammelt und weiterverwertet, sortiert und recycelt. Das wird von der Industrie über Lizenzgebühren auf Verpackungen bezahlt. Dieses System gibt es in vielen Ländern aber noch nicht. Dieser Aspekt ist ein wichtiger Teil unserer täglichen Arbeit, denn wir fordern die Politik, die Rahmenbedingungen in die Richtung einer globalen Konvention zum Thema Plastik anzupassen, sodass es wieder eingesammelt wird und eben nicht in die Umwelt gelangt. Außerdem möchten wir, dass die erweiterte Produktverantwortung für Verpackungen eben auf die Unternehmen übertragen wird, die diese Plastik-Verpackungen in die Märkte bringen. Dafür müssen wir die Politik, die Öffentlichkeit und vor allem die Unternehmen erreichen.

Ein weiterer Aspekt sind Projekte der lokalen WWF’s vor Ort. Diese Projekte beschäftigen sich mit den Fragen, wie der Plastikmüll reduziert werden kann und wie die Verbraucherkommunikationen effektiver gemacht werden können. Die Organisation & Koordination dieser Projekte, sowie die Öffentlichkeitsarbeit auf politischer Ebene voranzutreiben, sind aktuell meine Aufgaben. Vor kurzer Zeit war ich beispielsweise in Vietnam für ein Projekt des WWF Vietnam am Mekong Delta. Hier ist das Problem, dass viel Müll einfach in der Landschaft deponiert wird weil die Kapazitäten zur Abfallbehandlung fehlen. Das Mekong-Gebiet wird häufig überflutet und nimmt den Plastikmüll über Kanäle und Nebenarme des Mekongs mit ins Meer. Wir wollen die Mülltrennung verbessern und die Verarbeitung, z.B. der organischen Fraktion zu Kompost, erleichtern.

Woher kommt der ganze Plastik-Müll in Meeren und Flüssen weltweit?

Dr.Bauske: Da die Gegebenheiten regional sehr unterschiedlich sind und viele unterschiedliche Zahlen herangezogen werden müssen, ist diese Frage pauschal sehr schwer zu beantworten. Teilweise haben wir Quellen, die auf die See zurückzuführen sind, zum Beispiel verlorengegangene Fischernetze oder andere Dinge, die in der Fischerei verwendet werden. Es wird zwar unerlaubt viel über die Reling geworfen, das nicht ins Meer gehört, aber der meiste Plastikmüll kommt tatsächlich über das Land ins Meer. Dadurch das der Müll nicht richtig gesammelt wird oder an Meeresküsten und Flüssen landet, wird der er nach und nach ins Meer gespült.

Unser Schwerpunkt liegt auf der Region Südostasien, weil wir hier die Hauptquelle für den Plastikmüll im Meer vermuten (Anmerkung Christoph: lt. dieser Studie der EllenMacArthur Foundation kommen 82% des am Meeresgrund liegenden Plastikmülls aus asiatischen Ländern). Grund dafür ist, dass durch wachsenden Wohlstand immer mehr konsumiert wird. Was hier früher noch natürlich und unverpackt in Holz- oder Bananenblättern angeboten wurde, wird heute in Plastik verpackt verkauft.

Auch die Verkaufs-Kanäle haben sich geändert. Gekauft wird hier nicht mehr ausschließlich auf öffentlichen lokalen Märkten, sondern auch in Supermärkten. Der anfallende Verpackungsmüll nimmt also zu, die Müllentsorgung kann aber nicht Schritt halten. Ein ähnliches Problem hatten wir bei uns in Deutschland bis zu den 80er Jahren, wir haben dieses Problem aber durch die Verpackungsverordnung in den 90er Jahren einigermaßen gelöst, indem die Verantwortung für das Einsammeln des Verpackungsmaterials zu Teilen auch an die Industrie übertragen wurde. In Südostasien existieren diese Regelungen eben noch nicht. Es ist eine Kombination aus fehlender Finanzierung und entsprechender Kommunikation des Plastik-Problems. Wenn die Menschen ihren Müll ordnungsgemäß trennen sollen, müssen auch die passenden Gegebenheiten dafür geschaffen werden. In diesem Bereich ist noch sehr viel Überzeugungsarbeit notwendig.

