Milchautomaten

Ohne Verpackung: Milch zum Selbstzapfen

27. Sept. 2017 von

Milchautomaten sind nicht nur eine attraktive Form der Direktvermarktung für Bauern: Verbraucher können ihre Milch so regional und verpackungsfrei beziehen – und haben oft sogar eine größere Auswahl als bei den Pappen im Supermarkt.

Wer früher frische Milch wollte, ist einfach in den Stall zur Kuh gegangen. Was wir heute als „Frischmilch“ kaufen, ist ein stark verarbeitetes Produkt, pasteurisiert und homogenisiert. Seit einigen Jahren erlebt aber eine Idee ein Revival, die dieser ursprünglichsten Form der Milchbeschaffung zumindest nahe kommt.

Milchautomaten heißt das Zauberwort. Wie bei einem großen Wasserspender tritt man an die Geräte einfach ran – und zapft sich seine Milch selbst. Was als Direktvermarktung für Bauern angefangen hat, findet seinen Weg inzwischen auch in die Städte.

„Solche Automaten gibt es seit über 50 Jahren“, erzählt Dirk Hensing. Seine Firma vertreibt seit sieben Jahren unter der Marke „Milchtankstellen“ entsprechende Geräte der Risto Vending GmbH. „Wir haben die Landwirte sozusagen auf den Automaten gebracht.“ Denn neben den Milchtankstellen vertreibt die Hensing GmbH auch die sogenannte RegioBox, eine Art Selbstbedienungs-Hofladen, den Bauern mit eigenen Produkten befüllen können, vom Ei über Salat bis zu Honig und Marmelade.

Und obwohl die Idee der Milchautomaten schon Jahrzehnte alt ist, erlebt sie derzeit einen deutlichen Schub. Für Hensing liegt das nicht nur an der Milchkrise, die Landwirte dazu gezwungen hat, nach neuen – profitableren – Absatzwegen zu suchen. Ein ebenso großer Treiber ist ein neues Anspruchsdenken der Verbraucher. Also derer, die sich den wöchentlichen Einkauf im Biomarkt leisten können.

Trend zu regionalen, verpackungsfreien Produkten

Der Großteil der Milchautomaten steht derzeit noch auf dem Land, meist direkt an den Höfen, auf denen die Milch produziert wird. Aber auch Hensing merkt, dass sich immer mehr klassische Supermärkte in größeren Städten für das Konzept interessieren, was vor allem an zwei Entwicklungen liege: „Der Kunde möchte sich regional ernähren und verpackungslos einkaufen. Wir hören häufig den Spruch ‚regional ist das neue bio‘.“

Diese Automaten in den Supermärkten haben meist außerdem den Vorteil, dass sie aufbereitete Milch verkaufen, die man direkt trinken kann. Viele Bauern befüllen ihre eigenen Geräte mit der Rohmilch direkt aus dem Stall. Diese darf auch nur auf dem Hof verkauft werden – und muss von den Verbrauchern zuhause selbstständig abgekocht werden.

Daher tut sich auf dem Markt für Milchautomaten einiges. Neben den von Hensing vertriebenen „Milchtankstellen“ gibt es noch eine Reihe anderer Anbieter für Milchautomaten wie die Milch Concept GmbH oder die Schweizer Brunimat. Aber auch Molkereien wie die Hoffnungstaler Werkstätten, die ihre Produkte unter Marke Lobetaler Bio verkaufen, springen auf den Trend auf.

Einen guten Überblick, wo sich der nächste Milchautomat befindet, gibt die Website von Rebecca Liebers, die dort privat die Standorte der Direktvermarkter sammelt. Inzwischen sind es schon über 400. Und die Zahl wird wohl weiter steigen, denn von dem System profitieren sowohl Produzenten als auch Verbraucher: Die Bauern bekommen mit etwa einem Euro mehr als doppelt so viel pro Liter und können sich in der Region eigenständig etablieren. Die Kunden bekommen frische, regionale Milch – und verzichten auf nervende Verpackungen. Eine klassische Win-win-Situation.

Dieser Artikel von Vincent Halang erschien zuerst beim „enorm Magazin“.