Ein Punkt, den ich bisher noch nicht erwähnt habe, ist das Mikroplastik. Mikroplastik wird bewusst bestimmten Produkten wie Kosmetika beigemischt und gelangt dann über die Abflüsse und Klärwerke in die Meere. Aber auch durch Abrieb aus Textilfasern oder von Autoreifen wird ebenfalls Mikroplastik freigesetzt. Während das Mikroplastik in Kosmetika schon durch ein Verbot der Beimengung von Plastik in Kosmetika verhindert werden kann, ist das Mikroplastik, das durch Abrieb von Textilien oder Autoreifen entsteht, wahrscheinlich nur über die Weiterentwicklung der Kläranlagen und eine verbesserte Produktentwicklung möglich. Viele Länder haben aktuell auch noch keine Kläranlagen.

Welche Tiere leiden ganz besonders unter dem Plastik-Müll? Und was waren Ihre schlimmsten und prägenden Erlebnisse, den Plastik-Müll in der Umwelt betreffend?

Dr.Bauske: Ich habe die Basstölpel in Helgoland gesehen. Basstölpel schleppen Plastikmüll als Nistmaterial an, verheddern sich in dem Plastik und erhängen sich darin. Der Plastikmüll trifft aber auch besonders größere Meerestiere, wie Meeresschildkröten, Seehund, Wale oder Delfine. Wale und Delfine müssen zum atmen an die Oberfläche kommen. Wenn das nicht möglich ist, da sie sich in Fischernetzen oder anderen Dingen verfangen haben, ersticken sie. Durch Schnüren und Leinen können sich die Tiere auch selbst an dem Müll strangulieren.

Gerade die Seevögel halten den Plastikmüll für Nahrung und nehmen die Plastikteile auf. Dadurch haben sie das Gefühl, dass sie satt sind, obwohl sie es nicht sind. Es liegt einfach nur zu viel Plastik im Magen. Die Aussicht ist, dass bis 2050 fast jeder Meeresvogel Plastik im Magen haben wird, eine Sache, die so nicht sein darf. Wenn man die Bilder von Küsten sieht, die vollständig von Plastikmüll bedeckt sind, ist das erschreckend.

Hinzu kommt das Mikroplastik, das wir gar nicht sehen. Plastik ist ein Material, das sich nicht biologisch zersetzt und hunderte von Jahren in der Umwelt und speziell in den Meeren existiert. Plastik gehört einfach nicht in die Umwelt. Jegliches Plastik muss wieder eingesammelt und behandelt werden, darum geht es.

Wenn Plastik so ein großes Problem darstellt, warum wird der Kunststoffkonsum nicht gesetzlich reduziert?

Dr.Bauske: Das ist eine Frage der Abwägung. Plastik als Material ist relativ einfach und preisgünstig herstellbar. Plastik kann als Verpackung verarbeitet werden, Lebensmittel haltbarer machen und längere Transportwege garantieren. Die Frage ist, welche Konsequenzen nun gezogen werden. Die Konsequenz kann sein, dass es weiterhin in Plastik verpackt wird, oder das Waren vermehrt regional bezogen werden und so aufgrund der kürzeren Transportwege keine Verpackung notwendig ist.

Die Wirtschaft ist so aufgebaut, dass die entsprechenden Strukturen im Moment existieren. Als Verbraucher kann ich nur regional und unverpackt einkaufen, aber bei vielen Produkten geht es eben noch nicht ohne Plastik. Sobald ein Lebensmittel schneller verdirbt, weil es nicht mehr verpackt ist, haben wir auch Umweltschäden zu befürchten. Denn auch die Herstellung von Lebensmitteln verbraucht Energie und Ressourcen. Es ist also nicht überall zu vermeiden, aber die Konsequenz für den Verbraucher sollte sein, regional und unverpackt einzukaufen.

Welche Entwicklungen erwarten Sie von Gesellschaft & Politik in den nächsten Monaten und Jahren, das Thema Plastikmüll in der Umwelt betreffend?

Dr.Bauske: Das Thema Plastikmüll steht im Moment weit oben auf der Agenda. Das merke ich sowohl in der öffentlichen Diskussion als auch im privaten Bereich. Wenn ich sage, dass ich mich um das Thema Plastikmüll kümmere, wissen viele genau, worum es dabei geht. Die Hoffnung ist jetzt, dass vor Allem von Industrie und Politik Maßnahmen getroffen werden, um zumindest die Freisetzung von Plastik in die Umwelt zu bremsen. Diese Maßnahmen könnten aber auch von kurzer Dauer sein und schnell wieder verebben, wie beispielsweise beim Thema Klimaschutz.

Im Plastik-Fall kann es daran scheitern, dass die Unternehmen zwar gegen den Plastikmüll in der Umwelt sind, aber keine weiteren Kosten für das Recycling der von ihnen in Umlauf gebrachten Plastikverpackungen auf sich nehmen wollen. Als WWF müssen wir das aber immer weiter einfordern, bis eine korrekte Abfallentsorgung mitfinanziert wird. In Vietnam beispielsweise wird nun eine geringe Müllgebühr pro Haushalt kassiert. Es kann aber nicht sein, dass Haushalte diese Kosten tragen müssen und die Industrie, die den Plastikmüll in Umlauf bringt, beteiligt sich gar nicht an den Kosten für die Entsorgung. Wenn ich Verpackungen produziere, muss ich auch dafür Sorgen, dass sie wieder zurückkommen. Das ist eine zentrale Forderung vom WWF.

Wie kann jeder einzelne den WWF und auch andere Umweltorganisationen im Kampf für saubere Flüsse und Meere unterstützen?

Dr.Bauske: Zwei Wege sind entscheidend. Zum einen ist da natürlich das persönliche Verhalten. Auch in Deutschland nimmt der Verpackungsbedarf weiter zu, da Convenience-Produkte wie Coffee2Go oder Fastfood vermehrt gekauft werden. So ist der Verpackungsbedarf höher, als wenn sich jeder zu Hause selber seine Gerichte kocht. Aber auch der Internethandel treibt die Masse an Plastikverpackungen voran. Mit einem umweltbewussten Verhalten kann also jeder dabei helfen, dass die Ziele von Umweltorganisationen wie dem WWF erreicht werden.

Auf den jeweiligen Webseiten geben die Organisationen dazu die passenden Verhaltensregeln (Verhaltensregeln WWF) Der BUND hat beispielsweise eine Liste mit Kosmetika veröffentlicht, die Mikroplastik enthalten. Der NABU organisiert Plastikmüll-Sammelaktionen an den Stränden. Wir als WWF haben aktuell ein Geisternetz-Projekt an der Ostsee, wo es darum geht, verloren gegangene Fischernetze zu bergen. Wir stellen weltweit stetig weitere Projekte vor, wo wir natürlich auch auf Spenden angewiesen sind. Auch auf lokaler Ebene wird von lokalen Verbänden dazu aufgerufen, beispielsweise den Wald zu säubern. Das sind alles positive Beiträge, die jeder persönlich unterstützen kann, um die Umwelt von Plastikmüll zu befreien.

Vielen Dank für das angenehme Interview.

Das Interview zeigt insbesondere die Ursachen des Plastikmülls in der Umwelt weltweit auf. Die Gründe für den übermäßigen Plastikmüll auf Land und Meer sind also nicht nur auf das umweltbelastende Verhalten jedes einzelnen, sondern auch ganz besonders auf die gesetzlichen Bestimmungen und die Möglichkeiten der Entsorgung und ordnungsgemäßen Verwertung von Plastikmüll in den einzelnen Ländern zurückzuführen.

Als WWF hier anzusetzen, ist meiner Meinung nach der richtige Weg. Mit unserer Plastikfrei-Community begegnen wir dem Plastik-Problem von der anderen Seite, indem wir gemeinsam lernen, plastikfrei zu leben. Wir schlagen den richtigen Weg ein. Nun ist es wichtig, jeden für das Thema Plastikmüll zu sensibilisieren und ihn auf diesen Weg mitzunehmen. Ich freue mich über deinen Kommentar und gebe auch gerne Fragen weiter. Beste Grüße, Christoph

PS.: Wenn du mehr darüber erfahren willst, wie du deinen Alltag ganz einfach plastikfrei gestaltest, dann kommst du hier weiter zum passenden Artikel zum Thema Plastikfrei – Leben ohne Plastik.

Dieser Artikel erschien zuerst bei CareElite.